Golf:Ins Loch mit dem 230. Versuch

Der englische Profi Andy Sullivan begeistert die Szene mit einem gelungenen Experiment: Er versucht, ein Hole-in-One zu spielen - und leidet Höllenqualen, bis er es tatsächlich schafft.

Von Gerald Kleffmann, London/München

Andy Sullivan, 31, stammt aus Nuneaton, England, hat drei Kinder, ist Golfprofi, respektiert, aber berühmt ist er nun auch nicht. Bisher. Am Mittwoch veröffentlichte die European Tour, auf der der Brite spielt, einen sechseinhalbminütigen Film. Unter dem Motto "ChaseTheAce", jage das Ass, versucht Sullivan etwas, von dem Golfer, auch Amateure, träumen: ein Hole-in-One zu schaffen, den Ball vom Abschlag aus mit einem Schlag einzulochen. 500 Versuche wurden Sullivan gestattet. Es wird geschätzt, dass Hobbyspieler 10 000-mal und öfter schlagen müssen, um direkt zu treffen. Bei Profis beträgt die Wahrscheinlichkeit zirka 1:2500. Wie auch immer: Sullivan legte sich mit dem Golf-Schicksal an - und triumphierte. Die Art, wie er das Experiment bestritt, wie er litt, zweifelte, jubelte, begeistert nun die Golfwelt. Majorsieger gratulierten. Das Video wurde 1,7 Millionen Mal aufgerufen. Eine Zahl, die nur Tiger Woods' Siegputt zuletzt beim Masters in Augusta übertraf.

Sullivan wurde aus mehreren Perspektiven gefilmt, per Funk wurde ihm vom Grün Genaues zur Lage des Balles mitgeteilt. Der Abschlag von Bahn 11 (Par 3, 156 Meter) im London Golf Club ist erhöht. Sullivan begann im Morgengrauen, anfangs mit einer Kapuze auf dem Kopf, blickte fröhlich und hätte fast den ersten Schlag verwertet. Lösbar erschien die Aufgabe für einen Profi. Doch Golf kann die Hölle sein. Nein, Golf ist die Hölle. Und so fluchte Sullivan. Jedes Mal, wenn er "fucking" Dies und "fucking" Jenes sagte, piepste es, unterlegt mit Sternchen. Es piepste oft. Schlag 29: Zwanzig Zentimeter zu kurz. Schlag 56: Der Ball trifft den Flaggenstock. Schlag 136 und 159: Zentimeter! Schlag 227: Sullivan klagt ernüchtert: "That is ******* brutal!" Piep!

Es gibt geschichtsträchtige und verrückte Hole-in-Ones. Das angeblich erste gelang 1868 dem Schotten Tom Morris Junior. Mike Crean traf 2002 aus 472,7 Metern auf einem Platz in den Rocky Mountains. 2008 soll ein Blinder erfolgreich gewesen sein. 4,267 Zentimeter beträgt der Durchmesser eines Golfballs, der des Loches 10,8 Zentimeter. Aus 100 Metern ist es kaum zu sehen. Ein Hole-in-One ist der Sechser im Lotto des Golfers.

Sullivan kämpfte weiter, stellvertretend für Millionen Golfer. Drei Turniere gewann er 2015. 2016 spielte er im Ryder Cup, Europa verlor. 2014 schlug Sullivan mal ein Ass, in Zandvoort, Holland, Preis: ein Weltraumflug. Ein Gag. Jetzt, im London Golf Club, war es todernst. Sein 230. Schlag: Der Ball schlägt auf. Rollt kurz - und fällt! Sullivan kreischt. Galoppiert los. Tritt beim Abwärtslaufen nach einer Grasnarbe. Holt den Ball, küsst ihn. "Es ist mir egal, was ich den Rest der Saison mache", juchzt er und klatscht einen Produktionsmitarbeiter ab: "You are ******* welcome!" Glücksgefühle, sonst nichts.

Die European Tour veröffentlicht später Daten: Von den 230 Schlägen lag sein Ball 217-mal auf dem Grün, dabei 42-mal innerhalb von 1,5 Metern vom Loch entfernt. "Du bist eine Legende!", twitterte Major-Champion Justin Thomas (USA) und erhielt Tausende Likes. Nur in Nordkorea wird man wohl weniger beeindruckt sein. Dort hieß es einmal, Kim Jong Il habe bei seiner ersten je gespielten Golfrunde nicht nur ein Ass geschlagen - sondern elf. Aber das ist eine andere Geschichte.

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