Süddeutsche Zeitung

Golf:Infizierte Caddies

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Fünf weitere Corona-Fälle vor dem vierten Turnier nach dem Neustart befeuern die Debatte um die Fortsetzung der PGA-Tour.

Von Felix Haselsteiner, Cromwell/München

Ursprünglich sollte es für Chase Koepka die wichtigste Woche des Jahres werden. Chase, 26, ist der jüngere Bruder von Brooks Koepka, der Nummer vier der Weltrangliste. Bis auf den Namen und eine definitiv erkennbare Ähnlichkeit in ihren Gesichtszügen leben Brooks und Chase in sehr unterschiedlichen Welten, zumindest wenn es um ihre Golfkarriere geht: Brooks ist Multimillionär, mehrmaliger Major-Sieger und gilt bei jedem Turnier, bei dem er an den Start geht, automatisch als einer der Mitfavoriten. Chase hingegen reist meist durch das unscheinbare Hinterland der Golfwelt und spielt Turniere in Europa. Auf der PGA-Tour in den USA hatte es bislang erst zu einem Start gereicht - und dabei wird es vorerst auch bleiben.

"Auch wenn ich mich sehr darauf gefreut hatte, beim Travelers Championship zu spielen, habe ich mich dazu entschieden zurückzuziehen", teilte Chase Koepka am Mittwochnachmittag auf Twitter mit. Dabei hatte er sich erst am Montag in einem Qualifikationsturnier sensationell seinen Platz für das PGA-Event gesichert, Chancen wie diese kommen nicht oft. Dann jedoch folgte am Dienstag eine Proberunde auf dem TPC River Highlands in Cromwell, Connecticut, gemeinsam mit seinem Bruder Brooks sowie dem befreundeten nordirischen Profi Graeme McDowell. Wie üblich wurden auch nach der Proberunde alle Beteiligten, Spieler wie Caddies, auf das Coronavirus getestet. Und zwei Tests waren positiv: Die Caddies von Brooks Koepka und McDowell sind am Virus erkrankt, daher zogen beide Profis umgehend zurück und gaben bekannt, nicht zu starten. Und weil Chase Koepka ebenfalls mehrere Stunden beim Spielen mit ihnen verbracht hatte, beschloss auch er, nicht anzutreten - "ich glaube, das ist die beste Entscheidung, um für die Sicherheit aller Spieler, Caddies und Mitarbeiter zu sorgen", schrieb er.

Es ist eine ehrenwerte Entscheidung, die aber die Debatte um die Fortführung der PGA-Tour noch einmal befeuert. Seit drei Wochen wird wieder gespielt, und bereits in der vergangenen Woche hatte der Profi Nick Watney das RBC-Heritage-Turnier abbrechen müssen: Er war Corona-positiv. In dieser Woche traf es den jungen Amerikaner Cameron Champ, auch er war positiv. Und als wäre das nicht genug, entschied sich noch dazu der Sieger aus der vergangenen Woche, Webb Simpson, nicht anzutreten. Bei ihm war in der Familie jemand erkrankt, aus Sicherheitsgründen verzichtete er.

Ist das Projekt Neustart schon nach wenigen Wochen gescheitert?

Fünf Spieler werden beim Travelers Championship also wegen Corona-Fällen in ihrem Umfeld nicht antreten. Grund genug für den Commissioner der PGA Tour, Jay Monahan, vor die Presse zu treten. "Wir sollten diese Entwicklungen als eine Erinnerung für alle Beteiligten ansehen", sagte Monahan am Mittwochnachmittag. Man wolle zudem mit "einigen Anpassungen" für noch mehr Sicherheit sorgen. Der Prozentsatz der positiven Tests, verteidigte Monahan, sei weiterhin sehr gering.

Längst jedoch steht die Frage im Raum, ob das Experiment "Neustart" nicht gescheitert ist. Eine Turnierserie wie die US-Golftour, die mit einem großen Tross von Woche zu Woche quer durch die USA reist, ist anfällig: Die Spieler sind weiterhin umgeben von ihren Caddies, Trainern, Agenten, Equipment-Leuten und nicht zuletzt ihren Partnern und Familien. Dass das alles stattfinden darf, während der Rest der US-Sportwelt noch vorsichtig überlegt, ob Turniere überhaupt an einem einzelnen, hermetisch abgeriegelten Ort ausgetragen werden können, scheint immer schwieriger zu vertreten zu sein. Erst recht, wenn man sich das große Bild vor Augen führt: In den USA steigen die Infektionszahlen wieder stärker an, mehr als 120 000 an Covid-19 Erkrankte sind gestorben. "Die Rückkehr des professionellen Sports sollte eine Belohnung für Gesellschaften sein, die das Coronavirus eliminiert haben", kommentierte der renommierte Experte Alan Shipnuck bei Golf.com. Er schlussfolgerte gar, die Amerikaner hätten angesichts ihres Umgangs mit dem Virus die PGA Tour noch nicht verdient.

Illusorisch erscheint aktuell vor allem, dass die Tourverantwortlichen ihre Ambitionen (noch) nicht aufgeben, bereits in drei Wochen wieder Zuschauer zuzulassen. Vom Memorial Tournament (16. bis 19. Juli) an soll eine begrenzte Zahl von Leuten unter Vorkehrungen wieder erlaubt sein, dann von Turnier zu Turnier schrittweise mehr.

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Quelle:
SZ vom 26.06.2020
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