Golf:Generalprobe im Golfclub Valley

golf valley

Ulrich Eckhardt ist seit 2018 Bundestrainer der Männer im Golf Team Germany – und Initiator eines einzigartigen Gemeinschaftsprojekts während der Corona-Krise.

(Foto: Stebl)

Nachdem der Golfsport in den vergangenen Wochen eine Initiative für gemeinsames Training gestartet hatte, findet in Holzkirchen das erste Turnier seit der Corona-Pause statt.

Von Gerald Kleffmann

Vor rund fünf Wochen waren sie schon einmal im Golfclub Valley, jeweils 15 Frauen und Männer, Amateure und Profis, alle vereint auf dieser bilderbuchhaften Anlage nahe des Tegernsees, um ein verlorenes Gefühl endlich mal wieder in Ansätzen zu spüren: Turniergolf-Kribbeln. Zwar durften sie, die besten Athletinnen und Athleten des nationalen Golf Teams Germany gemäß den Auflagen zu jener Zeit noch keine offizielle Veranstaltung aufziehen. Aber mit ein wenig Kreativität haben sie es sich zumindest doch ermöglicht, das eigene Können mal zu überprüfen, nach all den Wochen des Stillstands. "Überprüfung der Wettkampfhärte im Zuge eines Lehrgangs", so nannten sie die drei Runden, die sie spielten. Als Ulrich Eckhardt diesen Titel ausspricht, muss auch er lächeln. Wahrscheinlich können sich nur die Deutschen in ihrer herrlichen Behördensprache so was Verschachteltes ausdenken.

Nichtsdestotrotz ist der Männer-Bundestrainer natürlich erfreut, dass es die Leistungsüberprüfungen wie jene überhaupt gibt. Und ab diesem Dienstag folgt ohnehin nun tatsächlich eine, die wie ein echtes Turnier daherkommt: Bei der kurzfristig ins Leben gerufenen "Schäfflertanz International Open" in Valley starten 140 Amateure (58 Frauen, 82 Männer) der deutschen Spitze, gespielt wird im Zählspiel-Modus über drei Runden bis Donnerstag (54 Löcher/aufgrund der Corona-Lage sind Zuschauer noch nicht erlaubt).

Initiiert hat das Turnier Valleys Chef-Trainer Danny Wilde, zusammen mit Klubpräsident Michael Weichselgartner. Der Titel der Veranstaltung spielt auf die Schäfflertänzer des Glockenspiels im Münchner Rathaus an, die der Legende nach während einer Pestepidemie getanzt hatten, um die Leute zu beruhigen. Bundestrainer Eckhardt fängt zwar nicht gleich an, selbst die Beine zu schwingen, aber begeistert ist er dennoch ob der Aussicht auf Golfsport unter ernsten Bedingungen: "Das ist der erste Lichtblick", findet er. Die vergangenen Monate waren ja für alle eine Geduldsprobe. In normalen Zeiten hätten sie kürzlich etwa die berühmte Lytham Trophy absolviert und die French Amateurs. Erst im August soll in England wieder die Saison für die besten Amateure weitergehen. Bis dahin absolvieren die Spieler also weiterhin das längste Trainingslager der Welt, nun wenigstens mit richtigem Wettbewerb.

Eckhardt gibt zu, dass die Auszeit, bedingt durch die Pandemie, höchst unterschiedlich von seinen Akteuren verarbeitet wurde. "Für manche ist alles eine Katastrophe, für andere ist es die schönste Zeit ihrer Karriere", erklärt er. In der Summe aber, betont Eckhardt, hätte diese Phase des Ausnahmezustands alle näher zusammengebracht. Ausdrücklich schwärmt er von der Gemeinschaft untereinander. Auch, weil ja schon seit geraumer Zeit die deutschen Golfprofis nicht isoliert und zurückgezogen vor sich hin üben, sondern sich regelmäßig treffen zu Fortbildungen und Analysen. Im April war der GC St. Leon-Rot der Schulungsort, seitdem versucht das Golf Team Germany, alle zwei Wochen einen Lehrgang durchzuführen, an Anlagen, die die reisende Gruppe aufnimmt, mangelt es nicht. Winstongolf bei Schwerin, der GC Schwanhof oder der Golf- und Land-Club Köln boten sich als Stationen an, und nicht nur Valley führt jetzt, als Erster immerhin, ein richtiges Turnier durch. Andere wollen nachziehen, etwa der Berliner Golfclub Stolperheide mit einem ähnlichen nationalen Event. "Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt Eckhardt und meint damit aber in erster Linie die Tatsache, dass gerade Golfer den direkten Vergleich benötigen, um sich zu entwickeln.

Wenn das jemand beurteilen kann, dann sicher jemand wie der Bundestrainer, denn das, was er und Frauen-Bundestrainer Stephan Morales zum Beispiel in Valley beim Lehrgang aufgezogen haben, ist im Grunde einzigartig im Spitzensport. In welcher Disziplin treffen sich schon Männer und Frauen, gerade volljährig gewordene Talente und erfahrene Profis zum gemeinsamen Training? "Jeder profitiert davon", versichert Eckhardt. "Die Etablierten wollen sich nicht schlagen lassen von Spielern, die noch nicht so auf der Rechnung standen." Und die Jungen wollen mithalten, klar. Auch Männer und Frauen lernten voneinander. "Man muss sie nur zusammenbringen, das reicht schon", sagt Eckhardt. Für Profis wie Maximilian Kieffer etwa, seit Jahren auf der European Tour aktiv, oder auch Sebastian Heisele hat sich nun immerhin ein neuer Lichtblick aufgetan: Die Profisaison wird früher als gedacht fortgesetzt, in der ersten Juli-Hälfte finden zwei Turniere in Österreich statt.

Im deutschen Team sind Talente, denen Eckhardt viel zutraut, etwa Laurenz Schiergen oder Matthias Schmid. Aber nur kurz einmal gefragt, wieso nach Martin Kaymer eigentlich keine weiteren Siegspieler auf höchster Ebene nachgerückt sind, reicht, um gleich eine ungleich ernstere Debatte anzustoßen. "Das ist ein sehr langes Thema", sagt Eckhardt. Zusammengefasst hält er das deutsche Schulsystem "kontraproduktiv für Leistungssport". Es gebe zu wenige wirklich exzellente Plätze, die internationalem Spitzenstandard genügen. Und zu wenigen Spielern sei wohl auch ein hartnäckiger Wille angeboren, wie er Kaymer und Bernhard Langer zum Durchbruch verhalf. "Wir sind immer noch ein Golf-Entwicklungsland", sagt Eckhardt.

Aber man tut, was man kann, so lautet seine Devise. Die Schäfflertanz International Open ist so betrachtet schon mal tatsächlich ein Anfang, wenn auch dieses Jahr für manche Spieler weiterhin ein schweres bleiben wird. Allein fünf Amateure wollten 2020 in den Profi-Status wechseln und müssen diese Pläne um ein Jahr verschieben. Die Qualifying School, ein Turnierzyklus, bei dem sich Spieler für höhere Profitouren qualifizieren können, fällt im Herbst aus - sie wurde ersatzlos gestrichen.

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