Golf:Endstation Portugal

China? Dubai? Südafrika? Wegen Flugangst spielt Golfprofi Florian Fritsch nur Turniere, die er mit dem Auto erreichen kann. Dafür hat er es zuletzt weit gebracht.

Von Frieder Pfeiffer

Es gab Zeiten im Golferleben von Florian Fritsch, sie sind noch gar nicht so lange her, da ging es um Dinge, die ein Profisportler während eines wichtigen Turniers nicht brauchen kann. Vor gut zwei Jahren saß Fritsch in Wentworth, einem edlen Vorort von London, das große Heimturnier der European Tour war gerade gestartet, und überlegte, wie er abends seinen Hunger stillen könnte. "Ich habe einfach keine Lust, 15 Pfund für eine Pizza auszugeben", sagte er - und blieb im Hotel.

Die langen Reisen mit dem Auto, die Übernachtungskosten, dazu die Ungewissheit, ob und wenn ja wie viel Preisgeld es in dieser Woche geben würde - im Schatten der glitzernden Golfwelt offenbart sich das Reich der Journeymen, der zahlreichen Wanderer, die versuchen, den Lebensunterhalt mit guten Ergebnissen auf Profi-Touren zu sichern. Immer begleitet von der Unsicherheit, vielleicht ohne Verdienst wieder Tausende Kilometer nach Hause reisen zu müssen. Fritsch war zu dieser Zeit so ein Reisender - ein besonderer sogar. Der geborene Münchner, der heute bei Heidelberg lebt, leidet unter Flugangst, was knapp zwei Stunden Flug nach London zu einer Tagesreise auf der Autobahn ausdehnt. Und auch wenn er es mit einem Lächeln nimmt, die Zeit bekommt er dadurch nicht zurück: "Oftmals geht es vom Auto nach mehreren Stunden Fahrt direkt auf den Kurs zur Proberunde", sagt er.

Alfred Dunhill Links Championship - Day Four

Florian Fritsch in der vergangenen Woche beim Turnier in St. Andrews, Schottland.

(Foto: David Cannon/Getty)

Inzwischen hat sich allerdings manches verändert. Fritsch, 30, reist zwar immer noch mit dem Auto quer durch Europa, in diesem Jahr bereits rund 35 000 Kilometer. Doch mittlerweile hat sich zum einen ein Sponsor fürs Fahrzeug gefunden. Und zum anderen hat sich für Fritsch nicht nur die Sache mit der Nahrungsaufnahme entspannt. "Früher habe ich bei allen Dingen den Sparfuchs gemacht, inzwischen habe ich verstanden, dass man am Essen nicht sparen sollte", sagt er.

Er kann es sich leisten. Sein Preisgeldkonto auf der European Tour ist auf gut 230 000 Euro angewachsen, die Folge eines erheblichen Formanstiegs seit Anfang September. Drei siebte Plätze auf der European Tour katapultierten ihn in Bereiche der Saisonrangliste, er macht sich Hoffnungen auf ein volles Spielrecht für 2017. Das ist in doppeltem Sinne eine Überraschung. Denn Fritsch ist nur mit eingeschränktem Spielrecht auf der Tour unterwegs, was ihn dazu zwingt, Woche für Woche zu hoffen, in die Turnierfelder zu rutschen, was wiederum nur dann möglich ist, wenn die Turniere mit dem Auto erreichbar sind, was im globalen Golfbetrieb die Anzahl der Möglichkeiten stark beschränkt. So kommt Fritsch in diesem Jahr gerade einmal auf zehn Events, in denen er sich jedoch bis auf Rang 111 der Jahreswertung spielte. Die Konkurrenz kommt auf bis zu knapp dreimal so viele Starts.

Tourkarten

Wer regelmäßig auf den großen Golf-Touren abschlagen will, braucht eine Tourkarte. Die bekommen: die Vorjahres-Besten, Turniersieger, Aufsteiger von zweitklassigen Touren und Qualifikanten so genannter Q-Schools. Auf den beiden großen Männer-Touren ist der Weg zu einer vollen Spielberechtigung unterschiedlich. Während auf der US PGA Tour die besten 125 des Vorjahres und 50 Aufsteiger die Karte erhalten, sind es auf der European Tour die Top 110 des Vorjahres, dazu 15 direkte Aufsteiger und 30 Spieler aus dem Qualifikationsturnier. Die Wertungen richten sich nach dem erspielten Preisgeld. Profis knapp außerhalb der Qualifikationsmarken erhalten Karten mit eingeschränktem Spielrecht. Sie rücken bei freien Startplätzen nach.

Doch dank seiner Top-Ten-Resultate rutschte Fritsch auf manch prominent besetzte Startliste. So ist er gerade beim British Masters am Start, wo er am Wochenende wieder Prämien sammeln wird, danach geht es nach Portugal. 6000 Euro Preisgeld fehlen ihm auf Rang 110, der die direkte Qualifikation für 2017 bedeuten würde. Das ist nicht viel - was die Sache knifflig macht. Wenn Portugal vorbei ist, bewegt sich der Tross in die Türkei, nach China, Südafrika, Dubai. Für Autofahrer Fritsch heißt das: Egal wie erfolgreich er spielt, die Saison ist in Portugal wohl zu Ende.

Fritsch kann mit diesem Gedanken gut leben. "Ich bin niemand mit irgendwelchen spezifischen Zielen", sagt er. Doch natürlich spürt er, um was es geht in diesen "spannenden Wochen". Am vergangenen Sonntag verspielte er in Schottland auf den letzten Löchern eine noch bessere Platzierung, die ihn schon unter die besten 110 gebracht hätte. Das hat ihn sehr geärgert.

Doch Fritsch hat sehr viel Zeit für Reflexion, wenn er alleine im Auto Europas Straßen kennenlernt. Das hilft beim Runterkommen. Gerne "nervt" er Bekannte mit Anrufen, wie er es nennt, weil er über Golf, aber auch mal über dessen Verbindungen zu Kants Kategorischem Imperativ oder dem Ansatz des differenziellen Lernens sprechen will. Fritsch ist kein fleißiger Arbeiter, auch wenn er den aktuellen Aufstieg auf die regelmäßige Arbeit mit seinem Trainer Martin Hasenbein zurückführt. Doch er ist unentwegt auf der Suche nach alternativen Herangehensweisen. "Bis heute ist mir der eigene Weg, der Weg, der mich zum Spaß am Golf führt, der wichtigste", sagt er. Weil er in jungen Jahren am Sinn des Fitnesstraining zweifelte, flog er aus dem bayerischen Jugendkader. Erfolgreich war er damals dennoch, oft an der Seite von Martin Kaymer, dessen Weg im Anschluss ganz nach oben führte.

Florian Fritsch ist mit seinem eigenen Weg, der unter anderem einen Abschluss als Sport-Manager beinhaltet, aber auch ganz zufrieden. "Es ist natürlich sehr besonders, dass ich in der Lage bin, mit meinem Beruf recht kurzfristig ein gutes Leben für mich und meine Familie aufzubauen", sagt er. Die kommenden Wochen sind bei der Fortführung dieses Vorhabens nicht unwichtig.

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