Golf:Der Oktopus zeigt es den Muskelmännern

Travelers Championship - Final Round

Jim Furyk in Cromwell: 46Jahre, 58 Schläge

(Foto: AFP)

Die Golf-Szene spottet gerne über seinen unorthodoxen Schwung. Doch Jim Furyk ließ das immer kalt. Jetzt spielte er die beste Runde der Golfgeschichte auf einer der großen Golf-Touren - mit 46 Jahren.

Von Frieder Pfeiffer

Stephan Jäger nahm die Sache mit Humor, wenngleich er sich einen kleinen Spruch nicht verkneifen konnte. "Wer nicht Erster ist, ist Letzter", schickte er in den digitalen Weltenlauf und versuchte so den letzten Rockzipfel der Golfgeschichte zu packen, der ihm noch blieb. Vor knapp zwei Wochen hatte der deutsche Golfer, der inzwischen in Tennessee lebt, auf der zweitklassigen US-Tour die beste Runde in der Geschichte der großen US-Touren gespielt, eine 58. Das ist beim Fußball so etwas wie ein doppelter Hattrick - pro Halbzeit.

Der Name Stephan Jäger stand nun prominent vor Tiger Woods, Jack Nicklaus oder Bernhard Langer in den Geschichtsbüchern. Er stand dort alleine - genau zehn Tage lang. Sportgeschichte präsentiert sich gerne wie das Ketchup aus der Flasche: erst kommt lange nichts, dann alles auf einmal. Und so hat Jäger, 27, nun Gesellschaft im Buch mit den herausragenden Leistungen seines Sports bekommen.

Aus der Zeit der zu weiten Polohemden

Jim Furyk heißt der Mann, der Jägers scheinbar einzigartige Runde schlichtweg wiederholte. Der US-Golfer, bereits Mitglied des erlesenen Kreises, der in der 48 Jahre währenden Geschichte der PGA Tour mit einer 59 vom Kurs kam, legte bei der Travelers Championship in Cromwell/Connecticut nach - wieder eine 58, gerade einmal zehn Tage nach der Premiere.

Ausgerechnet Furyk, 46 Jahre alt, einer aus der alten Generation der zu weiten Bundfaltenhosen und Polohemden, sorgte im andauernden Getöse um die neuen Fitnessstandards der Sportart für den großen Knall. Denn natürlich war eine solche Runde auch in Liga Eins erwartet worden. Erst recht nach Jägers Explosion im Unterhaus. Aber doch bitte von einem Golfer neuen Typs: athletisch und stilbildend schön wie die Jason Days, Dustin Johnsons und Rory McIlroys.

Furyk pflegt seit Jahren einen Schwung, der im Lehrbuch mit einem dicken roten Balken versehen wird: So bitte nicht! Sein Rückschwung hat mehr Kurven als die Nordschleife des Nürburgrings, die Länge seiner Abschläge am Sonntag schafft jeder bessere Amateur. Der TV-Experte und frühere Golfer David Feherty sagt, er müsse bei Furyks Schwung an einen "Oktopus, der aus einem Baum fällt" denken.

Frust am Abend zuvor

Jim Furyk, den solche Bemerkungen schon lange nicht mehr stören, bewies auf seiner Runde mit zehn Birdies (1 unter Par) und einem Eagle (2 unter Par), bei dem er aus rund 120 Metern den Ball im Loch versenkte, dass auch in Zeiten immer längerer Plätze mehr ist als "Hau den Lukas" über die grüne Wiese. "Ab der Hälfte war es Kopfsache", erzählte Furyk. Er wusste früh, um was es an diesem Tag gehen kann. "Ich hatte ein spezielles Gefühl. Es ging nur noch darum, dass ich mir selber nicht im Weg stehe."

Eigentlich kann das als grundsätzliche Aufgabenstellung der Sportart verstanden werden. Im Angesicht einer historischen Bestmarke potenziert sich die Herausforderung. Schon bei manchem hat da der Zitterer eingesetzt. Furyk half in dieser Phase, in der er den Erfolg nach grandiosem Start mit grundsolidem Golf sicherte, dass er vor drei Jahren schon mit einer 59 geglänzt hatte. "Es war wie eine Wiederholung, ich habe mich an den Kampf mit meinen Gedanken erinnert, das hat geholfen."

So spielte er laut eigener Aussage "unter schwierigeren Bedingungen besseres Golf" als vor drei Jahren. Das ist nicht nur bemerkenswert angesichts der technischen Besonderheiten in Furyks alterndem Schwung. Es ist auch überraschend im Hinblick auf den Frust, der ihn noch am Samstag so sehr plagte, dass er etwas tat, was er zuvor erfolgreich vermieden hatte. Furyk, geboren in Pennsylvania, wohnhaft im Golfer-Paradies Florida, machte nach der enttäuschenden Runde ein Video seines Schwungs und schickte es an seinen Vater Mike, der auch als sein Coach firmiert. "Wir haben über ein paar Kleinigkeiten gesprochen, den Schwung etwas kürzer gemacht", sagt Furyk.

85 Nachrichten auf dem Handy

Und siehe da, es half - ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als Furyk, Majorsieger von 2002 und ehemals die Nummer Zwei der Welt, mit großen Heldentaten nicht unbedingt gerechnet hatte. Früh am Sonntag ging es für ihn auf die Runde, mit großem Abstand zu den Führenden. "Da erwartest du ja nichts Besonderes", so Furyk. Als er rund fünf Stunden später vom Kurs kam, hatte er 85 Nachrichten auf seinem Handy. Minuten später waren es laut Furyk schon "mindestens zehn Mal so viele. Die Hosentasche vibriert unaufhörlich."

So stand dieser Sonntag auch exemplarisch für das besondere Wesen des Golfsports, in dem Rekorde und Rückschläge so nahe zusammenliegen können. "Manchmal erwischt du eine Welle, dann noch eine - und dann macht es richtig Spaß", wusste Furyk. Er lachte. Ja, er hatte viel Spaß gehabt.

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