Golf:Der Driver ist schuld

The 149th Open - Day Two

Plötzlich zurück auf der großen Bühne: Marcel Siem, 41, qualifizierte sich im letzten Moment für die British Open - und spielte sich dort mit zwei tollen Runden bis in die Spitze vor.

(Foto: Oisin Keniry/Getty)

US-Profi Bryson DeChambeau fällt bei der British Open wieder als pedantischer Perfektionist auf - zwei Deutsche überraschen dafür positiv: Marcel Siem und der Amateur Matthias Schmid.

Von Gerald Kleffmann, Sandwich/München

Als hätte Bryson DeChambeau geahnt, dass er bald in Erklärungsnot geraten würde, hatte er noch am Dienstag eine Verteidigungsrede gehalten. Wie er mit Debatten umgehe, war er gefragt worden. Da sprach er: "Jeder ist menschlich. Ich bin definitiv menschlich. Wir alle machen Fehler und Dinge passieren. Wir haben Emotionen." Weiter versicherte DeChambeau, dass er Kontroversen nicht möge. Das war natürlich eine köstliche Sicht. Der 27-jährige Kalifornier aus Modesto zieht ja Diskussionen regelrecht magnetisch an.

Vor gut eineinhalb Jahren hatte er entschlossen, die Grenzen seines Sports physisch auszuloten. 20 Kilo Muskelzuwachs binnen weniger Monate waren eindrucksvoll, durften aber auch skeptisch machen. Seit Monaten zudem bestreiten er und sein Landsmann Brooks Koepka eine verbale Fehde, jeder stichelt den anderen, wobei es Koepka bravourös versteht, den Streit am Köcheln zu halten. Ihm geht zu offensichtlich die wissenschaftliche Manie auf den Geist, mit der DeChambeau seinen Beruf ausübt. Der Kraftprotz will die letzten Zentimeter aus seinen Schlagweiten herausholen. Doch auf der ersten Runde dieser British Open, die am Donnerstag im Royal St. George's Golf Club begannen, ging einiges schief, vor allem mit der Kontrolle. DeChambeau schoss den Ball beim Abschlag wiederholt ins dichte Gras. Im Anschluss an seine Runde mit 71 Schlägen ließ er prompt Dampf ab. "Der Driver nervt", polterte er und schob seine Fehler auf das Material. Öffentlich sagen Spitzenprofis so etwas eigentlich nie.

The 149th Open - Day One

Öffentliche Entschuldigung: Bryson DeChambeau, 27, schrieb seinem Schläger-Hersteller ein paar Zeilen nach seiner Kritik an seinem dicksten Schläger in der Tasche, dem Driver.

(Foto: Mike Hewitt/Getty)

Und normalerweise äußern sich auch Schlägerhersteller nie zu aktuellen Aussagen ihrer Spieler, aber diesmal reichte es Cobra. Die Marke hat DeChambeau mit einem stattlichen Fünfjahresvertrag ausgestattet. Ben Schomin, Tour Operations Manager von Cobra, konterte in der Golfweek, dass DeChambeau "nie glücklich" sei. Dabei sei es doch so, nach all den Tüftelstunden: "Jetzt ist er in der Lage, einen Driver mit fünf Grad Neigung mit 200 Meilen pro Stunde zu schwingen. Jeder sucht nach der magischen Kugel." Aber diese eben sei "schwerer und schwerer zu finden, je schneller man schwingt und je niedriger der Loft wird". Dann gab Schomin seinem Star-Spieler richtig eine mit: "Es ist wie bei einem Achtjährigen, der sauer auf dich ist", meinte er, "sie sagen: ,Ich hasse dich', und dann erwiderst du: ,Whoa, nein, tust du nicht.'" Sein Kommentar zeigte Wirkung. DeChambeau entschuldigte sich im Internet. Sein Frust und seine Emotionen seien "übergekocht". Er bedauere "zutiefst die Worte, die ich verwendet habe".

"Der größte Schlüssel für mich ist, dass ich mich nicht mehr so schnell ärgere"

Die Geschichte war natürlich unterhaltsam, verdeutlichte aber auch, welche Dimensionen der Kampf ums Material längst erreicht hat. Bei einem wie DeChambeau, der sich zu einem pedantischen Perfektionisten entwickelt hat, liegen da die Nerven schon mal blank. Letztlich sind es immer noch die Spieler selbst, die die Schläge fabrizieren. Bei der British Open bewiesen auch zwei Deutsche, dass man ohne einer Armee an Schlägerbastlern im Rücken hervorragend golfen kann. Marcel Siem, ja, ihn gibt es noch, glänzte am Donnerstag, an seinem 41. Geburtstag, mit einer 67er Runde (drei unter Par) und platzierte sich nach einer zweiten 67er Runde am Freitag vorübergehend sensationell auf dem zweiten Platz. "Der größte Schlüssel für mich ist, dass ich mich auf dem Platz nicht mehr so schnell ärgere", sagte Siem, der sich mit einem Sieg auf der Challenge Tour in Frankreich im letzten Moment für die British Open qualifiziert hatte.

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Gilt als Deutschlands größtes Talent zurzeit: Der Regensburger Matthias Schmid ist noch Amateur, aber das hielt ihn nicht davon ab, im Royal St. George's Golf Club mit der Elite mitzuhalten.

(Foto: Paul Ellis/AFP)

Siem, hinter Martin Kaymer der beste deutsche Profi auf der European Tour in den vergangenen zwei Dekaden, hatte zuletzt zwar seine Tourkarte in der höchsten europäischen Profiserie nicht mehr halten können. Aber in dieser Saison hatte sich angedeutet, dass er auf der Challenge Tour immer besser in Form kommt. Vor allem war er, der Instinktspieler und Bauchmensch, ja stets am Besten, wenn er eine gewisse Euphorie ausleben kann - wie gerade in Le Vaudreuil. "Ich bin immer noch in diesem kleinen Traum", bekannte Siem in England, "ich hatte meine Tochter letzte Woche dabei und eine Freundin von ihr. Diese positiven Schwingungen sind immer noch da. Ich bin wirklich, wirklich glücklich." Als er am Freitag mit einem Putt auf dem letzten Loch noch ein Birdie (eins unter Par) erzielte, jubelte er mit der Faust wie ein Fußballtorschütze. So herzerfrischend sah wirklich stets die beste Version des Rheinländers aus.

Den Cut, die Qualifikation für die zwei Runden am Wochenende, schaffte auch überraschend Matthias Schmid. Der 23-jährige Regensburger, der in Louisville Finanzwesen studiert und noch Amateur ist, glänzte nach der 74 am Donnerstag mit einer 65er Runde am Freitag. Ein solch niedriges Ergebnis war einem Amateur bei einer British Open erst einmal gelungen, dem Engländer Tom Lewis 2011 (auch im Royal St. George's GC). Schmid, der als größtes Talent im Deutschen Golf-Verband gilt, hatte sich mit dem Sieg bei der Amateur-EM für das Major-Turnier qualifiziert.

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