Süddeutsche Zeitung

Golf:Das Handgelenk, eine Kleinigkeit

Der Österreicher Bernd Wiesberger ist nach einer Operation und einem halben Jahr Pause in den Zirkel der Weltklasse-Golfer zurückgekehrt. Beim Turnier in Eichenried hat er locker den Cut geschafft.

Von Felix Haselsteiner

Auch ein guter letzter Putt konnte Bernd Wiesbergers Laune am Freitagnachmittag nicht wirklich verbessern. Der Österreicher hatte auf dem finalen Loch des Tages aus drei Metern eingelocht, nun sortierte er sein Bag ein wenig, schrieb noch geduldig einige Autogramme, dann verzog er sich in die Spielerlounge - auf seinen 18 Loch hatte außer dem Putt nichts so wirklich funktioniert, immer wieder hatte er nach seinen Schlägen unzufrieden den Kopf geschüttelt. Die gute Nachricht ist: Wiesberger hat bei den BMW International Open in der zweiten Runde 70 Schläge gebraucht, zwei unter Par gespielt, damit locker den Cut geschafft und wird auch am Wochenende in Eichenried abschlagen.

Viele Spieler würden ihn darum beneiden, Marcel Siem zum Beispiel, der den Schritt ins Wochenende als geteilter 112. deutlich verpasste. Wiesberger will sich am liebsten gar nicht erst mit solchen Fragen beschäftigen, für den Österreicher zählen auf der European Tour Top10-Platzierungen oder eigentlich nur: Siege. Doch damit war vor einem Jahr nicht unbedingt zu rechnen gewesen.

Anfang Mai 2018 verletzte Wiesberger sich bei einer Freizeitrunde am Handgelenk, erst versuchte er die Blessur konservativ zu behandeln, im Juli 2018 schließlich musste er sich doch operieren lassen. Die Folge: ein gutes halbes Jahr kein Golf und viel Unsicherheit. "Wenn man sich das große Ganze anschaut, ist eine Verletzung am Handgelenk natürlich eine Kleinigkeit", sagt Wiesberger heute: "Aber man braucht eben eine recht komplizierte Operation und danach sehr viel Geduld, bis man sich mit der Hand wieder entsprechend wohlfühlt."

Verletzungen passieren im Golfsport vergleichsweise selten, wenn, dann können sie aber langfristige Effekte haben - berühmtestes Beispiel der vergangenen Jahre ist Tiger Woods, der seinen gesamten Schwung nach einer Rückenverletzung umbauen musste. Wiesberger blieb ein solches Unterfangen zwar erspart, im Rückblick spricht er dennoch von einer "sehr schwierigen" Zeit, in der er ein wenig Distanz zu seiner Sportart aufbauen musste: "Während ich verletzt war, hab ich so gut wie kein Golf geschaut. Andere Sportarten ab und zu, aber die Turniere anzuschauen, bei denen ich auch am Start hätte sein können, das schaff' ich nicht." Vor seiner Verletzung zählte der Österreicher zu den besten Golfern des Kontinents, gehörte lange Zeit zu den Top-50 der Welt und qualifizierte sich so für die großen Major-Turniere.

Davon war Wiesberger weit entfernt, als er Ende 2018 wieder anfing, Turniere zu spielen: "Ich musste erst wieder in den richtigen Modus kommen. Erst seit ein paar Wochen schaffe ich es endlich wieder, vier Runden hintereinander gut Golf zu spielen", sagt er. Das wirklich große Comeback gelang ihm Ende Mai. Bei der hoch dotierten "Made in Denmark" gewann Wiesberger sein fünftes Turnier auf der European Tour, es war der Höhepunkt seines Comebacks, wie er sagt: "Ich war lange Zeit selbst etwas verunsichert, wie schnell ich wieder zurück auf das Level kommen würde, um zu gewinnen und habe mir selbst da auch einen gewissen Druck gemacht. Mit dem Sieg konnte ich das ganze letzte Jahr endlich abhaken."

Zu den BMW International Open reiste Wiesberger aus Pebble Beach, direkt von den US Open, an. Mit ihm im Flugzeug saßen unter anderem Martin Kaymer und Matt Wallace, der Führende in der europäischen Rangliste. Zu dieser elitären Gruppe an Weltklasse-Golfern zählt nun auch der Österreicher wieder. Als der Spanier Sergio Garcia, Masters-Sieger von 2017, während des Gesprächs vorbeiläuft, ruft er Wiesberger auf Deutsch "Mein Freund" zu, beide lachen. Lässige Sprüche von Major-Siegern bekommt nicht jeder Profi. Auch nicht jeder ärgert sich über Runden mit zwei Schlägen unter Par, was einen Anhaltspunkt dafür liefert, dass Wiesberger längst nicht zufrieden ist: "Ich möchte mich wieder für alle Majors qualifizieren. Das sind die Events, wo ich hinmöchte."

Wiesbergers Abstand zum Führenden beträgt vor dem Wochenende neun Schläge

Wiesbergers zwischenzeitlicher Ärger war am Freitag dennoch etwas verständlich, zumindest, wenn man sich das Ergebnis nach zwei Runden anschaut. Sein Abstand zum Führenden beträgt vor dem Wochenende in München bereits neun Schläge, was aber nicht nur an der suboptimalen Performance des Österreichers liegt: Martin Kaymer konnte seine herausragende Ausgangsposition vom ersten Tag noch einmal verbessern und wird mit zwei Schlägen Vorsprung auf den Südafrikaner Christiaan Bezuidenhout als Führender ins Wochenende gehen. Aussichtsreich ist auch die Position von Max Schmitt. Der 21-Jährige liegt als geteilter Vierter vier Schläge hinter Kaymer, gemeinsam mit Lee Westwood: Der Engländer brachte am Freitag eine Runde mit 69 Schlägen ins Ziel. Westwood, 46, ist einer der besten europäischen Golfer seiner Generation und nahm an zehn Ausgaben des Ryder Cups teil. Am Freitag spielte Westwood in einer Gruppe mit Bernd Wiesberger, der sich damit auch in München mit den Spielern über den Platz bewegt, zu denen er sich selbst zählen möchte: mit den besten.

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SZ vom 22.06.2019
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