Golf:Das Alter ist zweitrangig

DP World Tour Championship - Day Four

Wohnaccessoire aus Dubai: Lee Westwood freut sich mit Helen Storey, die auch sein Caddie ist, über den Pokal.

(Foto: Ross Kinnaird/Getty Images)

Während Golf in den vergangenen Jahren immer körperlicher und jünger geworden ist, blieb der etwas rundliche Lee Westwood er selbst - mit Erfolg

Von Felix Haselsteiner, München

Es war ein Traumjahr für Lee Westwood damals: Sechs Titel gewann der Engländer, auf verschiedensten Plätzen, das ganze Jahr über. Westwood dominierte den europäischen Golfsport auf beeindruckende Art und Weise, und völlig zurecht wurde er auch Gesamtsieger der European Tour, Europas höchster Golfliga. Mit deutlichem Vorsprung und beeindruckendem Preisgeld.

20 Jahre ist das nun her. Im Jahr 2000 spielte der damals 27-Jährige Westwood so herausragend, dass man in ihm die Antwort auf die übermächtigen Amerikaner sah, die, so die Vorhersage, auf Jahre hin das Weltgeschehen im Golf bestimmen könnte. Ein etwas rundlicher Engländer mit unspektakulärem Golfschwung und der Angewohnheit, nach dem Schlag die Zunge zwischen die Lippen zu pressen, was nicht gerade anmutig aussah, sollte also eine Antwort auf Tiger Woods sein?

Zwei Jahrzehnte später zeigt sich: Die Amerikaner sind favorisiert, aber zumindest außerhalb der USA haben sie weiterhin ihre Schwierigkeiten. Denn auch im Jahr 2020, mit 47 Jahren, hat Westwood die Jahresendwertung der European Tour gewonnen. Am vergangenen Sonntag in Dubai spielte er eine überragende Schlussrunde und gewann den Titel etwas überraschend. Am Ende schlug der Altmeister ein Quartett aus jungen Weltklassespielern, die im Jahr 2000 sechs, zehn, neun beziehungsweise drei Jahre alt waren und sich damals eher noch um die Schule sorgen mussten als um die Harry-Vardon-Trophy, die Westwood damals schon erhalten hatte.

Die Karriere von Lee Westwood ist ein gutes Beispiel für die faszinierende Eigenschaft des Golfsports, dass Alter kein determinierender Faktor für Erfolg ist. Als Westwood 1998 zum ersten Mal ein Turnier auf höchster Ebene gewann und schließlich 2000 so beeindruckend aufspielte, gewann der drei Jahre jüngere Woods drei der vier Major-Turniere. Die Amerikaner waren in der Übermacht, Woods ihr Anführer, und ab da begann eine Entwicklung, die den Sport in den folgenden 20 Jahren verändern sollte: Die besten Golfspieler der Welt befassten sich nun mit Ernährung und Muskelaufbau, die Schläger- und die Balltechnik wurde von Jahr zu Jahr besser. An der Spitze dieser Entwicklung stehen heute Spieler wie Bryson DeChambeau, der mit schierer Kraft Plätze überwinden kann. Golf ist in den vergangenen 20 Jahren wortwörtlich dem Motto höher, weiter, spektakulärer gefolgt.

Lee Westwood ist währenddessen Lee Westwood geblieben. Der Engländer ist noch immer eine der rundlicheren Gestalten auf der Tour, auch wenn er ein wenig abgenommen hat zuletzt. Er schlägt nicht weiter, sondern eher noch kürzer als früher und spielt damit denselben Stil wie Bernhard Langer: Effizienz und Fehlerlosigkeit bringen Siege. Einen Major-Titel hat Westwood immer noch nicht gewonnen, doch er wurde Nummer Eins der Weltrangliste, ist einer der erfolgreichsten europäischen Ryder-Cup-Spieler und gewinnt Jahr für Jahr Titel. In diesem Jahr hat es noch einmal zum ganz großen Wurf gereicht, auch für den auf 2021 verschobenen Ryder-Cup, an dem Westwood eigentlich als nicht spielender Vizekapitän teilnehmen wollte, könnte er sich nun wieder qualifizieren.

"Ich stehe jeden Tag auf und mache den Job, den ich liebe", sagte Westwood in Dubai: "Ich wollte immer Golfer sein und ich will nicht, dass es aufhört." Mittlerweile hat Westwood seine Freundin Helen Storey permanent als Caddie eingestellt, was nach Siegen dazu führt, dass Spieler und Bag-Trägerin sich auf dem 18. Loch innig küssen. Und vielleicht auch wegen Storey hat Westwood nach zwanzig Jahren an der Weltspitze doch noch etwas dazugelernt: Man sieht ihn heute wesentlich mehr lachen als früher.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: