Umstrittener Golfer Cabrera in AugustaEin verurteilter Straftäter am Green

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Ángel Cabrera spielt in Augusta beim Masters – doch an ihm gibt es Kritik.
Ángel Cabrera spielt in Augusta beim Masters – doch an ihm gibt es Kritik. (Foto: Rich Storry/Getty Images via AFP)

Wenn am Donnerstag das Masters beginnt, steht auch der Argentinier Ángel Cabrera am Start. Über den tiefen Fall eines ehemaligen Golf-Siegers – und die Frage, ob man jemanden wie ihn wieder aufnehmen sollte in die Sportgemeinschaft.

Von Felix Haselsteiner, Augusta

Am Tag seiner Rückkehr versuchte Ángel Cabrera, den Alltag zu finden, den er einst so gut kannte. Die Anlage des Augusta National Golf Club ist für ihn eine Art zweite Heimat, sagte er einst, zum 20. Mal ist der Argentinier in diesem Jahr im Starterfeld des Masters. Es war für ihn daher keine Schwierigkeit, die unscheinbare Abzweigung in die Magnolia Lane zu erwischen, die prächtige Auffahrt hinunterzufahren, auf dem Sonderparkplatz für ehemalige Sieger zu parken und sich dann in Richtung des Übungsgrüns zu begeben. „Ángel Cabrera – Chipping“, so stand es dann auf den Infotafeln, auf denen die Besucher erfahren können, wo sich Spieler aktuell auf der Anlage aufhalten. Er war also tatsächlich wieder da und chippte. Nur ist die Frage: Wollte überhaupt jemand, dass Ángel Cabrera in dieser Woche nach Augusta zurückkehrt?

Das Masters mag eines der bedeutendsten Golfturniere des Planeten sein, am Ende bleibt es trotzdem eine Sportveranstaltung, die dem Vergnügen dient – und bei der daher große gesellschaftliche Fragen nur ungern gesehen sind. Genau die stellen sich allerdings in Cabreras Fall, den manche als dunkle Wolke über dem Himmel in Augusta sehen. Im Kern nämlich geht es darum, ob und was genau man einem Menschen verzeihen kann – und ob man ihn wieder inmitten einer Gemeinschaft willkommen heißen soll, die sich durch eine gewisse Unfehlbarkeit definiert.

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Man muss an zwei Orte in der Vergangenheit reisen, um zu verstehen, warum der Golfsport in diesen Tagen nicht nur über mögliche Sieger beim ersten Major-Turnier des Jahres debattiert – sondern auch über einen 55-jährigen Argentinier, der von Donnerstag bis Sonntag sportlich wohl höchstens eine Randfigur sein wird.

Der eine Ort liegt direkt vor dem mächtigen Klubhaus in Augusta: Im Jahr 2009 bekam Cabrera am 18. Grün als erster Argentinier und als erster Südamerikaner das grüne Jackett des Masters-Siegers umgehängt. Einen Namen hatte sich Cabrera damals bereits gemacht im Golfsport: Man nannte ihn El Pato, „die Ente“, wegen seines Watschelgangs. Es war ein liebevoller Spitzname, voller Respekt vorgetragen für einen Golfspieler, der sich gegen alle Widerstände in die höchste Liga gespielt hatte. Cabrera wuchs in Córdoba auf, arbeitete auf dem lokalen Golfplatz als Caddie, bekam sein erstes Golfset mit 16 von einem seiner Kunden geschenkt – und begann damit eine fabelhafte Karriere. Zahlreiche erfolgreiche Jahre in Europa und ein Major-Sieg bei der US Open 2007 brachten ihm in seiner Heimat und weltweit große Ehrungen ein. Cabrera ebnete den Weg für junge Spieler eines ganzen Kontinents, der sich mittlerweile im Golfsport etabliert hat. El Pato gehörte zum höchsten Establishment des Sports, spätestens mit dem grünen Jackett, das einem eine lebenslange Einladung zum Masters bringt. Bis Augusta in weite Ferne geriet.

Es gibt mehrere Orte, an denen man Cabreras Leben nachzeichnen kann

Ein anderer Ort, der Cabreras Leben gezeichnet hat, ist etwa das Plácido-de-Sá-Carvalho-Gefängnis in Rio de Janeiro. Als eines der härtesten Gefängnisse Brasiliens gilt die als „Höllenloch“ beschriebene Anstalt, in der Cabrera im Frühjahr 2021 viereinhalb Monate verbrachte. Bereits seit 2016 hatte seine Ex-Frau Silva Rivadero ihm häusliche und verbale Gewalt vorgeworfen, Cabrera war deshalb auf einer Interpol-Fahndungsliste gelandet. Als er das ignorierte und trotzig zu einem Golfturnier in die USA reiste, wurde er bei seiner Rückkehr in Brasilien von den Behörden festgesetzt – und wenig später in Argentinien verurteilt. Auf die viereinhalb Monate in Rio de Janeiro folgten insgesamt 18 Monate Aufenthalt in argentinischen Gefängnissen. Auch der Klage einer weiteren Ex-Freundin, Micaela Escudero, wurde stattgegeben: Aus Cabrera war ein wegen Körperverletzung und häuslicher Gewalt verurteilter Straftäter geworden, der nach eigenen Angaben wenige Jahre nach seinen großen Siegen dem Alkoholismus verfallen war und seine Partnerinnen misshandelt hatte.

Er habe sich selbst verloren in dieser Zeit, sagte Cabrera Ende 2023 in einem Interview, habe sich selbst im Gefängnis anfangs noch als Opfer gesehen: „Ich gab allen anderen die Schuld für das, was mir widerfahren war. Ich glaubte, dass die Frauen, denen ich geschadet hatte, selbst schuld waren, dass sie mir geschadet hatten.“ Es habe monatelange Therapie gebraucht, bis er seine Schuld akzeptieren konnte. Inzwischen hat Cabrera sich vor Gericht und privat bei seinen ehemaligen Lebensgefährtinnen entschuldigt, hat Schmerzensgeld bezahlt und seine Strafe abgesessen, die wohl auch aufgrund seines Bekanntheitsgrades und seiner trotzigen Reise in die USA besonders drastisch ausfiel. Man könnte sagen: Ángel Cabrera kehrt als neuer Mensch an seine zweite Heimat nach Augusta zurück, wo man ihn offiziell freundlich empfängt – aber auch gar keine andere Möglichkeit hat.

Im Golf wird eine Gentlemen-Kultur vorgelebt, die durchaus realitätsfern wirken kann

Ehemalige Sieger sind auf Lebzeiten eingeladen, am Turnier teilzunehmen – und an den Events drum herum. Das sei im Fall von Ángel Cabrera nicht anders als bei anderen, laut Fred Ridley, dem Vorsitzenden des ANGC. Er hat eine Teilnahme im Januar zugesagt, sofern die Behörden ein Visum ausstellten. In die USA durfte Cabrera einreisen, am Sonntag gewann er auf der Seniorentour sogar noch das erste Turnier nach seiner Freilassung.

Eine gewisse Zurückhaltung ist dennoch zu spüren in Augusta, in Bezug auf die dunkle Wolke, die nun über der Anlage hängt. Man hätte das Thema gerne vermieden in dieser Oase des Golfsports, der manchmal etwas hochnäsig für sich in Anspruch nimmt, frei zu sein von den Schattenseiten der Gesellschaft. Anders als etwa im Boxsport oder im Basketball, wo Straftäter historisch immer zweite Chancen bekamen, lebt man im Golf eine Gentlemen-Kultur vor, die durchaus realitätsfern wirken kann. Es ist wohl vor allem die Hochachtung vor den selbst verfassten Einladungsregeln, die es Cabrera möglich macht, in diesem Jahr in Augusta zu spielen. Allzu offene Arme sollte er dann nicht erwarten, wenn er mit den anderen ehemaligen Siegern beim traditionellen Champions Dinner Platz nimmt.

Ob die gerechtfertigt wären für einen Mann, der in den Höhen seines sportlichen Wirkens den Respekt vor seinem Umfeld verlor und dafür seine Strafe bezahlte, muss aber ohnehin jeder für sich entscheiden. Unter den Champions in Augusta gilt das genauso wie im Rest der Gesellschaft.

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