Golfer Bryson DeChambeau:Hulk macht Ernst

Golf - US Open

"Ich hoffe, ich kann einige dazu inspirieren, zu sagen, dass es auch einen anderen Weg gibt": Bryson DeChambeau, 27.

(Foto: dpa)

Mit brachialer Spielweise gewinnt Bryson DeChambeau bei der US Open seinen ersten Major-Titel - nachdem er 20 Kilo an Gewicht zugelegt hat. Die Fachwelt staunt.

Von Gerald Kleffmann

Es dauerte nicht lange nach dieser Ruckzuck-Steh-Siegerehrung inklusive obligatorischer Sicherheitsabstände und Gruß- (an die Eltern) und Dankesworte (an alle Sponsoren), da erhielt Bryson DeChambeau viele Glückwünsche übermittelt. Jack Nicklaus, mit 18 Major-Titeln unerreicht, erinnerte via Twitter daran, dass DeChambeau vor zwei Jahren "40 Pfund leichter" war. Nun aber hätten 143 Golfer die US Open im Winged Foot Golf Club wie erwartet gespielt - DeChambeau aber auf seine Art und so verdient gewonnen.

Tom Watson, noch eine Legende, gratulierte und meinte, der Erfolg sei nur der "erste von vielen Majors". Dann meldeten sich Kollegen - und bei manchen wie Ian Poulter traten gemischte Gefühle auf. Der Engländer äußerte "großen Respekt", denn DeChambeau habe "seinen Schwung und Körper verändert, um zu versuchen, Golfkurse zu überpowern". Gleichwohl gab Poulter den Sieger betreffend auch zu: "Er ist nicht mein Fall."

Am Sonntag in Mamaroneck, eine halbe Stunde nördlich von New York, hat diese ungewöhnliche Geschichte, die DeChambeau selbst als "Transformation" zu einem anderen Spieler umschrieb, ihre vorläufige Zuspitzung erfahren. Ende 2019 hatte DeChambeau, längst ein mehrmaliger Tour-Sieger und Ryder-Cup-Spieler, beschlossen, sich Muskeln zuzulegen. Viele Muskeln. Er wurde zehn Kilo schwerer. Er wurde 20 Kilo schwerer. Nun wiegt er, bei einer Größe von 1,85 Metern, rund 115 Kilo (je nachdem, wie viele Steaks er aß, sagte er). Nach dem Restart der Tour gewann er rasch ein Turnier, nun ein Major auf einem der schwersten Plätze, mit sechs Schlägen Vorsprung - das sind in der Liga Dimensionen. Die Fachwelt ist verwundert. "Er hatte immer einen anderen Zugang zum Golf", resümierte der staunende Nicklaus; auch er versucht, das alles zu verstehen.

Auf dem Platz führt er stundenlang laute Selbstgespräche

DeChambeaus Geschichte begann freilich viel früher. Dieser Eigenbrötler, der auf dem Platz stundenlang laute Selbstgespräche führt, war schon immer gierig nach Zahlen und Wissen gewesen. Als Kind schrieb er mal ein 180 Seiten dickes Physikbuch ab. So konnten die nicht vermögenden Eltern Geld sparen und er zugleich alles aufsaugen. Später studierte er Physik. Als er 2016 Profi wurde und auf die PGA Tour kam, wurde er "Professor" genannt. Seit dem Sommer heißt er "Hulk". Wie die Kraftprotzfigur. Als er am Sonntag als einziger unter Platzstandard (sechs unter Par) geblieben war, kamen ihm Tränchen. Hulk ist noch ein Mensch.

Aber einer, der gerade nach diesem Erfolg manchen suspekt zu sein scheint. "Er schöpft alles aus, wo der Golfsport gerade steht", sagte der Acht-Platzierte Rory McIlroy, selbst einer, der die Bälle weit schlägt. "Ob das gut oder schlecht ist - so ist es nun mal." Begeisterung klingt sicher anders. "Ich habe mich schon so oft auf die Wissenschaft verlassen, und es hat jedes Mal funktioniert", erklärte DeChambeau: "Ich hoffe, ich kann einige Leute dazu inspirieren, zu sagen, dass es auch einen anderen Weg gibt." Wobei er zugab: Nicht für jeden käme sein Weg infrage. Was allein schon an dem extrem hohen Aufwand liegt, den er laut eigener Aussagen betreibt.

DeChambeau trainiert mit einem Fitnesstrainer an speziellen Geräten. Er greift auf Ernährungswissenschaft zurück, isst proteinreich, viele Steaks, trinkt Shakes, tonnen-, literweise. Er lässt sich medizinisch begleiten, kontrolliert sein Blutbild. Und ist nicht am Ende seiner Metamorphose. Noch fünf Kilo wolle er zunehmen. Um noch mehr Schlagkraft zu entwickeln, die bereits Grenzen des Gängigen übersteigt. DeChambeau vermisst auch komplett sein Spiel, seziert Schlägerkopfgeschwindigkeiten, Schlagwinkel, Landepunkte und Ausrollverhalten der Bälle. Beim Putten verwendet er die "Arm-locking"-Technik, die erlaubt ist; dabei darf der lange Griff an den Unterarm gelegt werden - am Körper wäre es als allzu stabilisierende Hilfe verboten. Fragen, ob sonst alles zulässig zugegangen sei bei ihm, musste er bislang übrigens nicht wirklich beantworten. Im Golfsport wird medial Kritisches gerne umgangen, Reporter tragen selbst bei der Berichterstattung oft Golfkleidung. Offensichtlich ist, dass zu wenig gegen Betrug auf diesem Gebiet unternommen wird, wie McIlroy als Ausnahme 2016 einmal monierte.

"Ich werde aggressiv spielen, egal, was ist"

DeChambeaus Kraftzuwachs, daraus macht er keinen Hehl, hat ihm jedenfalls maßgeblich auf dem Par-70-Kurs geholfen. Die engen Fairways, die krummen Grüns nervten viele, dazu kam das Rough, das hohe Gras entlang der Bahnen, das so dicht war, dass die Profis sich fühlen mussten, als würden sie durch klebrigen Teer schwingen. Bei DeChambeau sah es so aus, als durchpflüge er Sahne.

"Ich werde aggressiv spielen, egal, was ist", so hatte er es angekündigt. Er hielt Wort. Viele versuchten ja wie immer, die Bälle auf den Fairways unterzubringen. DeChambeau? Ging nur auf Weite. Er wusste: Mit seiner Wucht konnte er fast jeden Ball aus dem Rough dreschen. Auf den letzten 21 Bahnen traf er mit dem Ball nur viermal das Fairway.

Dabei war es kein Start-Ziel-Sieg, es gab potente Gegenwehr. Vor allem vom Amerikaner Matthew Wolff, der erst sein zweites Major bestritt und vor der Schlussrunde mit zwei Schlägen geführt hatte. Der 21-Jährige verblüfft die Branche besonders seit dem Re-Start nach der Corona-bedingten Pause mit guten Resultaten - und einem Schwung, der einem Lassoschwingen gleicht. Das sei nun mal seine natürliche Bewegung, musste er oft genug dazu erklären - er, der Intuitive, wirkte damit wie ein Gegenentwurf zu DeChambeau. Bis zur neunten Bahn am Sonntag, als dann DeChambeau schon knapp in Führung lag, konnte der letztlich Zweitplatzierte Wolff noch mithalten (Stephan Jäger wurde mit 13 über Par 34., Martin Kaymer scheiterte am Cut). Aber dann setzte sich die brachiale Gewalt durch. Auch, weil DeChambeau dieser Gewalt Präzision auf den Grüns folgen ließ, als es um den Titel ging.

"Ich werde nicht aufhören", kündigte er an, schon diese Woche will er einen Driver mit einem längeren Schaft ausprobieren. Er träumt von Weiten von "vielleicht 360, 370 Yards, vielleicht noch weiter". Er rechnet sich auch in Augusta im November, beim Masters, Chancen aus. Während die Fachwelt also staunt, sieht er sich selbst entspannt: "Ich versuche einfach, dieses sehr komplexe, vielseitige und auch mehrdimensionale Spiel zu verstehen", sagte DeChambeau, "das ist sehr, sehr schwer. Aber es ist eine Spaßreise für mich."

Zur SZ-Startseite
bernhard langer wins 'green jacket'

Masters-Erfolg vor 35 Jahren
:"Laanger oder Läänger?"

Am 14. April 1985 entführte ein Außenseiter aus Anhausen das Grüne Jackett aus Augusta: Golfer Bernhard Langer gewann als erster Deutscher das Masters-Turnier. Und legte hierzulande den Grundstein für die Popularität des Sports .

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: