golf aktuell:Wenn Sergio ruckt und zuckt

Lesezeit: 3 min

Der Fernsehgolfer kennt seine Lieblinge und lernt vielleicht von ihnen

Was gibt es Schöneres als Golf? Na klar, Golf im Fernsehen! Der Bildschirm fast immer randvoll und beruhigend grün, ein paar Menschen ohne Hektik sind in freier Natur bei der Arbeit zu besichtigen. Der Mensch auf dem Kanapee öffnet noch ein Fläschchen vom guten Wein. Er muss heute nicht kilometerweit laufen, ist nicht Wind und Wetter ausgesetzt, muss sich nicht ärgern über missratene Schläge. Und die Profis, irgendwo in Amerika unterwegs, führen genau die schönen Schwünge mit den schönen Ergebnissen vor, die er selber gern zustande brächte. Und wenn denen wirklich mal was daneben geht, dann ist der Zuschauer auf dem Sofa auch zufrieden. Denkt sich: Da schau her, den Ball hätte ja meine Frau Großmutter mit dem Kochlöffel ins Loch bugsiert. Aus 40 Zentimetern daneben und diese Leute machen das beruflich!

Solange er sich wachhalten kann, schwingt der Fernsehgolfer mit seinen Lieblingen mit. (Foto: Foto: photodisc)

Der Fernsehgolfer kennt seine Lieblinge. Er erkennt sie schon am Schwung, am Gang, am Hemd, am Caddie, sogar im hohen Rough. Und mit ihnen fiebert er mit. Warum muss sich dieser grimmige Scott Hoch noch vor den smarten Mickelson schieben. Und warum muss eigentlich John Daly, der die Driverkeule kreisen lässt wie ein übermütiger Neandertaler, immer bei den letzten Löchern so einbrechen. Und was mich angeht: Dem jungen Adam Scott drücke ich nur deshalb nicht die Daumen, weil das Fräulein Freundin den so zuckersüüüß findet. Dafür schätzt sie mein heimliches Idol, das alte Walross Craig Stadler, überhaupt nicht, nur weil der die Hose deutlich unter dem Bauch trägt. Klar, bei Tiger Woods sind wir uns einig. Der Arme steckt in der Krise und zieht gerade wieder ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Da muss man ihn einfach lieb haben.

Der Fernsehgolfer lernt. Er kann stundenlang Schwünge studieren. Die richtige Vorbereitung, perfekte Drehungen, vollendete Durchschwünge, Geduld bei den Putts, halt alles, was er selbst selten macht. Mein Freund der Anwalt streckt jetzt den linken Arm so steil wie Fred Couples, nimmt aber mehr Schmerztabletten als früher. Und unsere Nachwuchshoffnung bei den Jungsenioren, ein eigentlich liebenswerter Glasermeister, hat leider an dem Spanier Sergio Garcia einen Narren gefressen. Er zuckt und ruckt und zuckt und ruckt mit den Händen und wackelt ausgiebig mit dem Hintern und wenn er endlich den Ball trifft, verkündet er dem genervten Flight, das verdanke er nur Sergio. Und Golf im Fernsehen.

Einen großen Verehrer von Ernie Els, the Big Easy, der so wunderbar ruhig und langsam schwingen kann, haben wir auch im Club. Unser Mann führt seinen Schläger im Zeitlupentempo und bringt jetzt die Bälle selten weiter als hundert Meter. Es macht ihm aber nichts aus, denn er freut sich wie ein Kind, wenn sie ihn nur alle Ernie rufen. Die Ehefrau ist über die ganze Entwicklung noch unentschieden: Einerseits trinkt der Gatte jetzt langsamer, andererseits ist er durch nichts mehr aus der Ruhe zu bringen und verlässt oft als letzter das Clubhaus. Sie selbst findet Charles Howell III. ziemlich sexy. Der ist so spindeldürr wie sie.

Und jetzt die Wahrheit: Golf im Fernsehen ist nervtötend. Sie zeigen es spät abends oder nachts. Das Bild ist natürlich nicht immer grün und nicht immer sind die wunderbaren Athleten bei der Arbeit zu besichtigen. Ständig werden das Leaderboard und die Geldrangliste eingeblendet, weil sie in Amerika gerade Werbung machen. Oder sie zeigen Statistiken bis zur Erschöpfung: Vom letzten grönländischen Masters-Teilnehmer über minderjährige Weitschläger bis zur Liste der armen Teufel, die 1893 in New Orleans den Cut verpasst haben. Und wenn es regnet, gibt es die Bilder vom Tag zuvor. Da gehen selbst Carlo Knauss die Späßchen aus. Und der gute Wein hilft nicht mehr gegen die schlechte Laune. Oft beißt sich die Kamera an einem Rhododendronstrauch fest, bis dem Zuseher die Augen zufallen. Unlängst bin ich nachts vor dem Rhododendron eingenickt. Als ich aufwachte, blühte er immer noch. Es war schon die Wiederholung am Vormittag

© Ernst Fischer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: