Golden State Warriors:Bei den Warriors stapelt sich Talent

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Kevin Durant lange Arme und sein Scoring brauchen die Warriors - Trainer Steve Kerr muss derzeit zuschauen. (Foto: AP)
  • In der NBA ist das Team der Golden State Warriors kaum zu schlagen.
  • Die Playoffs zeigen: Die Mannschaft gewinnt sogar ohne ihren Trainer.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Steve Kerr steht den Golden State Warriors derzeit aufgrund von Rückenbeschwerden nicht zur Verfügung. Das ist die offizielle Mitteilung des kalifornischen Basketballklubs zur Absenz ihres Trainers, die aufgrund ihrer Kürze reichlich gruselig wirkt. Verletzungen werden in der nordamerikanischen Basketballliga NBA gewöhnlich detailliert dokumentiert, beinahe stündlich gibt es neue Informationen über den Zustand der Genesung und den prognostizierten Zeitpunkt der Rückkehr auf oder neben das Spielfeld.

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"Wir können derzeit nicht mehr verkünden, weil wir selbst nicht mehr wissen", sagt Warriors-Manager Bob Myers über Kerr, der nun bereits sechs Partien verpasst hat: "Steve muss erst einmal zu einem schmerzfreien Leben zurückkehren. Danach können wir darüber reden, ob er unsere Mannschaft trainieren kann."

Kerr ließ sich vor zwei Jahren schon einmal operieren - dabei wurde das Rückenmark verletzt

Was bekannt ist: Nach dem Titelgewinn mit den Warriors vor zwei Spielzeiten ließ sich Kerr im Juli 2015 wegen eines gebrochenen Lendenwirbels operieren, dabei wurde das Rückenmark beschädigt. Kerr litt danach an heftigen Schmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühlen; zwei Monate später musste er erneut operiert werden und verpasste deshalb die ersten 43 Partien der vergangenen Saison. Danach führte er die Warriors in der Hauptrunde zur Rekordbilanz von 73 Siegen (bei bloß neun Niederlagen) - die Finalserie verlor die Auswahl allerdings gegen die Cleveland Cavaliers.

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Vor zwei Wochen verkündete Kerr dann, dass er sich aufgrund immenser Schmerzen erneut eine Auszeit nehmen müsse, am vergangenen Donnerstag wurde er wegen ausgetretener Rückenmarksflüssigkeit erneut operiert. "Es ist eine ungewöhnliche Verletzung, die äußerst selten vorkommt", sagt Warriors-Eigentümer Joe Lacob, der selbst Mediziner ist: "Ich hoffe, dass die Ärzte das Leck im Rückenmark geschlossen haben und sich Steve auf dem Weg der Besserung befindet."

Kerr hat als Nebendarsteller der Chicago Bulls und der San Antonio Spurs insgesamt fünf Meisterschaften als Spieler gewonnen, als Trainer erklärt er seinen Akteuren schon mal: "Wir verdienen Millionen von Dollar damit, dass wir einen Ball in einen Korb werfen. Wir dürfen nie vergessen, wie absurd das ist." Er bringt ihnen bei, sich weniger um persönliche Statistiken zu scheren als um den Erfolg des Teams. Wenn einer glaubt, wichtiger zu sein als seine Mitspieler, fordert Kerr ihn gerne zu einem Wurfwettbewerb heraus. Es heißt, dass er in drei Spielzeiten als Trainer der Warriors noch immer unbesiegt ist.

Kerr nimmt sich selbst nicht allzu ernst oder wichtig. "Diesen Kader könnte jeder trainieren, die meiste Arbeit erledigen die Assistenten. Ich streiche nur das Lob dafür ein", hat er mal gesagt. Für den Fall einer erneuten Auszeit hat er vorgesorgt. Luke Walton, der ihn in der vergangenen Spielzeit vertreten hatte, ist mittlerweile Cheftrainer der Los Angeles Lakers. Kerr hat deshalb (mit Erfolg) darauf bestanden, dass die Warriors vor der aktuellen Saison Mike Brown verpflichten, der bereits Chefcoach bei den Lakers und den Cleveland Cavaliers gewesen ist. Das ist in etwa so, als würde Carlo Ancelotti unbedingt Thomas Tuchel als Assistenten beim FC Bayern in der Fußballbundesliga haben wollen.

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"Steve hat bei den Warriors eine Kultur entwickelt, in der jeder dem anderen vertraut und sich keiner für wichtiger hält als der Typ neben ihm - das führe ich fort", sagt Brown. Draymond Green ist nach wie vor der Anführer der Defensive, Stephen Curry orchestriert die Offensive mit den Scharfschützen Klay Thompson und Kevin Durant. Es ist, bei allem Respekt vor den Chicago Bulls aus der Saison 1995/96 und den Los Angeles Lakers 1985/86, der wohl talentierteste Kader der NBA-Geschichte.

Die Warriors haben bislang alle acht Playoff-Partien gewonnen, im Halbfinale treffen sie auf den Sieger der Serie zwischen den San Antonio Spurs und den Houston Rockets (die Spurs führen derzeit 3:2). Es deutet vieles darauf hin, dass es zum dritten Mal nacheinander eine Finalserie gegen LeBron James' Cavaliers geben wird, die in den Playoffs bislang ebenfalls noch kein Spiel verloren haben.

"Ich habe keine Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Es gibt keinen Zeitplan, keine Strategie", sagt Manager Myers: "Es geht derzeit nicht um Basketball oder die Warriors - nur darum, dass Kerr so schnell wie möglich gesund wird. Er muss beherzigen, was er seinen Spielern predigt: Er darf erst wieder aufs Parkett, wenn er vollständig genesen ist."

Die Warriors rechnen damit, dass Kerr den Rest der Saison verpassen könnte. "Er telefoniert mehrmals täglich mit Brown und bespricht Training und Taktik", sagt Myers. Die wichtigste Botschaft, die Kerr laut Myers seinem Assistenten und auch jedem einzelnen Spieler per Telefon vermittelt hat: "Er hat gesagt, dass er nur Vorschläge macht und keine Befehle erteilt - Mike Brown ist nun der Chef. Deshalb ist Steve so ein außergewöhnlicher Trainer." Sportler, die sehr sensibel auf Heuchelei ihrer Vorgesetzten reagieren, wissen zu schätzen, wenn ein Trainer wie Steve Kerr sich nicht wichtiger als das Kollektiv nimmt. Er steht den Golden State Warriors derzeit nicht zur Verfügung, er ist dennoch präsent - womöglich mehr, als er es gesund auf der Trainerbank jemals sein könnte.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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