Kommentar:Schwächlinge im Schützengraben

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Bei Lazio Rom wollen Ultras die Frauen vertreiben. Mamma mia. Nicht mal in ihrer Kurve haben die starken Männer noch das letzte Wort!

Von Birgit Schönau

Schlechter hätte der Saisonstart für Lazio Rom kaum ausfallen können als mit diesem 1:2 gegen den SSC Neapel im heimischen Olympiastadion. Aber nicht diese sportliche Klatsche erregt die "Lazio-Ultras", wie sich die Rechtsaußen-Krawallbrüder aus der Nordkurve schönfärberisch nennen. Sondern der Eroberungszug des gefährlichsten Gegners ihrer Machowelt: Frauen.

Eine mysteriöse "Direktive Diabolik Pluto" verteilte jetzt Flugblätter im Stadion, auf denen die Nordkurve als "heiliger Raum" bezeichnet wurde, in dem ein ungeschriebenes Gesetz gefälligst von allen zu respektieren sei: "Die ersten Reihen über dem Spielfeld sind wie ein Schützengraben für uns." Da hätten "Frauen, Ehefrauen, Verlobte" nichts zu suchen. "Wer das Stadion als Alternative zu einem romantischen Spaziergang durch den Park betrachtet, soll sich woanders hinsetzen." Auf die hinteren Plätze, ab Reihe 10.

Mamma mia. Nicht mal mehr in ihrem "Schützengraben" haben die starken Männer in der Curva Nord das letzte Wort! Selbst im "heiligen Raum" quatschen ihnen die Frauen dazwischen und entlarven so das Kampfgeheul und Mukkigepränge der Ultras-Chefs als lächerliches Spektakel. Das Problem jener Rädelsführer, die früher Tausende von Fans dirigierten: Sie sind hoffnungslos von gestern. Anstatt ihnen zu folgen, macht das Fußvolk in der Kurve neuerdings, was es will. Selfies für die Freundin etwa. Wo bleibt da die Konzentration im Kampf?

Die Ultras von Lazio sind seit Jahrzehnten als Faschisten berüchtigt. Immer wieder musste der Klub Geldstrafen zahlen und Stadionsperren auch bei internationalen Duellen hinnehmen, weil der extremistische Anhang mit antisemitischen oder rassistischen Aktionen auffällig wurde. Die "Ultras"-Führer haben zum Teil Vorstrafen wegen Körperverletzung, Drogendelikten und Verbindungen zum organisierten Verbrechen. Über Jahre bedrohten sie Klubpräsident Claudio Lotito, weil der ihnen die Lizenz zum Handel mit Lazio-Artikeln entzogen hatte. "Diabolik", der Kurvenboss, in dessen Namen offenbar das sexistische Flugblatt verfasst wurde, kam zuletzt 2013 wegen Drogenhandels ins Gefängnis. Die Antimafiaeinheit der italienischen Justiz konfiszierte damals bei ihm illegal erwirtschaftetes Vermögen im Wert von 2,3 Millionen Euro. "Pluto" sitzt ebenfalls - wegen Handels mit Kokain, beide haben Verbindungen zum römischen Rechtsextremismus und zur Mafia-Organisation "Banda della Magliana" sowie zur neapolitanischen Camorra. Ins Stadion dürfen "Diabolik" und "Pluto" seit Ewigkeiten nicht mehr. Offenbar will die Kurve, die sie lange auch aus dem Gefängnis dirigierten, nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzen. Geschweige denn ihre Ware kaufen. Deshalb jetzt das Flugblatt - gegen Frauen. Denn die unterhöhlen ihre Macht. Und bringen sie letztlich auch noch ums Geld.

Die Klubführung von Lazio hat sich vom Pamphlet distanziert. Der Verein sei "gegen jede Form der Diskriminierung". Es handele sich um die Aktion einer Minderheit. Die Società Sportiva Lazio ist der größte Sportklub Europas, von Badminton und Bridge bis Skifahren vereint er alles unter einem Dach; das Frauenfußballteam spielt in der dritten Liga. Wappentier ist seit Gründung anno 1901 ein Adler, der vor jedem Heimspiel des Männer-Profifußballteams über dem Stadion kreist. Ganz selbstverständlich überfliegt Maskottchen "Olympia" auch die Nordkurve - inklusive Reihe 1 bis 10.

Der Lazio-Adler "Olympia" ist, wie der Name schon sagt: eine Frau.

© SZ vom 21.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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