Süddeutsche Zeitung

Glosse:Print ist nicht tot

Die jungen Stuttgarter Silas Wamangituka, Orel Mangala und Tanguy Coulibaly führen einen herrlich altmodischen Jubel vor.

Von Christof Kneer

Was soll man jungen Männern zu Weihnachten schenken, die schon alles haben? Die fünfte Uhr, den sechsten Maserati, die siebte Immobilie? Oder doch lieber was Kleines, eine neue Vertragsklausel vielleicht oder einen Gutschein für einen Rundgang durch den sagenumwobenen Kölner Keller? Oder freuen sich Profifußballer eher über Selbstgebasteltes, eine Torjägerkanone aus veganem Leder zum Beispiel oder ein niedliches Syndesmoseband aus recyceltem Kunststoff?

Wer Orel Mangala, 22, Silas Wamangituka, 21, und Tanguy Coulibaly, 19, etwas schenken möchte, kann sich die Sache allerdings einfach machen: Die drei Buben würden sich über ein Buch am meisten freuen. Allerdings: über ein leeres. Ein Kugelschreiber als Zugabe käme wahrscheinlich auch gut an, es würde auch schon ein handelsüblicher rot-weißer reichen, aus dem Fanshop des VfB Stuttgart.

Man habe im Training darüber gesprochen, dass man "in dieser Saison eine Geschichte schreiben" könne, erklärte der VfB-Profi Orel Mangala nach dem 5:1 in Dortmund vergnügt jene Jubeleinlage, bei der die drei Buben ein imaginäres Buch aufschlugen und eine imaginäre Eintragung vornahmen. Über den VfB sind schon viele Bücher erschienen, sie handeln von jungen Wilden und magischen Dreiecken, auf manchen Werken ist sogar Gerhard Mayer-Vorfelder drauf. Noch weiß keiner, wie das Buch des Autoren-Trios Mangala/Wamangituka/Coulibaly heißen wird ("S'magische Dreieggle - mit einem Vorwort von Sven Mislintat"?), und erst die Saison wird zeigen, wie dick das Buch sein wird und wie viele Kapitel der Japaner Wataru Endo, der Argentinier Nicolas Gonzalez oder der Nordbadener Philipp Förster darin abbekommen.

Unabhängig von Verlag und Auflage ist es den drei Nachwuchsautoren schon mal gelungen, in dieser rasenden Branche kurz die Zeit anzuhalten. Es hatte etwas Rührendes, jenem heiligen Eifer zuzusehen, mit dem der Stürmer Wamangituka eine altmodische Schreibbewegung vornahm. Print ist nicht tot, lautete Wamangitukas Botschaft, die im Verlags- und Zeitungswesen mit hohem Interesse zur Kenntnis genommen wird. Allerdings ist nach SZ-Informationen offenbar geplant, das Buch später auch als E-Book herauszubringen, und zu Promotionszwecken wollen Orel Mangala, Silas Wamangituka und Tanguy Coulibaly bis dahin auch einen Jubel einstudieren, bei dem sie über einen imaginären Bildschirm wischen.

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