Glosse "Maskenball":Der reale Wahnsinn

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Wen präsentiert Real-Präsident Florentino Perez nun als neuen Star in Madrid? (Foto: Cordon Press/Imago)

Wie ein einziger manischer Montag reichte, um die Idee einer Super League nachträglich ad absurdum zu führen.

Von Javier Cáceres, Madrid

Im Barrio de Salamanca, einem vornehmen und erzkonservativen Stadtteil der spanischen Hauptstadt Madrid, steht ein vergleichsweise unscheinbares Haus. Kaum jemand würde vermuten, dass dort einer der - Achtung, Tautologie-Gefahr - reichsten und einflussreichsten Männer des Landes lebt: Real Madrids mächtiger Präsident Florentino Pérez. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob er am Montagabend daheim war. Mehr als nur mannshohe Mauern versperren jede Sicht auf die angeblich 2600 Quadratmeter Wohnfläche, ins Innere dringt nur eine sehr ausgewählte Form der Realität. Zum Beispiel über das TV-Gerät, vor dem man Pérez gern vermuten mag. Und wenn es denn so gewesen sein sollte, dass er vor dem Schirm saß, mit dem Rest der Familie, die sich auf diverse Wohnungen der burgenähnlichen Konstruktion verteilt, so erlebte Pérez wohl eine der größten Niederlagen der letzten Wochen - eine schmerzhafte, denn sie war ideeller Natur.

Pérez, man erinnert sich, ist jener spanische Baulöwe, der wie kein Zweiter die milliardenschwer alimentierte Idee einer Super League vorantrieb, und erst einmal eine formidable Bruchlandung erlitt. Aber es klingt noch in den Ohren, wie er in einer grotesk schrillen TV-Sendung seine Argumente für die weitgehend geschlossene Liga durchdeklinierte: Die jungen Leute wenden sich ab vom Fußball! Die Spiele sind zu lang! Und so langweilig! Man müsse die Regeln ändern, forderte er, und zum Beispiel die Spielzeit verknappen! Denn so manche Spiele können man sich doch nicht bis zum Ende anschauen. Und dann kommt dieser magische Montag daher...

... und serviert ihm gleich zwei Spiele mit Verlängerung, die "nach mehr als nur einer Zwangsjacke verlangten", wie die Zeitung El País schrieb, und nicht nur jeden Gang zum Kühlschrank, sondern auch aufs WC zu einer neuen Variante der Todsünden mutieren ließen. Und als wäre das nicht genug, siegten auch noch die beiden Mannschaften, die keinen einzigen Real-Madrid-Profi in ihren Reihen hatten. Hier die Spanier mit ihrem asturischen und sturen Trainer Luis Enrique, den die madridistas zu beschimpfen versuchten, dass sein Vater Amunike sei, weil sich mit dem Namen des früheren nigerianischen Nationalspielers ein Reim auf Enrique bauen ließ, den man vortrefflich zu einem Chor bauen konnte. Und dort die Mannschaft der Schweiz, deren Mannschaften niemals in den Super-League-Rang kämen, allenfalls als das Land infrage käme, in dem man die TV-Milliarden deponieren könnte, die man im Steuerparadies Niederlande zu kassieren gedachte. Kroatien mit dem künftigen Real-Kapitän Luka Modric sagte in Kopenhagen Adiós, die Franzosen verloren in Bukarest trotz Karim Benzema und Raphael Varane. Und dann hielten die Franzosen auch noch die Pointe parat: Denn im Elfmeterschießen scheiterte Kylian Mbappé, ausgerechnet; er soll alsbald bei Real auflaufen. "Fiasko Mbappé" titelte die Zeitung As, und es las sich, als könne man die Uhr danach stellen, bis die Sportblätter in Madrid wieder das norwegische Wunderriesenbaby Erling Haaland von Borussia Dortmund auf die Titelblätter heben. Der kann bei der EM nichts falsch machen. Denn er ist gar nicht dabei.

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