Glosse "Linksaußen":Der Schrecken der Wiesn

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Zum Wegschauen? Die Herrschinger Volleyballer (Ferdinand Tille und Tim Peter, v.l.) haben den Lederhosen-Look zum Ganzjahreslook erkoren. (Foto: Andreas Hannig/Lobeca/imago)

Nicht genug, dass die deutschen Olympioniken in gruseligen Anzügen in Peking auffielen, im September drohen den Zuschauern wieder die schrecklichen Oktoberfest-Trikots.

Von Ralf Tögel

Was ist nicht alles an Häme über die deutschen Olympioniken ausgeschüttet worden. Nein, nein, nicht wegen ihrer Leistungen, schließlich sind wir die Nummer zwei im Medaillenspiegel. Die zweitbeste Wintersportnation der Welt, geschlagen nur von Norwegen. Und das war ja irgendwie nicht so ganz fair, denn wer kommt mit Kälte besser klar als die Nordfrauen und Nordmänner? Sogar die Chinesen, die diese alles einfrierende Kälte zu verantworten hatten, liegen hinter Deutschland.

Kleiner Einwurf am Rande: Das Königreich Bayern wäre im Medaillenspiegel auf dem zehnten Platz gelandet (mit der Wahl-Allgäuerin Katharina Hennig), vor Italien, Kanada und Finnland. Man stelle sich vor: Die Geisenberger Natalie eigehüllt in eine blau-weiße Fahne ganz oben auf dem Stockerl. Oder wie der Geiger Vinzenz in einem schicken Overall von einem bajuwarischen Sportklamotten-Edeldesigner mit einem Satz auf das Siegerpodest hüpft. Da würde sogar dem bayerischen Staatslenker Markus Söder ein Königsjodler entfahren.

Womit man wieder bei der Häme wäre, denn die Winterbekleidung der deutschen Olympia-Mannschaft wurde allgemein als neonfarbene Geschmacksverirrung gedeutet. Ja hat denn das bei der Einkleidung keiner gesehen? Oder haben die Sportler ihre Taschen erst vor Ort auspacken dürfen, wegen dem Virus? Wobei, vielleicht war das Design ja auch eine Hommage an gute alte Zeiten, irgendwann kommt bekanntlich jeder Trend zurück. In den 70ern waren neonfarbene Jethosen der letzte Schrei - am besten mit verschiedenfarbigen Hosenbeinen. Und der Schnitt, erinnert die kastenartige Optik nicht an die todschicken Ballonseide-Trainingsanzüge der Achtziger?

Die bayerischen Haute-Couturisten sollten nicht zu laut lachen - sie haben sich oft genug selbst bei Nadel und Faden vergriffen

So muss es gewesen sein, und nicht wie vom Hersteller erklärt, dass mit den Nationalfarben gespielt worden wäre. Apropos, sind die nicht schwarz, rot und gold? Gold ist ja noch mit viel Fantasie auf den Anzügen zu identifizieren, aber wo ist bitte rot? Wahrscheinlich das Futter. Egal, es ist sowieso nicht damit zu rechnen, dass irgendwelche Athleten noch irgendwo in den Olympia-Klamotten aufkreuzen. Schwer vorzustellen, dass der Straßer Linus am kommenden Wochenende seine Peking-Montur am Gudiberg in Garmisch-Partenkirchen zur Schau trägt. Zumal besagtes Edeldesign-Unternehmen aus München die Alpinen versorgt. Allein aus Gründen des Vergessens wird der Linus seine Olympia-Tasche in den Keller verbannt haben.

Aber trotz allem sollten die bayerischen Haute-Couturisten nicht zu laut über die Kollegen lachen, denn sie haben sich oft genug selbst mit Nadel und Faden vergriffen. Erinnert sei nur an die jährlich wiederkehrenden Aussetzer zur Oktoberfest-Zeit, wenn diverse Mannschaften die Zuschauer mit ihren Wiesn-Trikots blenden (böse Zungen behaupten, dass dies der wahre Grund für das zweijährige Aussetzen der Wiesn war). Mindestens die Fußball-Löwen und die Eishockey-Bullen aus München werden uns wieder mit derlei optischen Verbrechen quälen. Noch schlimmer aber treiben es die Herrschinger Volleyballer, die haben die Lederhosen-Optik zum Ganzjahres-Look gemacht.

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