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Gladbachs Verteidiger Dante:Wie einst Lothar Matthäus

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Gladbachs Dante liefert mit seinem verschossenen Elfmeter eine Steilvorlage für Diskussionen. Bayern-Präsident Uli Hoeneß lässt ausrichten, dass er die Sache nicht klug fand. Damit unterstellt er indirekt, dass sich der Brasilianer in einem Dilemma befunden habe - und in der kommenden Saison wohl in München spielt.

Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Wie kann man den Mann nur einen Elfmeter gegen seinen künftigen Verein schießen lassen?!, haben hinterher die Gladbacher Fans geschimpft. Und eigentlich habe Lothar Matthäus ja damals auch gar nicht schießen wollen. Sein Trainer Jupp Heynckes, behauptet er heute, habe ihn mehr oder weniger gezwungen. Matthäus wollte dann aber auch gleich als Erster schießen und es hinter sich bringen.

Er hat den Ball massiert und ihn bemüht auf den Punkt gelegt. Dann hat er ihn stramm über jenes Tor gedroschen, in dem Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff in die richtige Ecke gesprungen war. Hinterher hat sich Matthäus die Haare gerauft. Torwart Uli Sude und Libero Wilfried Hannes haben ihn getröstet, aber die Gladbacher haben das Pokalendspiel im Frankfurter Waldstadion im Elfmeterschießen am 31. Mai 1984 gegen München verloren. Matthäus, dessen Wechsel zum FC Bayern bereits feststand, avancierte bei den Gladbachern zur tragischen Figur.

Wie kann man den Mann nur einen Elfmeter gegen seinen künftigen Verein schießen lassen?!, so haben auch am Mittwoch Gladbacher Fans geschimpft. Aber der Brasilianer Dante fühlte sich nach eigener Aussage "mutig und überzeugt". Er hat sich bei Trainer Favre für einen Elfmeter gemeldet, hat als dritter Gladbacher geschossen und den Ball ohne Getue auf den Punkt gelegt. Dann hat er ihn stramm über jenes Tor gedroschen, in dem Bayern-Torwart Manuel Neuer in die andere Ecke gesprungen war.

Dante wirkte danach fassungslos, die Mitspieler trösteten ihn. Sein Wechsel zum FCB im kommenden Sommer steht noch nicht fest, aber viele Menschen in der Branche ahnen, dass er sich mit dem Münchener Klub längst einig sein dürfte. "Auf der Tribüne um mich herum haben viele sofort an Lothar Matthäus und an 1984 erinnert", berichtete Uli Hoeneß nach dem Spiel. "Ich hätte Dante nicht schießen lassen", sagte Hoeneß, "das war nicht klug." Es klang so, als wüsste der Bayern-Präsident um ein emotionales Dilemma beim Brasilianer.

Auch Dante selbst hatte wenige Tage vor dem Halbfinale noch nach zwiespältigen Gefühlen geklungen. Wenn es gegen die Bayern Elfmeterschießen geben sollte - was würde er tun? "Dann möchte ich lieber nicht schießen", hatte er lächelnd geantwortet. Es zeichnet den Fußballer Dante demnach aus, dass er sich von unheilvollen Ahnungen am Mittwochabend kurz vor Mitternacht nicht hat irritieren lassen.

Als die Gladbacher ihr Zweitrundenspiel Ende Oktober beim Drittligisten Heidenheim im Elfmeterschießen gewannen, hat Dante auch geschossen - und verwandelt. Warum er den von Wechsel-Gerüchten umrankten Dante überhaupt habe schießen lassen, ist Lucien Favre nach dem Spiel gefragt worden. "Wir hatten nicht viele Möglichkeiten", antwortete der Trainer. "In so einer Situation musst du erst mal fünf Leute finden, die sich das zutrauen", ergänzte ein paar Meter weiter Gladbachs Sportdirektor Max Eberl.

Auch Dante sollte seine vier Tage zuvor geäußerte Furcht vor einem Elfmeterschießen gegen München noch einmal kommentieren, hielt sich aber zurück. "Elfmeter ist Elfmeter", antwortete er und äußerte sich auch ausweichend auf die Frage, ob er Kontakt zum FC Bayern habe. "Es wird zu viel spekuliert", formulierte er fern eines Dementis, "alle sagen das, aber das interessiert mich gar nicht, ich konzentriere mich auf Gladbach und muss meinen Kollegen hier helfen."

Stürmer Mike Hanke hat neulich gewitzelt, man singe für Dante gerne das Bayern-Lied "Stern des Südens" in der Kabine. Bayern-Sportchef Christian Nerlinger sagte am Mittwoch über einen möglichen Dante-Wechsel nach München: "Nein, das kann ich noch nicht bestätigen."

Es wird für den 28-jährigen Dante Bonfim Costa Santos aber nicht allzu schwer, sich nach dem Malheur schnell auf neue Herausforderungen zu konzentrieren. Bereits am Samstag empfangen die Gladbacher die TSG Hoffenheim im Borussia-Park und wollen weiter daran arbeiten, sich am Ende der Saison für die Champions League zu qualifizieren.

"Wir haben keine Zeit zu weinen", sagte Dante. "Wir müssen jetzt noch mehr Gas geben in der Bundesliga, es ist eine gute Stimmung in der Mannschaft, und wenn wir positiv bleiben, dann können wir das schaffen."

Dass die Stimmung positiv bleibt, ist längst weniger vom Verbleib Dantes abhängig als von Signalen, dass der Schweizer Lucien Favre die Borussia nach nur eineinhalb Jahren im Sommer nicht schon wieder verlässt. In Mönchengladbach werten sie es als ein gutes Zeichen, dass Favre die Planungen für die kommende Saison vollumfänglich mit dem Sportchef Eberl gemeinsam gestaltet. Eberl zieht daraus die Gewissheit, dass Favre "zu 99 Prozent" bleibt. Man sei nahe daran, den bis 2013 gültigen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre verlängern zu können.

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SZ vom 23.03.2012
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