Gladbachs Niederlage:"Geben Sie uns die Nacht, drüber zu schlafen"

Borussia Moenchengladbach v VfL Wolfsburg - Bundesliga

André Schubert: Schwierige Zeiten in Gladbach

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Die erste Wertung des Abends hatte der Gladbacher Trainer André Schubert noch gewonnen. Vor seiner Bank lauerten zehn Fotografen, beim Wolfsburger Trainer Valerien Ismaël waren es bloß fünf. Die Anzahl lauernder Fotografen vor einem Fußballspiel ist manchmal ein Indikator für die Gefahr eines Trainers, entlassen zu werden; insofern darf man von gewonnener Wertung eigentlich nicht sprechen. Relevanter war im Anschluss an die Blitzlichtgewitter ja, wie das Spiel zwischen dem gefährdeten Trainer Schubert und dessen angeblich genauso gefährdeten Kollegen Ismaël ausging, also jenes zwischen Borussia Mönchengladbach und dem VfL Wolfsburg.

Nimmt man Gladbachs 1:2 (0:1)-Niederlage zum Maßstab, müsste es das letzte Spiel für Schubert gewesen sein. Die Mannschaft hat unter ihm aus den jüngsten neun Spielen nur fünf Punkte geholt, es heißt, die Borussia habe bereits beim vormaligen Wolfsburger Trainer Dieter Hecking vorgefühlt.

"Man hat gesehen, dass die junge Mannschaft sehr gelitten hat unter den fehlenden Erfolgserlebnissen der letzten Wochen", sagte Mönchengladbachs Manager Max Eberl. Zur Zukunft von Schubert wollte er sich nicht konkret äußern. "Das werden wir sehen. Geben Sie uns die Nacht, drüber zu schlafen und dann eine Entscheidung zu fällen", sagte Eberl. "Weiter so" wird die kaum lauten.

Wolfsburg gewinnt auch dank seiner Nationalspieler

Wolfsburg hat in neun Ligaspielen unter Ismaëls Leitung auch nur zehn Punkte geholt. Heißen muss das nichts. Dass der als Ismaëls Nachfolger gehandelte David Wagner vom englischen Zweitligisten Huddersfield Town ein Angebot aus Wolfsburg ausgeschlagen haben will, hat er jedenfalls am Dienstag behauptet. Wolfsburgs Aufsichtsratsmitglied Hans-Gerd Bode hatte kurz vor dem Spiel in Gladbach beim TV-Sender Sky gesagt, Ismaël werde die Mannschaft in die Rückrunde führen. Alles klar?

Im Gladbacher Fanshop ist in dieser Woche die Bettwäsche heruntergesetzt. Das ist ein freundliches Angebot, denn viele Fans am Niederrhein würden angesichts der jüngsten Leistungen gerne in einen langen Winterschlaf verfallen und darauf hoffen, nach dem Aufwachen im Frühjahr wieder in höhere Tabellenregionen zurückgekehrt zu sein. Als der Stadionsprecher vor dem Spielbeginn Schuberts Namen nur erwähnte, pfiffen viele Fans bereits hemmungslos.

Man muss eine solche Stimmung wohl unheilvoll nennen. Tatsächlich dauerte es nach dem Anpfiff bloß 131 Sekunden, ehe Daniel Caligiuri nach einer Hereingabe von Maximilian Arnold die Wolfsburger 1:0-Führung erzielte; auch weil Gladbachs Linksverteidiger Oscar Wendt den heranrauschenden Wolfsburger fahrlässig gewähren ließ.

Gomez beschert Wolfsburg den Sieg

Gladbach ist seit Wochen kaum wiederzuerkennen. Auch in der ersten Halbzeit gegen Wolfsburg wirkten die Spieler wie von Sinnen. In der 20. Minute schob Torwart Yann Sommer dem lauernden VfL-Profi Julian Draxler den Ball direkt in den Fuß, konnte dessen Schuss dann aber immerhin parieren. Bei jeder misslungenen Szene klatschte Schubert am Spielfeldrand aufmunternd. Er hatte viel zu klatschen.

Granit Xhaka war am Dienstag zu Gast in Mönchengladbach, der Schweizer, der jetzt beim FC Arsenal in London spielt, ist bei der Borussia im Sommer nicht offiziell verabschiedet worden, das hat man vor dem Spiel gegen Wolfsburg nachgeholt. Mit Xhaka war Gladbach in der vergangenen Saison Vierter geworden, ohne ihn ist die Mannschaft der Abstiegszone seitdem bedrohlich nahe gekommen. Dass die Gladbacher knapp sechs Minuten nach dem Wiederanpfiff zum unerwarteten 1:1-Ausgleich kamen, mussten die Wolfsburger ihrem Torwart Diego Benaglio anlasten. Der Schweizer vermochte einen Flachschuss von Stindl weder festzuhalten, noch fortzuboxen, so dass der Abpraller bei Thorgan Hazard landete. Und diesem bereitete es keinerlei Mühe, den Ball ins leere Tor zu schieben.

Mit einem Mal hatte die müde Borussia wieder Puls und erkannte, dass auch die Wolfsburger fußballerisch nicht gerade gefestigt sind. Getragen von einer Woge des erwachenden Publikums besaßen die Borussen plötzlich Chancen zur Führung, ehe ihnen die Wolfsburger mit einem Konter wieder alle Hoffnungen raubten. Draxler schickte Mario Gomez in der 57. Minute in den Strafraum, dieser spielte Sommer nur noch aus und schob zum 2:1 ein.

Es war eine merkwürdige Dramaturgie, eine, die zur Gladbacher Saison passt. Die Borussen hatten in der letzten halben Stunde noch einige gute Chancen zum Ausgleich, ein Unentschieden hätte tabellarisch ziemlich geholfen, nicht zuletzt im Verhältnis zum VfL Wolfsburg, aber ob es dem Trainer Schubert noch geholfen hätte, das ist eher zweifelhaft.

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