Gladbachs Auftritt in Sevilla:0:3 nach Elfmeterschießen

575430273

Versteht die Fußballwelt nicht mehr: Gladbachs Ibrahima Traoré

(Foto: AFP)
  • Borussia Mönchengladbach verliert in Sevilla 0:3 und verursacht dabei drei Elfmeter innerhalb von nur 18 Minuten.
  • Die Mannschaft von Lucien Favre rutscht immer tiefer in die Krise.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Sitzt ein Künstler auf der Couch und klagt über die kreative Schaffenskrise. Sagt der Psychologe: "Geh'n Sie erst mal arbeiten!"

So ähnlich müssen sie sich vorgekommen sein, die abgestürzten Mönchengladbacher Himmelsstürmer, deren Rückkehr in die Königsklasse des europäischen Fußballs überlagert wird vom schlechtesten Start in die Bundesliga-Geschichte. Vier Spiele, vier Niederlagen, die Angst spielt mit, "gegen den HSV war sie zum ersten Mal da", gestand Manager Max Eberl nach dem 0:3 am Wochenende, und der Gladbacher Altmeister Hans-Hubert Vogts analysierte: "Dieser Hype . . . damit ist der ein oder andere Spieler nicht klargekommen." Was nun helfen sollte? Man müsse sich das "Selbstvertrauen über den Zweikampf holen, nicht übers Fußballspielen", sagte Eberl vor dem Auftritt des Bundesliga-Letzten beim 18. der Primera Divisíon, "die breite Brust kann man sich erarbeiten".

Nun, nach dem 0:3 (0:0) beim FC Sevilla kehren sie noch schmalbrüstiger an den Niederrhein zurück. Drei Elfmeter mussten die Borussen hinnehmen beim Champions-League-Start, zwei davon führten zu Toren, mit dem 0:3 waren sie gut bedient.

Was aber sollte man auch erwarten von einer verunsicherten Mannschaft, die nach einer Aussprache ohne den Trainer ihren Torwart Yann Sommer vorgeschickt hatte, Durchhalteparolen auszugeben. "Wir sitzen nicht wie ein Häufchen Elend in der Kabine", beteuerte Yann Sommer, kündigte einen Auftritt "mit neuem Mut" an und bemerkte, man habe "nichts zu verlieren". Außer einem weiteren Spiel.

Genau danach sah es nämlich von Beginn an aus. Und hätte Reyes nach Vitolos Schuss an den linken Pfosten nicht das Kunststück vollbracht, den Nachschuss aus der Nahdistanz unbedrängt übers Tor zu dreschen (4.), wer weiß, wie demoralisiert die Gladbacher schon in der Halbzeit in der Kabine gesessen hätten. So kam die Borussia zwar danach durch Traoré, von Raffael bedient, zu einer guten Chance (16./leichtfertig vergeben), fortan aber immer wieder in Bedrängnis.

Nach Flanke von Reyes köpfelte Gameiro aus kurzer Distanz ans Außennetz (30.), wenig später schoss er aus acht Metern übers Tor (36.) - in der Gladbacher Abwehr, bei der Tony Jantschke in der Innenverteidigung den verletzten Martin Stranzl ersetzte, wurde die Verunsicherung mit zunehmender Spieldauer der ersten Halbzeit immer größer. Ob es ihnen Mut machte, dass sie sich trotzdem irgendwie mit 0:0 in die Pause retten konnten? "Wir konnten damit zufrieden sein", sagte Gladbachs Trainer Lucien Favre später.

Bei Gladbach macht überhaupt nichts Mut

In der Halbzeit müssen sie sich an die Zweikämpfe erinnert haben, die sie führen wollten. Und wieder ging Torwart Sommer beispielhaft voran, nach Wiederanpfiff versuchte er - absolut regelkonform -, Vitolo im Strafraum vom Ball zu trennen. Einer leichten Berührung folgte ein schriller Pfiff, den ungerechtfertigten Elfmeter beförderte Gameiro wuchtig in den rechten Winkel (47.).

"Kein Penalty!", urteilte Favre beim Anblick der TV-Bilder und sagte dann über Vitolo: "Er ist der beste Schauspieler der Welt, das wusste ich schon seit langem" - offenbar im Gegensatz zum tschechischen Schiedsrichter Pavel Kralovec, der ein Foul erkannt haben wollte. 90 Sekunden waren da in Hälfte zwei gespielt, und es dauerte keine zweieinhalb Minuten, da gab es erneut Elfmeter, diesmal zu Recht, wenngleich Favre auch diese Entscheidung "am Limit" nannte: Doch Brouwers hatte im Duell mit Vitolo das Bein stehen gelassen. Gameiro aber erinnerte sich offenbar daran, dass er eben erst ein Geschenk genutzt hatte - und drosch nun, da der Strafstoß berechtigt war, den Ball an die Unterkante der Latte. Kein Tor, welch eine Ironie des Elfmeterschicksals.

Stindl ist komplett überfordert

Doch warum hätte das Mut machen, gar Selbstvertrauen geben sollen, sie hatten ja nichts dafür getan, überhaupt nichts hatten sie für dieses Spiel getan, vorne nichts, hinten viel zu wenig und dazwischen war im defensiven Mittelfeld Lars Stindl komplett überfordert. Die Verunsicherung wurde wieder größer, das Zweikampfverhalten fragwürdiger, und als Jantschke die Grätsche rausholte gegen Gameiro, mussten sie den dritten Elfmeter hinnehmen, den Banega zum 2:0 nutzte (67.) .

Drei Strafstöße innerhalb von nur 18 Minuten - das war genauso rekordverdächtig wie der Schlusspunkt dieses kuriosen Spiels: Keine 60 Sekunden nachdem Konoplyanka bei Sevilla ins Spiel gekommen war, gelang ihm mit seiner ersten Ballberührung die endgültige Entscheidung. Dass dabei ausgerechnet Torwart Yann Sommer half, der doch mit neuem Mut vorausgehen wollte, und sich den Ball selbst ins Netz legte, passte zu diesem Abend. "Wir strotzen momentan einfach nicht vor Selbstvertrauen", sagte Manager Eberl, "aber wir müssen jetzt weitermachen". Nur wie?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: