Süddeutsche Zeitung

Gladbacher Serie:Es schmeckt

Vor kurzem starrte Borussia Mönchengladbach noch in den Abgrund - nun hat das Team vorläufig nichts mehr mit dem Abstieg zu tun und bewirbt sich obendrein um zwei Titel

Von Peter Burghardt, Hamburg

Max Eberl baute sich im Bauch des Hamburger Volksparkstadions erst mal ein Sandwich zusammen und biss hinein, es war wieder ein schöner Abend für Borussia Mönchengladbach. Zuletzt hieß es, der Niederbayer könnte Sportdirektor bei seinem einstigen Klub FC Bayern in München werden, aber fürs Erste schmeckt es ihm bei seinem niederrheinischen Arbeitgeber. Mit dem Trainer André Schubert war die Mannschaft kurz vor Weihnachten den unerfreulichsten Rängen nahe gewesen. Gut zwei Monate später vergnügt sich dasselbe Team in drei Wettbewerben. Das hängt offenkundig damit zusammen, dass der besonnene Eberl die passende Idee hatte, Schubert gegen Dieter Hecking einzutauschen.

Der 2:1-Sieg am nasskalten Mittwochabend im Viertelfinale des DFB-Pokals beim Hamburger SV war die Fortsetzung eines erstaunlichen Wandels. Sieben der neun Pflichtspiele der Ära Hecking gewann die Borussia 2017, darunter sechs Auswärtsspiele in Serie: zweimal im Pokal, in dem nun Eintracht Frankfurt zum Halbfinale kommt; 4:2 beim AC Florenz in der Europa League; dreimal in der Bundesliga. Die virtuelle Rückrunden-Tabelle führt Mönchengladbach vor Bayern an, in der laufenden Rangliste wurde Platz zehn erreicht. Das Ensemble hat also vorläufig nichts mehr mit dem Abstieg zu tun und bewirbt sich obendrein um zwei Titel.

Wie das binnen so weniger Wochen sein könne, werden da natürlich alle Beteiligten gefragt. "Ich kann's nicht sagen", begann Jonas Hofmann, 22, rechtes Mittelfeld: "Für mich ist das Fußball." Er hat allerdings einen Verdacht. Sie spielen unter Hecking anders als unter Schubert ein festes System, 4-4-2. Hinten Viererkette, vorne zwei Angreifer, dazwischen ein beseeltes Zentrum. "Wir stehen ein bisschen kompakter", sagt Hofmann, "und wenn man weniger Gegentore kriegt, dann ist die Wahrscheinlichkeit natürlich größer, dass man Spiele gewinnt. In der Offensive sind wir immer in der Lage, Tore zu machen."

Den öffentlich etwas verkrampften Schubert ließen sein grüner Glückspulli und seine Ideen irgendwann im Stich. Bereits die neue Körpersprache scheint sich auf die Elf zu übertragen. Hecking stand oder saß da in Hamburg äußerlich unaufgeregt mit hochgeschlagenem Mantelkragen, der Westfale aus Castrop-Rauxel zählt im Alter von 52 Jahren ja inzwischen zu den Altmeistern der Branche. Seine Art erinnert ein wenig an Jupp Heynckes. "Er hatte viel Erfahrung, wie er die Mannschaft anzupacken hat", erklärt Manager Eberl, er habe sie wieder stabilisiert. "Manchmal sind es Kleinigkeiten, die entscheiden", erläutert Hofmann, "vieles spielt sich im Kopf ab. Wir hatten gute Gespräche."

Bei so viel Schwung helfen im Zweifel auch die Schiedsrichter sowie das Glück, und ungestörte Schüsse landen im Netz. Vor dem einen Strafstoß in der 53. Minute fällte der Hamburger Mergim Mavraj sehr eindeutig Patrick Herrmann, acht Minuten später bremste Matthias Ostrzolek nicht ganz so eindeutig Hofmann aus. Den ersten Elfmeter verwandelte Lars Stindl, den zweiten überließ er dem Brasilianer Raffael, beide sind ebenso wie Christoph Kramer unter Hecking in Form gekommen. Im Bundesliga-Hinspiel gegen den HSV hatten Stindl und André Hahn zwei Strafstöße verschossen.

Stindl traf kürzlich in Ingolstadt mit der Hand, was ihm so unangenehm ist, dass er eine Regeländerung anregt. 14 Tore hat der ruhige Kapitän in dieser Saison erzielt, das macht einen echten Mittelstürmer überflüssig. Ihm gelingt momentan fast alles. Er kenne Stindl noch gar nicht so lang, räumt Hecking ein, doch man merke, "dass er Selbstvertrauen hat und weiß, was er wann zu tun hat". Stindl gilt wieder als Kandidat für Jogi Löw. Er reagierte auch richtig, nachdem er vor dem Fernsehpublikum den Einlaufjungen neben sich übersehen hatte, und versprach ihm sein Trikot.

Nun geht es binnen zwölf Tagen dreimal gegen Schalke 04

Man wird sehen, wie das weitergeht. Bei Schubert hatte es nach Lucien Favres Weggang 2015 auch wunderbar angefangen. Wie lange Borussia Mönchengladbach in den drei Wettbewerben bleibt, "steht in den Sternen, Fußball ist so schnelllebig", ahnt Jonas Hofmann. Sicher ist, dass die kommenden Wochen so anstrengend werden wie die vergangenen. Reicht die Kraft? "Wenn du diesen Flow hast, dann willst du auch auf dem Platz stehen", weiß der Stratege Eberl, ehemals rechter Verteidiger. Ab Samstag geht es binnen zwölf Tagen dreimal gegen Schalke 04, in Bundesliga und Europa League. Und anschließend wieder zum HSV, diesmal Punktspiel. Rotation werde ein Thema werden, kündigt Dieter Hecking an, bisher rotierte er wenig.

Erreicht die Serie einen Gipfel, dann nehmen sie ihren 22. Trainer seit Hennes Weisweiler vielleicht in die Ehrengalerie auf im Borussia-Park, früher Bökelberg. Heckings DFB-Pokalsieg 2015 mit Wolfsburg ist deutlicher jünger als der letzte Triumph seines neuen Vereins (1995). Aber es war auch für ihn schon wieder in einem anderen Leben.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2017
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