Süddeutsche Zeitung

Gladbacher Krise:Magerkost-Rhetorik

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Nach dem bitteren 1:2 im Derby gegen Köln wird bei den kriselnden Gladbachern über Butterbrote und Champagner geredet. Manager Max Eberl fordert auch in schlechten Zeiten Kontinuität ein.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Wer nach wochenlangem Butterbrotverzehr einen Besuch im Sterne-Restaurant verschmäht, wird mit Haferschleim nicht unter fünf Portionen bestraft. André Schubert droht diesbezüglich zunächst jedoch keine Verurteilung. Dem Trainer von Borussia Mönchengladbach wurde nach der 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Köln unterstellt, nach sechs sieglosen Bundesligaspielen mit nur einem eigenen Treffer falle es doch sicher schwer, sich auf ein im ZDF übertragenes Champions-League-Heimspiel gegen Pep Guardiolas Manchester City zu freuen.

Der 45-Jährige ist in diese rhetorische Falle aber nicht hineingetappt. Zwar hatte er kürzlich eingestanden, Gladbach spiele zurzeit "keinen Champagnerfußball", und obendrein würzte Borussias Sportchef Max Eberl die Magerkost-Rhetorik nach der Niederlage, indem er dem Gladbacher Fußball die kulinarische Qualität eines "Butterbrots" zusprach. Aber gerade deshalb freuen sich die ausgehungerten Gladbacher jetzt auf das Heimspiel gegen Manchester City, als erwarteten sie dort üppig garnierte Canapés zu französischem Schaumwein. "So ein Spiel", sagt Schubert, "macht natürlich trotzdem Spaß."

"Mir gehen die Debatten um die Trainer generell zu schnell", sagt der Manager

Die Suppe am Niederrhein ist mittlerweile allerdings ziemlich versalzen. Nach dem Bundesliga-Sturz Richtung Abstiegszone könnte sich das zur Esstherapie angedachte Champions-League-Menü auch als Zwieback entpuppen. Möglich ist alles zwischen einem Kampf um Platz zwei - und dem Sturz auf den vierten Platz (und damit die Gefahr des Europapokal-Aus), sollte nämlich parallel zu einer Gladbacher Niederlage Glasgow gegen den FC Barcelona überraschen. Borussias Trainer Schubert und seine fahrigen Fußballer trösten ihre zunehmend skeptische Stammkundschaft im Borussia-Park bislang noch mit der Aussicht auf das Überwintern in Europa- und DFB-Pokal, doch sollten sich Gladbachs Magenbeschwerden auf die Champions League ausweiten, dann werden die Metaphern von Trainer und Sportdirektor einem bedrohlicheren Tonfall weichen.

Ernst klingt Eberl freilich schon jetzt, wenn er die sportliche Lage analysiert. Platz dreizehn mit zwölf Punkten nach elf Spielen ist die Vorstufe zu einem Countdown des Schreckens. "Wenn wir nicht langsam anfangen zu punkten, wird's gefährlich", sagt Eberl. Aber auf eine exklusive Warnung an den Trainer Schubert will er seine zart nach Ultimatum klingenden Worte nicht reduziert wissen. "Mir gehen die Debatten um die Trainer generell zu schnell", sagt er, "das hat jetzt auch gar nichts mit André Schubert zu tun." Man könne nicht immer den einen Schuldigen ausmachen: "Der Erste ist der Trainer, der Zweite vielleicht der Kapitän und der Dritte dann der Manager, der irgendwann weg muss." Er wehre sich gegen solch plumpe Mechanismen. "Ich will Kontinuität in unserem Verein; diese Kontinuität hat uns in den vergangenen Jahren dabei geholfen, etwas Tolles zu erleben - ich will aber auch Kontinuität, wenn es mal schlecht läuft." Wenn es dauerhaft harke und man spüre, es passt nicht mehr, dann müsse man sich freilich Gedanken machen. "Aber das habe ich bis jetzt nicht gespürt."

Dass der Trainer Schubert beinahe unbeeindruckt auftritt, hat mit Eberls Plädoyer und dem erst neulich bis 2019 verlängerten Vertrag offenbar wenig zu tun. "Das ist für mich nicht wichtig", sagt der Coach jedenfalls über die Vertrauensbekundung aus der Chefetage. "Im Fußball bekommst du immer genau so lange Vertrauen, bis du es eines Tages nicht mehr bekommst." Den Umstand, dass die unverdiente 1:2-Niederlage durch ein unglücklich entstandenes Kopfballtor von Modeste (59.) und einen Traumfreistoß von Marcel Risse in der ersten Minute der Nachspielzeit (siehe unten) entstand, nennt Schubert "schon dramatisch" - solche Schreckensszenarien müsse man allerdings wegstecken können.

So trostlos wie momentan war die Gladbacher Situation (mit nur zwei Punkten und 1:11 Toren aus den jüngsten sechs Ligaspielen vom vierten auf den 13. Platz abgestürzt) in diesem Saisonstadium zuletzt vor vier Jahren, als der damalige Trainer Lucien Favre genauso seine zweite Saison bestritt wie jetzt Schubert. Beide Trainer begannen ihre Tätigkeit in Gladbach mit einer großen Erfolgsserie, beide hatten in der zweiten Spielzeit zu kämpfen. Favre bekam 2013 den Dreh, Schubert muss in seiner ersten Krise noch zeigen, dass ihm dies auch gelingt. "Ich zweifle nicht an der Arbeit", sagt er und lässt sich auch nicht davon irritieren, dass es nach dem jüngsten Spiel erstmals seit Langem Pfiffe von den eigenen Zuschauern gab. "Verein und Fans haben in Gladbach einen hohen Anspruch." Diesem will er schon am Mittwoch wieder gerecht werden. Gegen Manchester City ist das kein kleines Vorhaben.

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SZ vom 21.11.2016
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