Bundesliga:Darum befördern Manager lieber ihre Interimstrainer

VfB Stuttgart v Hertha BSC - Bundesliga

Jürgen Kramny trainierte die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart, bevor er Cheftrainer wurde.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Christof Kneer

Seine Mannschaft habe "eine gute Ausgangsposition" und wolle "weiter punkten", hat Mönchengladbachs Trainer André Schubert am Dienstag gesagt. Dagegen ist aus Gladbacher Sicht nichts einzuwenden, aus der Perspektive des Gegners klingt dieser Plan allerdings nur mäßig einleuchtend. "Wir wollen unsere Situation weiter verbessern", sagt nämlich Stuttgarts Trainer Jürgen Kramny vor demselben Spiel und vergisst nicht darauf hinzuweisen, "dass Gladbach eine gute Mannschaft hat, aber wir sind auch gut".

Seit es die Bundesliga gibt, hört man solche Sätze in jeder zweiten Pressekonferenz, überraschend ist höchstens, dass keiner der beiden Trainer sagte, seine Elf wolle sich für ihren Aufwand belohnen (langweilige Lieblingsfloskel aller Profitrainer/ kritische Anmerkung der Redaktion). Obige Trainersätze sind es wert, gelesen und vergessen zu werden, eines allerdings ist an ihnen doch bemerkenswert: die Tatsache, wer sie gesagt hat. André Schubert. Jürgen Kramny. Die Trainer von Borussia Mönchengladbach und dem VfB Stuttgart.

Traditionsklubs setzen sonst auf große Namen

Schubert und Kramny können nichts dafür, dass es sich bei Gladbach und dem VfB um Traditionsklubs handelt, von denen man andere Namen gewohnt ist. Aus Gladbach haben es mindestens Lucien Favre, Jupp Heynckes, Udo Lattek und Hennes Weisweiler in die hall of fame geschafft, wobei es - wie bei jedem Klub, der etwas auf sich hält - auch Trainer gibt, die in dem der hall of fame gegenüberliegenden Gebäude abgelegt sind (Dick Advocaat).

Auch der VfB bildet sich einiges auf seine Helden ein, auf den Wundermann Sundermann, auf Helmut Benthaus, Christoph Daum, Felix Magath oder Jogi Löw (im gegenüberliegenden Gebäude: Winnie Schäfer und Alexander Zorniger). Und für diese beiden Klubs sind nun zwei Menschen verantwortlich, deren Namen man kürzlich noch googeln musste. Schubert. Kramny.

Schubert und Kramny, beide 44, haben einen ähnlichen Weg hinter sich, man könnte theoretisch sagen, sie haben sich für ihren Aufwand belohnt. Sie haben jahrelang auf kleineren Bühnen herumgecoacht, André Schubert hat bei den Zweitligisten Paderborn und St. Pauli etwas mehr Rampenlicht abbekommen als Jürgen Kramny, der 2011 die zweite Mannschaft des VfB übernahm. Dort erreichte ihn vorigen November plötzlich der Ruf der hauseigenen Profi-Mannschaft - wie Schubert, der Gladbachs Zweite erst seit Juli 2015 trainierte und wenige Wochen später ein unerwartetes Upgrade erfuhr, weil der Hall of fame-Favre sich zum allgemeinen Entsetzen selbst rausgeschmissen hatte.

Schubert und Kramny sind die jüngsten Namen in einem nicht mehr zu übersehenden Trend. Zwar finden Klubmanager wie früher immer noch viele gute Gründe, um sich von ihren Trainern zu trennen, aber anders als früher finden sie offenbar nicht mehr viele gute Nachfolger; oder sie sind vorsichtig geworden und schnappen sich nicht mehr den nächstbesten Neururer. Verfügbar wären ja semibewährte Coaches wie Mirko Slomka, Markus Gisdol, Jos Luhukay oder Tayfun Korkut, aber Gladbachs Manager Max Eberl hat sich ebenso wie Stuttgarts Robin Dutt lieber in der eigenen Firma bedient - so wie die Kollegen in Mainz, Bremen oder Berlin die Jobs auch lieber intern vergaben, an Martin Schmidt, Viktor Skripnik und Pal Dardai.

Die internen Trainer verschaffen Zeit

Das Aufeinandertreffen von Schubert und Kramny offenbart nun den ganzen Charme, der in solchen Lösungen steckt. Sie sind nicht nur günstig; sie geben den Sportchefs auch etwas, was kaum mehr zu haben ist in diesem rasenden Gewerbe: Zeit. "Als Lucien uns verlassen hat, haben wir uns gleich auf André Schubert geeinigt", sagt Max Eberl, "aber klar war auch: Die Dauerlösung kann er nach so einem großen Trainer nicht sofort sein." Also wurde Schubert erst mal zum Interimstrainer ernannt, was Eberl die Möglichkeit gab, "Andrés Arbeit zu verfolgen und parallel andere Lösungen zu prüfen".

Genauso war's beim VfB: Als Dutt keine andere Wahl mehr hatte, als den spektakulär beratungsresistenten Zorniger vom Hof zu weisen, hat er den Laden erst mal an den im Klub eher so mittelbeleumundeten Kramny übergeben. Kramnys Schlüsselqualität war, nicht Alexander Zorniger zu sein; so wie Schubert davon profitierte, dass es sich bei ihm nachweisbar nicht um Lucien Favre handelte.

Als erste Amtshandlung hat Schubert das kontrollierte Favre-Spiel geschärft und beschleunigt, "die Mannschaft hat sich das gewünscht", sagt Eberl; prompt folgten sechs Siege am Stück, ähnlich wie beim VfB, wo Kramny mit dem umgekehrten Handgriff eine Serie von acht Spielen ohne Niederlage schaffte. Er hat das wilde Zorniger-Gekicke beruhigt und stabilisiert, auch auf Wunsch des Teams.

Kramny mache "die einfachen Dinge richtig", lobte Dutt am Anfang, das klang ein bisschen wie Hat-sich-stets-bemüht. Inzwischen sind sie im Klub aber selbst überrascht über die selbstverständliche Art, mit der Kramny die Elf führt, und das Lob aus Spielermund klingt inzwischen viel ernsthafter als die geheuchelten Hymnen, mit denen sich Fußballprofis traditionell bei neuen Trainern beliebt machen.

Eberl: "Jetzt muss André Schubert den nächsten Schritt machen"

Schubert und Kramny sind Prototypen jener Schaun-mer-mal-Trainer, die jetzt in Mode sind. Solange der Lauf im Team anhält, wird kein Manager der Welt ihn unterbrechen, und solange keine akute Abstiegsgefahr besteht, können die Manager abwarten, wie dieser Trainer coacht, wenn der Lauf mal zu Ende ist. Schubert befindet sich mitten in dieser Phase, "seine Arbeit hat uns von Beginn an überzeugt, und jetzt muss er den nächsten Schritt machen und Balance reinbekommen", sagt Eberl. Kramny steht womöglich gerade am Anfang dieses Praxistests, sein Team hat am Wochenende gegen den Tabellenletzten verloren.

Von Gladbach und dem VfB haben die beiden ehemaligen Interimstrainer inzwischen Cheftrainer-Verträge bis 2017 ausgehändigt bekommen, das ist lange genug, um ihnen das Vertrauen des Vereins zu signalisieren. Aber es ist auch kurz genug, um zu reagieren, falls sich die Mannschaften unter ihrer Führung nicht wie bei Pal Dardai in Berlin entwickeln, sondern eher wie bei Viktor Skripnik in Bremen.

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