Neulich hat der Sportvorstand Roland Virkus den Mitgliedern von Borussia Mönchengladbach ganz schön Angst eingejagt. Ausgangs einer enttäuschenden Bundesliga-Saison referierte Virkus auf der Mitgliederversammlung auch über die Möglichkeiten zur Verbesserung des Kaders in kämpferischer und kreativer Hinsicht und sagte in diesem Zusammenhang: „Mit unseren Mitteln ist es kaum möglich, Spieler dazuzuholen, die sofort Leadership übernehmen können“ – man sei grundsätzlich eher auf der Suche nach „ablösefreien Spielern und Potenzialspielern aus der zweiten Liga“. Das klang nicht gerade verheißungsvoll.
Am Dienstag hat Gladbach nun aber die ablösefreie Verpflichtung des offensiven Mittelfeldspielers Kevin Stöger vermeldet. Der 30 Jahre alte Österreicher hatte in der abgelaufenen Saison erheblichen Anteil daran, dass der VfL Bochum – wenn auch am Ende glücklich – nicht in die zweite Liga abgestiegen ist. In einer wechselhaften Bochumer Mannschaft war zwar auch Stöger nicht immer eine absolute Konstante, aber wenn die Bochumer mal überzeugten, dann war Stöger dabei stets ihr Frontmann. Besonders im Relegationsrückspiel bei Fortuna Düsseldorf, als er zwei Torvorlagen und zwei verwandelte Elfmeter beitrug und die Bochumer letztlich im Elfmeterschießen gewannen.
Stöger ist kreativ im Spielaufbau und beherrscht die Körpersprache als Anführer
Für Gladbach könnte sich Stöger, obwohl die allgemeinen Transferaktivitäten noch gar nicht richtig losgegangen sind, in diesem Sommer als früher Königstransfer entpuppen. Er könnte in der kommenden Saison sofort eine Führungsrolle übernehmen, wenn er denn dort weitermacht, wo er in Bochum aufgehört hat. Im Ruhrgebiet haben sie alles versucht, um ihn trotz auslaufenden Vertrags zu halten.
„Wir haben uns bis zur Decke gestreckt“, sagte der VfL-Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis am Dienstag, „aber mehr konnten wir nicht bieten.“ Mit einer noch höheren Offerte wäre das mannschaftliche Gehaltsniveau ins Ungleichgewicht geraten. „Kevin hat sich in Bochum sehr wohlgefühlt, aber auch das tolle Umfeld reicht eben nicht aus, wenn ein anderer Verein deutlich mehr bietet“, so Villis.
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Acht Tore und elf Vorlagen sind Stöger in der vergangenen Saison einschließlich der Relegation für den VfL Bochum gelungen, aber mindestens so wichtig waren seine Kreativität im Spielaufbau und seine Körpersprache als Anführer. Just solch einen Spieler haben die Gladbacher vermisst, die Franzosen Alassane Plea und Kouadio Koné konnten das nicht leisten und auch nicht Florian Neuhaus. Am positivsten überraschten in der Offensive die jungen Rocco Reitz und Robin Hack, die sich gut mit Stöger ergänzen und zugleich an ihm wachsen könnten. „Kevin ist ein gestandener Bundesligaspieler und hat sich zu einem echten Führungsspieler entwickelt“, sagt Sportchef Virkus, „er bringt viel Torgefahr mit, sei es als Vorbereiter durch kluge Zuspiele, nach Standards und Flanken – oder auch selbst als Torschütze.“
Ein Traum bleibt dem Steyrer Stöger auf dem vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens in diesem Sommer allerdings vermutlich verwehrt: die Nominierung für die österreichische Nationalmannschaft anlässlich der Europameisterschaft in Deutschland. Nationaltrainer Ralf Rangnick erklärte: „Wir haben die Entwicklung von Kevin Stöger verfolgt und ihn auch auf die Abrufliste gestellt – aber wir haben uns für einen Kader entschieden, von dem wir glauben, dass wir mit ihm unseren Fußball am besten auf den Platz bringen.“ Stöger zeigte sich von dieser Entscheidung enttäuscht: „Natürlich bin ich traurig, dass ich nicht dabei bin – das wäre mein Traum gewesen.“