Süddeutsche Zeitung

Gladbach siegt 2:0 -:Großartig auch ohne Pokal und Wimpel

Die Borussia zieht durch den Sieg bei Werder endgültig in die Champions League ein. Das Spiel verdeutlicht die Vorzüge von Lucien Favres effizienter Mannschaft.

Von Frank Hellmann, Bremen

In der Bauweise des Weserstadions liegt die Besonderheit begründet, dass Gäste-Anhänger akustisch leicht die Oberhand gewinnen. Die auswärtigen Fans stehen und sitzen direkt unter dem Dach der Westkurve, und wenn sie sich hier einmal in Stimmung singen, dann haben es selbst die Getreuen des SV Werder schwer, sich Gehör zu verschaffen. Am Samstagnachmittag haben knapp 5000 Sympathisanten von Borussia Mönchengladbach den Standortvorteil genutzt. Ihr Gesang auf die Champions League schwappte später vom Osterdeich noch auf den Hauptbahnhof über.

Mit dem verdienten 2:0 (0:0)-Erfolg beim SV Werder sind auch die letzten rechnerischen Zweifel beseitigt, dass sich der Traditionsverein vom Niederrhein auf direktem Wege für die Königsklasse qualifiziert. "66 Punkte - das ist eine super Saison. Die ganze Rückrunde ist klasse", entfuhr es Trainer Lucien Favre.

Für den einst in höchster Abstiegsnot verpflichteten Schweizer ist der dritte Rang die vorläufige Krönung einer sorgsam geplanten Aufwärtsentwicklung bei den Borussen, die sich als bestes Team der Rückrunde einen Namen gemacht haben. Ganz nebenbei hat Favre den Fohlen noch einen Spielstil verordnet, der in etwa wie das Gegenteil von Sturm-und-Drang aussieht. Abwartend, lauernd - und dann zuschlagen. "Wir sind sehr stabil, wir sind sehr präsent, wir sind sehr ruhig", lobte ihr Trainer. 68 Prozent Ballbesitz erzielten die selbstbewussten Gäste, die Werder-Geschäftsführer Thomas Eichin als "Spitzenmannschaft" pries, "die nicht umsonst so weit oben steht". Für Bremens Mittelfeldrenner Zlatko Junuzovic hatte es "Gladbach wieder überragend gemacht".

Lauern und zuschlagen - Kruse und Raffael führen es vor

Es sah bisweilen beeindruckend aus, wie die Gäste-Elf auch an der Weser nur auf die Lücke lauerte. Und dann schlug zweimal Raffael zu, der zunächst das 1:0 erzielte, als Max Kruse ihm von der linken Seite servierte (53.). Beim 2:0 brauchte der Brasilianer nach einem verunglückten Querschläger von Assani Lukimya nur noch einzuschieben (85.). Die Männer in den schwarz-grünen Trikots kommen als gut geölte Effizienzmaschine daher, bei der ein Rädchen ins andere greift.

"Es wird gerne vergessen, dass wir uns diese Mentalität erarbeitet haben. Herz und Leidenschaft stimmen, deshalb können wir spielerisch so glänzen", meinte Weltmeister Christoph Kramer, der in seinem vorletzten Auftritt im Verbund mit dem nicht minder starken Granit Xhaka eine kaum zu überwindende Doppel-Sechs bildete, die das robuste Rückgrat dieser Elf darstellt. Allein der mit einer gebrochenen Rippe spielende Xhaka kam auf 140 Ballkontakte, und der erst 22-Jährige ist in dieser Verfassung auf seiner Position einer der Besten in der Bundesliga.

Schema & Statistik

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Intelligent verteidigt, Ruhe bewahrt - ein Spiegelbild der Saison

Max Eberl, der Sportdirektor, zog dann das Fazit: "Wir haben keinen Pokal und keinen Wimpel gewonnen, aber wir haben etwas ganz Großes geschafft. Das ist ein sensationelles Ergebnis." Eberl bezeichnete die Begegnung in Bremen als "Spiegelbild der Saison", denn: "Wir haben intelligent verteidigt und immer die Ruhe bewahrt." Auf der Heimfahrt im Bus gen Westen sei nun auch mal ein Bier erlaubt, nächsten Samstag dürften sich die Helden dann im Borussia-Park beim letzten Heimspiel gegen den FC Augsburg feiern lassen.

Für Eberl geht die Arbeit dann erst richtig los. Neben dem nach Leverkusen zurückkehrenden Kramer muss auch Ersatz für den zum VfL Wolfsburg wechselnden Max Kruse her - der vorschnell als Nachfolger gehandelte Werder-Angreifer Franco di Santo gab diesmal einen deutlichen Hinweis, dass der Argentinier nicht der Offensivspieler-Typus ist, der die Mönchengladbacher weiterbringt. "Wir werden keine verrückten Dinge machen", versicherte Eberl.

20 oder 30 Millionen Euro Ablöse und dazu ein exorbitantes Gehalt, das sei nun einmal nicht drin. "Wir wollen zwei, drei Transfers machen, bei denen es um Qualität geht. Das ist eine Herausforderung", sagte der Sportchef noch. Trotz dieser so positiv verlaufenen Saison steht für den 41-Jährigen fest: "Die Phalanx der Top-Five haben wir noch nicht geknackt." Wirtschaftlich mag das stimmen, sportlich aber schon. Und deshalb auch die Gesänge unter dem Dach des Weserstadions.

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SZ vom 17.05.2015
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