Gladbach-Sieg gegen Augsburg:Favres letzter Coup

Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg

Ibrahima Traoré schießt, Augsburgs Torwart Marwin Hitz bleibt nur das Nachsehen.

(Foto: dpa)

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Fußballexperte Lucien Favre genießt trotz seiner umstrittenen Flucht aus Mönchengladbach noch immer höchstes Ansehen dort. So hoch, dass am Mittwochabend in der von ihm verlassenen Stadt am Niederrhein die Menschen gespannt darauf waren, ob die finale Einschätzung des Schweizers wohl auch noch stimmen würde. Favre hatte sich von Borussia-Mitarbeitern mit der um Versöhnlichkeit bemühten Erklärung verabschiedet, ein neuer Trainer könne der Mannschaft sicher besser helfen als er selbst.

Und tatsächlich benötigte eine wie verwandelt aufspielende Mannschaft gegen den FC Augsburg bloß vier Minuten und 44 Sekunden, um durch Fabian Johnson eine 1:0-Führung zu erzwingen, die in den befreiendsten Befreiungsschlag der jüngeren Ligageschichte mündete. 4:2 (4:0) gewannen die Gladbacher nach zuvor fünf Niederlagen in Serie und demütigten mit vier Toren binnen 16 Minuten jene Augsburger, die - nach ihrem ersten Saisonsieg drei Tage zuvor - wieder in Trübsal verfielen. Zwei Elfmeter nach der Pause konnten ihre Niederlage immerhin noch lindern.

Schweigeminute fällt aus

Es hatte keine Schweigeminute gegeben vor dem Anpfiff, obwohl Favre die Gladbacher Fans mit seinem abrupten Fortgang durchaus in Trauer zurückgelassen hat. Zehn Minuten vor dem Spiel warf die Stadionregie wehmütig ein Foto des Verflossenen auf die Stadionmonitore und stellte die Worte "Merci, Lucien!" hinzu, was dem Publikum einen warmen Applaus abrang. In einem TV-Interview gab Borussias Vize-Präsident Hans Meyer just in diesem Moment zögerlich Hinweise darauf, dass es bei Favre vielleicht auch eine gewisse Erschöpfung gegeben haben könnte.

Die erste sportliche Frage des Abends, wie der Interimstrainer das Favresche Aufstellungs-Roulette der vergangenen Wochen für sich auflösen würde, beantworte Schubert mit ebenfalls erheblichen Veränderungen in der Startelf. Er brachte Julian Korb und Alvaro Dominguez neu in die Abwehrkette, Patrick Herrmann und Fabian Johnson neu auf die Außenpositionen und Lars Stindl neu in die Spitze. Vertrauen schenkte er in Mahmoud Dahoud, Granit Xhaka und Raffael ausgerechnet jenem Trio im zentralen Mittelfeld, das zuletzt Kreation und Kreativität hatte vermissen lassen.

Doch diesmal gingen sie die Sache gänzlich anders an, viel offensiver, viel aktiver und leidenschaftlicher. Die Augsburger, bei denen Daniel Baier im Mittelfeld und Dong Won Ji auf Links neu in der Startelf standen, konnten sich der niederrheinischen Druckwelle in der ersten Halbzeit kaum erwehren. Johnson frei im Strafraum (5.), Xhaka per Kopf nach einem Raffael-Freistoß (17.), Stindl mit einem Schlenzer in den Winkel (19.) und Dahoud per Flachschuss aus 20 Metern (21.) demütigten die Schwaben mit vier Toren binnen 16 Minuten. Alle vier Tore bereitete der zuletzt enttäuschende Raffael vor.

Schockstarre der Augsburger

Die Schockstarre, vor der die Gladbacher in dieser Woche Furcht hatten, ereilte am Mittwochabend die Gäste. Erst als das erwachte Ungeheuer namens Borussia nach den ersten 21 Minuten seinen akuten Hunger gestillt hatte, waren die Augsburger zu einem Minimum an spielerischer Ordnung in der Lage.

Kuriose Pointe: Selbst Favres letzte Amtshandlung, seine Flucht, erweist sich am Ende als Coup

Zu spät - es stand aus ihrer Sicht ja bereits 0:4. In der Pause twitterte die Augsburger Presseabteilung: "Jetzt brauchen wir einen Lewandowski." Paul Verhaegh war nur zu bereit, diese Rolle zu übernehmen, als er in der 52. Minute per Foulelfmeter das 1:4 erzielte. Ji hatte im Strafraum den Ellbogen des Gladbachers Oscar Wendt ins Gesicht bekommen.

Die Augsburger gewannen dadurch neuen Mut, obwohl sich nach den nächsten Minuten bereits andeutete, dass Verhaegh den Lewandowski-Rekord definitiv nicht einzustellen vermochte. Die Borussen ließen die Augsburger nun gewähren. Ji rückte in die Mitte und trieb das Gästespiel voran, jedoch bloß mit einem zweifelhaften zweiten Elfmeter vermochten die Augsburger das Ergebnis noch etwas freundlicher zu gestalten. Ja-Cheol Koo war auf Xhaka aufgelaufen, und wieder Verhaegh schoss in der 75. Minute zum 2:4 ein.

Ibrahima Traoré und Raffael trafen für Gladbach gegen Ende noch das Torgebälk. Der Sieg blieb verdient. So sehr er ihnen fehlt, der Schweizer Tüftler: In Mönchengladbach setzte am Mittwoch die kuriose Erkenntnis ein, dass sich sogar die provokante Vereinsflucht des Trainerschlitzohrs Favre gewissermaßen als Coup entpuppt hat.

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