Gladbach in der Krise:Zu brav, diese Jungs

Gladbach in der Krise: Erbost über die Kollegen: Gladbachs Granit Xhaka.

Erbost über die Kollegen: Gladbachs Granit Xhaka.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Von Ulrich Hartmann, Köln

Man kann dem eloquenten Fußballmanager Max Eberl minutenlang dabei zuhören, wie er die Krise seines Fußballklubs Borussia Mönchengladbach erklärt. Wie er einen Mangel an Harmonie, Sicherheit, Chancen und Glück aufreiht. Eberl ist um kein Wort verlegen, er dramatisiert nicht und beschönigt nur manchmal ein kleines bisschen.

Aber am Samstagabend im Souterrain des Kölner Stadions, das die Gladbacher mit einer 0:1-Niederlage verließen, hat es schon gereicht, den Sportdirektor der Borussia aus der Distanz zu beobachten, wie er von Kamera zu Kamera ging, von Mikrofon zu Mikrofon und wie er während jeder Ausführung neuerlich die Schultern zuckte: mal kurz und heftig, mal nur angedeutet, mal den Körper wiegend und mal lächelnd. So viele Variationen von Schulterzucken sieht man in der Bundesliga in diesen Tagen sonst nirgendwo.

"Nicht die bessere Mannschaft hat gewonnen, sondern die effektivere", sagte Eberl also schulterzuckend. "Sisyphos lässt grüßen. Du schiebst die Kugel immer wieder hoch, bist dabei, dir Selbstvertrauen zu holen. Im Moment rollt die Kugel immer zurück."

Gladbach spielt mut- und glücklos

Die Gladbacher, als Tabellendritter der vergangenen Spielzeit Champions-League-Teilnehmer, spielen momentan wie ein Abstiegskandidat - also durchgängig schlecht, aber mindestens mut- und glücklos. "Am fünften Spieltag braucht man noch nicht vom Abstieg zu sprechen", sagte der Mittelfeldspieler Granit Xhaka trotzig, und das war schon das Beste, was die Gladbacher nach der fünften Niederlage im fünften Saisonspiel über ihre komplizierte Situation am Tabellenende sagen konnten.

Alles andere ist nämlich ein Geduldsspiel. Gladbach benötigt zur Verbesserung seiner psychologischen Situation unbedingt einen Sieg, und so aussichtsreich die diesbezüglichen Chancen am kommenden Mittwoch daheim gegen Augsburg und dann am Samstag beim VfB Stuttgart auch sein mögen, so verhängnisvoll wären gegen solche Tabellennachbarn weitere Niederlagen.

Xhaka fordert mehr Körpereinsatz

Der Gladbacher Trainer Lucien Favre spricht in diesen Zeiten mit dem Mute der Verzweiflung. Ist unter normalen Umständen die "Kreation von Torchancen" das Maß seiner fußballerischen Dinge, so nannte er sich am Samstagabend in Köln bereits ansatzweise damit zufrieden, "dass wir Fußball kreiert haben". Fußball einfach nur zu kreieren - und mit diesem dann auch noch zu verlieren - ist für einen Ästheten wie Favre freilich so unerquicklich wie für einen Modeschöpfer der profane Zuschnitt von Alltagskleidung. Favre aber ist zurzeit schon mit Basics halbwegs zufrieden. "60 Prozent Ballbesitz" genügten ihm in Köln, um seine völlig verunsicherte Mannschaft auf dem minimalen Weg der Besserung zu wähnen.

Fatalistischer zeigt sich in kritischen Situationen einer wie Xhaka. Der körpersprachlich resolute Mittelfeldspieler, der nach zwei Spielen Sperre wieder dabei sein durfte, beklagte sich nach der Partie ganz grundsätzlich über das harmlose Zweikampfverhalten seiner Mannschaft und monierte: "Wenn man so gut wie keine Eins-zu-Eins-Situation für sich entscheidet, dann kann man auch kein Fußballspiel gewinnen." Persönlich favorisiert Xhaka kompromisslose Zweikampfgestaltung - freilich mit der Gefahr, schnell gelbe Karten oder gar Platzverweise zu provozieren.

"Brave Jungs, vielleicht manchmal schon zu brav"

Die Gladbacher haben in Köln in mancher Hinsicht nur auf Sicherheit gespielt, wollten zuvorderst Fehler vermeiden und wären mit einem Nullzunull schon zufrieden gewesen. "Wir haben gute Jungs", sagt der Manager Eberl über den Charakter der Mannschaft gern. "Brave Jungs", hat er am Samstagabend gesagt - "vielleicht manchmal schon zu brav." Auch dem Sportdirektor also schien die Körpersprache bei der Niederlage in Köln zu pazifistisch gewesen zu sein.

Aber diese Borussia, sagte er, sei auch in den erfolgreichen vergangenen vier Jahren eine Mannschaft gewesen, die mit fußballerischen Mitteln operiere. Eberl zuckte ein bisschen die Schultern, als er das sagte. Die Gladbacher warten auf jenen Moment, in dem sie mit ihren fußballerischen Mitteln wieder ein Spiel gewinnen. Der Trainer Favre steht bei der Borussia unterdessen nicht ansatzweise zur Diskussion. Wenn das Gespräch auf ihn kommt, zuckt Eberl überhaupt nicht die Schultern.

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