Süddeutsche Zeitung

Gladbach in der Europa League:Verzockt bei Limassol

Leichte Aufgabe zum Europa-League-Auftakt auf Zypern? Da schont Gladbachs Trainer Lucien Favre lieber ein paar Spieler. Das geht schief: Ohne seine besten Akteure kommt die Borussia gegen Limassol nur zu einem 0:0. Den Sieg vergibt Oscar Wendt per Elfmeter. In der 98. Minute.

Carsten Eberts

Limassol ist eine Stadt auf Zypern. Seit über 20 Jahren mischte der örtliche erste Fußballklub nicht mehr im internationalen Fußball mit, der Verein verfügt über ein Stadion von überschaubarer Größe, wurde zuletzt erstmals seit 44 Jahren zyprischer Meister. Eine Bundesliga-Spitzenmannschaft wie Borussia Mönchengladbach sollte mit einem solchen Gegner keine Probleme bekommen, dachte sich Trainer Lucien Favre. Und ließ zum Auftakt der Europa League ein paar seiner Topakteure daheim.

Der Schweizer Favre weiß natürlich, dass Gladbach mittlerweile über ein Topteam verfügt. Und damit automatisch bis Weihnachten im Viertages-Rhythmus antreten muss. Wann also sollte Favre ein paar Spieler schonen, wenn nicht auf Zypern? In Luuk de Jong, Filip Daems und Juan Arango ließ er drei stilprägende Akteure daheim, das ging ziemlich deutlich schief: Die Borussia agierte nur selten zwingend, verschoss in letzter Sekunde einen Elfmeter - und kam gegen den unterklassigen Gegner nur zu einem 0:0. "Wir haben zwei Punkte verschenkt", klagte Favre nach dem Spiel, "weil wir unsere Chancen nicht nutzen."

Eigentlich hatten die Gladbacher ja ganz andere Pläne für die Saison: Champions League, das ganz große Geld, vielleicht ein Auswärtsspiel im Nou Camp des FC Barcelona. Doch die Qualifikation gegen Dynamo Kiew missriet, so trat die Favre-Elf nun im GSP-Stadion von Nikosia gegen AEL Limassol an. Das hatte natürlich etwas mit Frustbewältigung zu tun.

Die Gladbacher machten zunächst allerdings nicht den Eindruck, als wäre es eine Strafaufgabe, auf Zypern Fußball spielen zu müssen. Schon nach wenigen Sekunden verzog Alexander Ring knapp, er war ebenso in die Startelf gespült worden wie Offensivkollege Mike Hanke: Auch der frühere Nationalangreifer bekam schnell seine erste Chance, doch Hanke setzte seinen Schuss an den linken Pfosten (5. Minute). Gladbach begann ausgesprochen stürmisch.

Der Qualitätsverlust durch die Favre'sche Wechselpolitik war trotzdem merklich. In der Mitte versuchte der junge Tolga Cicerci zusammen mit Alexander Ring das Spiel zu ordnen, auch bei Standardsituationen wurde das Mitwirken von Juan Arango vermisst. Keine Ecke, kein Freistoß brachte zunächst Gefahr. Mit Arango hätte das womöglich anders ausgesehen.

Nach 24 Minuten hätte sich Favres Wechselspiel fast gerächt. Nach einem gescheiten Pass stürmte Limassols Zehner Rui Miguel allein auf Marc-André ter Stegen zu - der Keeper musste alles riskieren, wehrte den Ball im Herausstürzen ab, handelte sich dabei jedoch eine schmerzliche Knieblessur ein. Nach zwei Behandlungsminuten war klar: Es ging weiter für den jungen Nationalkeeper. Ersatzmann Christopher Heimeroth hatte sich umsonst warm gelaufen.

Doch der Eindruck täuschte nicht: Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte Limassol die Partie ohne großen Aufwand in den Griff bekommen. Hanke lief sich in der vielbeinigen Defensive der Zyprer fest, Ring tat es ihm nur wenige Minuten später gleich. Bis zur Halbzeit schaffte Gladbach keine einzige echte Torchance - ein Freistoß von Cicerci war noch die beste Aktion (40.). Favre stapfte angemessen bedient in die Kabine.

Dort entschied er sich, seine Offensive mit Granit Xhaka zu verstärken, dem 8,5 Millionen-Euro-Zugang vom FC Basel, der zuletzt gegen Nürnberg eine gute Partie geliefert hatte. Eigentlich sollte Xhaka auch eine Pause bekommen, ein gutes Ergebnis in Limassol wollte Favre dann aber doch nicht aufs Spiel setzen. Die erste Chance hatten dennoch die Zyprer: Einen 22-Meter-Knaller von Rui Miguel parierte ter Stegen nur mit Mühe. Dann agierte Gladbach plötzlich verbessert. Als hätten sich die Spieler gesagt: Ein Punktverlust auf Zypern, das geht dann doch nicht! Erst köpfte Xhaka anständig aufs Tor (60.), dann scheiterte Hanke mit einem Schuss von der halbrechten Seite (68.).

Favre brachte noch Igor de Camargo und Lukas Rupp - zunächst ohne Effekt. Dann die turbulente Schlussphase, wegen einigen Unterbrechungen musste einige Minuten nachgespielt werden: Schiedsrichter Duarte entschied nach einer Abwehraktion von Limassols Paulo Sérgio auf Handelfmeter. Wurde doch noch alles gut? Wurde es nicht. Oscar Wendt hämmerte den Ball in der achten Minute der Nachspielzeit an die Unterkante der Latte, der Ball sprang nach vorne aus dem Gefahrenbereich. Gleich darauf war Schluss. "Das Leben ist jetzt nicht vorbei. Wenn ich zwei Millimeter niedriger treffe, ist er drin und wir jubeln alle", sagte Wendt hinterher. "Kein Vorwurf an Oscar", erklärte auch Sturmkollege Hanke, "wir hätten es vorher entscheiden müssen."

Champions-League-Aus gegen Kiew, nur vier Punkte aus drei Spielen in der Bundesliga, nun ein Nullnull auf Zypern. Mönchengladbach hat sich den Saisonauftakt etwas anders vorgestellt.

Remis für Hannover, Stuttgart, und Leverkusen: Hier geht es zu den Spielberichten.

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