Matthias Ginter bei der Borussia:Adi Hütters riskantes Spiel

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Gladbachs Trainer Adi Hütter. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Gladbachs Trainer verbannt den Nationalspieler Matthias Ginter auf die Bank - weil der es wagt, im Sommer ablösefrei wechseln zu wollen. Die Folgen des Manövers könnten schon wieder einen Rose-Effekt auslösen.

Kommentar von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Stell dir vor, Borussia Mönchengladbach steigt ab - und der Nationalverteidiger Matthias Ginter sitzt nur auf der Bank. Zum Ersatzspieler degradiert, weil er es wagt, seinen Vertrag im Sommer auslaufen zu lassen, ohne Gladbach eine Ablösesumme als Entschädigung zu bescheren.

In 142 von 154 möglichen Bundesligaspielen hatte Ginter in Borussias Startelf gestanden. Die fehlenden zwölf Mal war der 27-Jährige wegen Verletzungen nicht im Kader. Am Samstag, bei der 1:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen, war Ginter fit. Trotzdem saß er erstmals und von Anfang bis Ende auf der Bank. Er musste mit ansehen, wie der Innenverteidiger Tony Jantschke vor dem ersten Gegentor seinen Gegenspieler Robert Andrich weglaufen ließ; wie der neu verpflichtete Innenverteidiger Marvin Friedrich erst einen Elfmeter verursachte und beim zweiten Gegentor versehentlich mithalf; und wie schließlich auch noch der statt Ginter eingewechselte Abwehrspieler Louis Jordan Beyer einen weiteren Elfmeter verursachte. Solche Missgeschicke können passieren. Auch Ginter. Doch diesmal - und in dieser Häufung - kamen sie dem Trainer Adi Hütter schmerzlich ungelegen.

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Von Freddie Röckenhaus

Ginter war viereinhalb Jahre lang Gladbachs Fels in der Brandung. In der jetzigen Saison aber wollte er zunächst sehr hartnäckig seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern und kündigte dann, zu Weihnachten, erst auf Druck des Vereins seinen ablösefreien Fortgang im Sommer an. Nachdem die Borussia vergangene Woche in Union Berlins Marvin Friedrich kurzerhand Ginters Nachfolger verpflichtet hatte, verbannte Hütter Ginter am Samstag direkt auf die Bank. Begründung: Man gehe im Sommer doch eh getrennte Wege. Friedrich hingegen werde auch künftig für Gladbach auflaufen.

Ginter will zur WM in Katar, jetzt setzt sein Klub ihn unter Druck

Die Sache ist sicher auch monetär motiviert. Bis Ende Januar könnte Ginter noch wechseln - und Gladbach wenigstens eine kleine Ablöse einbringen. Ginter steht nun unter Druck. Er will im nächsten Winter für Deutschland bei der WM in Katar spielen. Ein halbes Jahr mit bloß sporadischen Einsätzen würde ihn diesbezüglich zurückwerfen. "Jetzt hat der Spieler die Entscheidung", verkündete Sportchef Max Eberl und ließ mit diesem Satz die Klub-Perspektive durchblitzen.

Es ist noch kein Jahr her, da kündigte Gladbachs damaliger Trainer Marco Rose an, im Sommer 2021 zu Borussia Dortmund zu wechseln. Sie hätten sich dafür sofort von ihm trennen können. Haben sie aber nicht. So machen sie das bei Borussia Mönchengladbach nicht, hat Eberl damals gepredigt. Also haben sie die Sache mit Rose durchgezogen - und sehenden Auges alle Saisonziele verspielt. Besonders die Europapokal-Teilnahme.

Gladbach-Coach Adi Hütter setzt Matthias Ginter (links) auf die Bank und vertraut stattdessen Marvin Friedrich. (Foto: Revierfoto/imago)

Corona ist ein tückisches Virus, auch wirtschaftlich. Es manipuliert die Branchenmechanismen - und trübt den Blick. Einen Nationalspieler auf die Bank zu verbannen, dadurch Niederlagen zu riskieren und noch tiefer in Abstiegsgefahr zu geraten, erscheint jedenfalls unklug. Ganz zu schweigen davon, wie sich das auf die Teamchemie auswirken könnte. "Das ist immer noch meine Entscheidung", blaffte Hütter am Samstagabend, als ihm die Argumente ausgingen.

Die Folgen des Manövers drohen sich schon wieder auf den ganzen Klub auszubreiten. Wie vor einem Jahr bei Rose. Der Druck, der auf Ginter wirken soll, erweitert sich unheilvoll auf Mannschaft und Trainer. Am Mittwoch ist Pokal beim Zweitligisten Hannover, am Samstag kommt Friedrichs Ex-Klub Union Berlin. In Mönchengladbach pfeift schon wieder der Kessel. Hütter schwant Böses. "Sie könnten auch miteinander spielen", sagte er ganz am Ende noch über Friedrich und Ginter. Fast unbemerkt.

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