Süddeutsche Zeitung

Gladbach-Sieg gegen Donezk:Neue Erinnerungen für das Vereinsmuseum

Gladbach überlistet Schachtjor Donezk noch einmal - und schießt vier Tore. Mancher Borusse hält nun sogar den Gruppensieg vor Real Madrid für möglich.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

"Sie werden sich von uns wohl kaum ein zweites Mal übertölpeln lassen", hatte Max Eberl vor dem Spiel gesagt. Der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach hatte wirklich "übertölpeln" gesagt. Streng nach dem Duden hatten die Gladbacher ihre Kontrahenten von Schachtjor Donezk beim 6:0-Sieg im Hinspiel also in "plumper, dummdreister Weise überlistet". Aber davon konnte natürlich keine Rede sein, die Gladbacher hatten vor drei Wochen schließlich ihr bestes Spiel in diesem Herbst gezeigt; und im strengen Sinne des Wortes hatte Eberl das auch gar nicht gemeint. Er hatte vor dem Rückspiel am Mittwochabend im Borussia-Park eigentlich bloß davor warnen wollen, dass niemand wieder einen Gladbacher Kantersieg erwarten und dass man die Ukrainer nun keineswegs unterschätzen dürfe.

Und dann haben sich die Fußballer aus der Ukraine eben doch wieder übertölpeln lassen von den Gladbachern. Aber man muss die Bedeutung dieses Wortes dem Fußball der Borussen ausnahmsweise anpassen und es mal so formulieren: Sie haben Donezk in taktisch herausragender, offensiv hocheffektiver Weise überlistet. Kein bisschen plump, und schon gar nicht dummdreist. Irgendwie scheint Schachtjor den Gladbachern zu liegen - wahlweise hat der Matchplan einfach ein zweites Mal hervorragend funktioniert. Der 4:0 (3:0)-Sieg durch Treffer von Lars Stindl, Nico Elvedi, Breel Embolo und Oscar Wendt bestätigt die Borussen an der Spitze ihrer Champions-League-Gruppe und erhöht ihre Chancen, den Klub erstmals seit 33 Jahren in ein Achtelfinale der Königsklasse zu führen.

Als Gladbach 1977/1978 (damals noch: Europapokal der Landesmeister) letztmals unter den besten 16 Klubs spielte (gegen Roter Stern Belgrad), gehörten zur Mannschaft Vereins-Ikonen wie Berti Vogts, Rainer Bonhoff, Allan Simonsen und Jupp Heynckes. Trainer war Udo Lattek. Sie zogen damals bis ins Halbfinale Man findet Erinnerungen im Vereinsmuseum in einem Stadionanbau, und wer weiß, vielleicht finden sich darin eines Tages auch Erinnerungen an Spieler aus der aktuellen Mannschaft. Diese Borussen, die sich in der Bundesliga bisweilen noch ein bisschen schwer tun, so wie am vergangenen Samstag beim 1:1 gegen Augsburg, zeigen in der Champions League eine brutale Effektivität.

Stindl erzielte das 1:0 (17.) per Elfmeter, nachdem Marcus Thuram im Strafraum gefoult worden war. Der aufgerückte Innenverteidiger Elvedi köpfelte das 2:0 (34.) am ersten Pfosten nach Eckball von Stindl. Und das 3:0 erzielte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit jener Stürmer, dem gegen Augsburg aber auch gar nichts gelungen war, der da alle seine Chancen überallhin, aber nicht ins Tor geschossen hatte.

Dieses Kunststück war entweder missglückt oder genial

Der Schweizer Embolo lauerte in jener Szene im gegnerischen Fünfmeterraum, als nach einem Kopfballduell der Ball hoch zu ihm flog. Er stand aber mit dem Rücken zum Tor, also setzte er zu einem Fallrückzieher an, den er allerdings nicht richtig traf und den Ball mit dem Außenrist am Torwart vorbei ins Tor trickste. Dieses Kunststück war entweder missglückt oder genial - vermutlich beides, auf jeden Fall bedeutete es den 3:0-Halbzeitstand.

In der zweiten Halbzeit versuchten die Gäste halbwegs ihr Gesicht zu wahren. Die Gladbacher überließen ihnen weitgehend den Ball, Trainer Marco Rose passte aber ganz genau auf, dass das Pressing wirksam blieb und die Aufmerksamkeit erhöht. "Seriös!", rief er seinen Spielern bisweilen zu. Die Gefahr, eine solche Führung noch herzugeben, war aber überschaubar, zumal in der 77. Minute ein von Wendt hereingezirkelter Freistoß direkt im Tor landete. Mit dem 4:0 stand endgültig fest, dass die Gladbacher am kommenden Dienstag im Heimspiel gegen Inter Mailand den Einzug ins Achtelfinale perfekt machen können.

"Wir haben unseren Job gemacht", sagte der Torschütze Embolo nach dem Abpfiff beinahe ein bisschen zu nüchtern. Sein eigener Treffer habe ihn natürlich "erleichtert", die Teamkollegen "werden aber bestimmt sagen: Typisch Breel, den schwersten macht er". Stindl hält derweil sogar den Gruppensieg in dieser mit Real Madrid und Inter Mailand so stark besetzten Gruppe für möglich: "Warum sollen wir nicht nach dem Größtmöglichen streben!?", sagte er. Der Trainer Rose fand seine Mannschaft "sehr, sehr stark" und lobte sie für beide Spiele gegen Donezk. "Der Fokus war von der ersten Minute an da, und wir haben sehr ergebnisorientiert gespielt."

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