Borussia Mönchengladbach:„Jetzt bloß nicht zu euphorisch zu werden“

Lesezeit: 3 Min.

Alassane Plea, Tim Kleindienst und Gladbachs Julian Weigl (von links nach rechts) jubeln nach Kleindiensts Tor zum 2:0. (Foto: David Inderlied/dpa)

Borussia Mönchengladbachs Weg führt seit drei Jahren konstant nach unten. Doch nun deutet sich tatsächlich so etwas wie eine Trendwende an. Die Beteiligten trauen der Sache aber noch nicht richtig.

Von Ulrich Hartmann

In niedlicher Kinderschrift standen am Sonntag die Stadt und der Spielername auf jedem der mintgrünen Sondertrikots von Borussia Mönchengladbach. Anlässlich des Tags der Kinderrechte vier Tage zuvor spielten die Gladbacher in kreativ gestalteten Hemden, die jetzt karitativ versteigert werden. Umso erstaunlicher erschien, wie erwachsen die Borussen in ihren Kindertrikots agierten.

Gladbach, zuvor drei Jahre lang im sukzessiven Niedergang und vergangene Saison gar knapp am Abgrund zur zweiten Liga, hat mit dem 2:0-Sieg gegen den FC St. Pauli nunmehr vier Heimspiele nacheinander gewonnen und aus zuletzt fünf Ligaspielen ohne Niederlage elf Punkte geholt. Binnen eineinhalb Monaten ist die Borussia vom fünftletzten auf den sechsten Tabellenplatz geklettert. Der „Gladbacher Weg“, zuletzt jahrelang ein eher schlechter Running Gag, nimmt momentan tatsächlich ein bisschen Form an. „Die Mannschaft hat sich eingespielt“, sagt der erleichterte Sportvorstand Roland Virkus, „wir haben gerade einen guten Lauf.“

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Die Angreifer Alassane Plea (13.) und Tim Kleindienst (44.) erzielten die Tore gegen St. Pauli. Für den Franzosen Plea war es der dritte Saisontreffer, für den Brandenburger Kleindienst der siebte. Damit ist der 28-Jährige gemeinsam mit dem Mainzer Jonathan Burkardt derzeit der beste deutsche Bundesliga-Torschütze hinter Bayerns Briten Harry Kane (14) und Frankfurts Ägypter Omar Marmoush (11).

Acht Tage nachdem Kleindienst für die deutsche Nationalmannschaft in Freiburg beim 7:0 gegen Bosnien-Herzegowina zwei Treffer gegen den Torwart Nikola Vasilj geschossen hatte, traf er gegen den 28 Jahre alten Bosnier nun auch in dessen Eigenschaft als St.-Pauli-Torwart. Sollte Kleindienst, im Sommer aus Heidenheim gekommen, in dieser Frequenz für Gladbach weiter treffen, dann könnte er die 18 Saisontreffer von Marco Reus aus 2012 knacken oder sogar die 20 Saisontreffer von Heiko Herrlich aus 1995. Häufiger binnen einer Bundesligasaison hat in den vergangenen 30 Jahren kein Gladbacher getroffen.

Die Zahl der Gegentore sinkt sukzessive

Kleindienst, in seiner derzeit fabelhaften Verfassung für den internationalen Markt mit dem Spitznamen „Smallservice“ gesegnet, ist ein relevanter Faktor für Gladbachs gegenwärtigen Erfolg. „Tim hat eine immense Energie“, sagt durchaus bewundernd der Sportchef Virkus. Kleindienst war mit seinen sieben Treffern und vier Torvorlagen an elf der 17 Gladbacher Bundesligatreffer beteiligt. Virkus aber hält die starke Präsenz des 1,94 Meter langen Rammbocks mit der selbsternannten „Drecksack-Mentalität“ auch im Mittelfeld für ergiebig: „Tim schädelt da einiges weg.“

Denn auch defensiv wird diese Borussia immer stabiler. Die Anzahl der Gegentore in den vergangenen fünf Spielen lautet chronologisch: 2, 1, 1, 0, 0. „Wir sind jetzt eine der besten Abwehrreihen der Liga“, freut sich Virkus. Nur drei Klubs haben weniger Gegentore als die Gladbacher. „Wir sind eine gefestigtere Mannschaft als in der vergangenen Saison“, sagt der Trainer Gerardo Seoane.

Stand bereits in der Kritik: Trainer Gerardo Seoane. (Foto: David Inderlied/dpa)

Umso erstaunlicher ist, welche Spieler bei Gladbach derzeit gar nicht in der Startelf stehen: Die als Leader geholten Zugänge Kevin Stöger und Philipp Sander saßen am Sonntag bei Anpfiff ebenso nur auf der Bank wie der eigentliche Stammtorwart und Kapitän Jonas Omlin, der nach längerer Verletzung seine Position als Nummer eins an Moritz Nicolas mit der Rückennummer 33 verloren hat. Auch der nach mehreren Wochen genesene Innenverteidiger Nico Elvedi schaute gegen St. Pauli durchgängig nur zu, weil es sein Back-up Marvin Friedrich an der Seite des souveränen Japaners Ko Itakura seit fünf Spielen so gut macht.

„Mit seiner Statur und seinem guten Auge nutzt Marvin seine Chance momentan sehr gut“, lobt Seoane, findet aber überhaupt die ganze Mannschaft derzeit viel kompakter als in der vergangenen Saison. „Resilient und konzentriert“ habe sie die 2:0-Führung gegen St. Pauli „nach Hause gebracht“. Die Verteidigung einer Führung fühlt sich für die Gladbacher gerade deshalb so angenehm an, weil ihnen das in den vergangenen Jahren oft nicht gelungen war.

In den Spielen gegen Freiburg und Dortmund wird sich zeigen, wie nachhaltig der Gladbacher Weg ist

„Noch letztes Jahr hätten wir dieses Spiel vielleicht nicht gezogen“, sagt der Torwart Nicolas. „Die Weiterentwicklung der Mannschaft zeigt sich auch daran, dass sie solche Spiele jetzt gewinnt“, glaubt der Sportchef Virkus. „Die zweite Halbzeit fühlte sich von außen zwar nicht immer toll an“, gestand der Trainer Seoane, „aber alles in allem sehen wir eine klare Verbesserung gegenüber der letzten Saison.“

Tabellensechster waren die Gladbacher in ähnlich vorgerücktem Saisonstadium zuletzt vor zwei Jahren, bauten damals unter dem Trainer Daniel Farke anschließend aber stark ab. Weil die Fans ihre Pappenheimer kennen, schallten am Sonntag noch keine allzu deutlichen „Europapokal“-Rufe durchs Stadion.

Dabei erhält die Borussia an den kommenden beiden Samstagen doch die fabelhafte Chance, sich gegen zwei direkte Tabellennachbarn zu beweisen. Am kommenden Samstag gastiert sie beim punktgleichen Tabellensiebten SC Freiburg und eine Woche später empfängt sie am Samstagabend den um zwei Punkte besseren Tabellenfünften Borussia Dortmund.

„Für ganz oben müssen wir noch ein paar Dinge verbessern“, sagt der Sportchef Virkus. Auch der Torwart Nicolas warnt, „jetzt bloß nicht zu euphorisch zu werden“. Nach drei mauen Jahren trauen die Borussen ihrem Glück noch nicht so recht über den Weg – über den Gladbacher Weg. Es muss sich erst noch nachhaltig erweisen, ob das ein steiler Anstieg ist, eine moderate Serpentine – oder gar ein trügerischer Abhang.

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