Debatte um Abseits in Bochum:Aus "absichtlich" wird "kontrolliert"

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Schiedsrichter Daniel Schlager schaut sich die strittige Szene auf dem Monitor an und gibt anschließend einen Treffer von Mönchengladbach nicht. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Mönchengladbach wird das 2:2 gegen Bochum auf Basis einer vergleichsweise neuen Formulierung der Abseitsregel aberkannt. Trainer und Spieler der Borussia sind erzürnt - ihrer Meinung nach hat der Schiedsrichter einen Fehler gemacht.

Von Ulrich Hartmann

Von der Abseitsregel mit dem "Deliberate Play" erfuhr Fußball-Deutschland gewissermaßen erst am 2. Februar 2021. "Deliberate" heißt "absichtlich", und als absichtlich wurde beim DFB-Pokalspiel zwischen Borussia Dortmund und dem SC Paderborn damals der minimale Ballkontakt des Paderborners Svante Ingelsson gewertet, der durch eine kaum wahrnehmbare Ballberührung eine Abseitsstellung des BVB-Stürmers Erling Haaland aufhob. Haalands daraus resultierender Siegtreffer behielt Gültigkeit, es gab eine lange Debatte.

Diese Abseitsregel wurde nun im Sommer neu formuliert. Es geht jetzt nicht mehr primär um die Frage, ob eine Abwehraktion inmitten eines gegnerischen Ins-Abseits-Passes "absichtlich" oder "unabsichtlich" ist, sondern mehr darum, ob die Abwehraktion "kontrolliert" oder "unkontrolliert" erfolgt. Das sorgte am Dienstagabend für mächtige Aufregung in Bochum. Dort wurde Borussia Mönchengladbach acht Minuten vor Schluss der 2:2-Ausgleich vom Video-Assistenten nachträglich aberkannt, obwohl eine eindeutige Abwehraktion des Bochumers Vasilios Lampropoulos eine Abseitsstellung des nahe der Eckfahne lauernden Gladbacher Flankengebers Jonas Hofmann aufgehoben zu haben schien. Der Schiedsrichter Daniel Schlager legte die Abwehraktion aber letztlich anders aus. Er beurteilte die im Strafraum-Gewühl missratene Klärungsaktion des Bochumers als "unkontrolliert" - und damit Hofmanns Abseitsstellung für unverändert gültig. Deshalb wurde Ramy Bensebainis Treffer nach Hofmanns Flanke zurückgenommen.

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Die Änderung von "unabsichtlich" zu "unkontrolliert" erweitert und verkompliziert die Auslegungsmöglichkeiten. Lampropoulos ging zwar absichtlich zum Ball, nach altem Regeltext hätte er Hofmanns Abseitsstellung also vermutlich aufgehoben. Doch seine Aktion erschien im Gewühl unkontrolliert. Schiedsrichter Schlager sagte: "Aufgrund der neuen Regelauslegung ist damit keine neue Abseitsbewertung erforderlich." Gladbachs Kapitän Christoph Kramer erzürnte diese Auslegung: "Es war nicht unkontrolliert, sondern einfach nur Unvermögen, weil er den Ball klar spielen konnte, ihn aber schlichtweg nicht richtig getroffen hat." Borussia-Trainer Daniel Farke bestärkte Kramers These: "Die Szene ist fachlich falsch bewertet und dadurch eine krasse Fehlentscheidung."

Schiedsrichter Schlager erläuterte: "Der Spieler versucht zu klären, schafft das im Zweikampf aber nicht kontrolliert. Kontrolliert hätte er ihn nach vorne gespielt, in Bedrängnis hatte er dazu aber nicht die Zeit und die Kontrolle. Daher ist es unkontrolliert."

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