Süddeutsche Zeitung

Gladbach beim 1:1 in Augsburg mit Schwierigkeiten:Wie eine Schachpartie

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Beim Remis zwischen dem FC Augsburg und Borussia Mönchengladbach scheinen alle Beteiligten nach verschiedenen taktischen Varianten gut mit einem Punkt leben zu können.

Von Felix Haselsteiner, Augsburg

Manuel Baum hat nicht nur das Talent, als Trainer eine Bundesliga-Mannschaft zu leiten (die des FC Augsburg), sondern auch die elegante Eigenschaft, Sätze mit einem dezenten, sehr freundlichen kleinen Lächeln zu beenden. "Mir hat unser Pressing gut gefallen", sagte Baum etwa nach dem 1:1 seiner Mannschaft gegen Borussia Mönchengladbach - und lächelte, dezent und sehr freundlich.

Er hätte dieses Lächeln auch während der 90 Minuten ab und an auf den Lippen haben können, zum Beispiel immer dann, wenn Yann Sommer mit den Armen ruderte. Sommers Armrudern war nämlich keine Aufwärmbewegung, auch wenn man sie angesichts der herbstlichen Temperaturen in Südschwaben als solche hätte deuten können. Nein, Gladbachs Schlussmann signalisierte seinen Mitspielern immer wieder, dass sie aufrücken sollten, er würde den Ball lang nach vorne schlagen, er hatte ja keine andere Option angesichts der vielen Augsburger, die bei Gladbacher Abstößen bereits an seinem Strafraum warteten.

Gladbachs Schaltzentrale sollte durch aggressives Pressing unter Druck gesetzt werden

Trainer Baum hatte sich etwas einfallen lassen, was im ersten Moment nicht besonders spektakulär klang, aber dennoch reichte, um Borussia Mönchengladbach über weite Strecken des Spiels deutlich auszubremsen. Augsburg lief mit einer Dreierkette auf - Rani Khedira rückte aus dem Mittelfeld zurück in die Verteidigung - und stellte mit Daniel Baier und Ja-Cheol Koo zwei Spieler ins zentrale Mittelfeld, die äußerst zweikampfstark und passsicher agierten. Soviel zu den Rahmenbedingungen. Augsburgs Taktik nämlich war weitaus interessanter als die personellen Umstellungen: Das aggressive Pressing sollte die Gladbacher Schaltzentrale, das bislang in dieser Saison so überraschend starke Trio aus Tobias Strobl, Jonas Hofmann und Florian Neuhaus, unter Druck setzen. Das funktionierte nahezu perfekt.

"Dass wir so hoch attackiert wurden, war ungewöhnlich. Augsburg hat Mann gegen Mann verteidigt", sagte Gladbachs Trainer Dieter Hecking auf der Pressekonferenz, er lächelte nach diesem Satz nicht. Die Borussia tat sich gerade in der ersten halben Stunde schwer, das beste Beispiel für die Effizienz des aggressiven Augsburger Fußballs war der Führungstreffer durch Michael Gregoritsch in der zwölften Minute: Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw eroberte an der Mittellinie den Ball, der über zwei Stationen zu Außenverteidiger Philipp Max gelangte. Dessen Halbfeldflanke unterschätzte Gladbachs Tony Jantschke wiederum so eklatant, dass Gregoritsch in der Mitte den Ball annehmen, sich drehen und dann an Sommer vorbei abschließen konnte. "Dass das meine Schuld ist, darüber brauchen wir nicht reden", sagte Jantschke später.

Daran, dass der Augsburger Hau-Ruck-Fußball der ersten Halbzeit bei weitem nicht risikofrei war, erinnerte kurz darauf Fabian Johnson, der nach einem Konter aus kurzer Distanz die Chance zum Ausgleich hatte, Gouweleeuw klärte jedoch auf der Linie. Aus einem "sehr intensiven Bundesligaspiel" (Hecking) entwickelte sich in der zweiten Halbzeit eine sehr intensive Schachpartie. Gladbach kam mit zwei neuen Spielern - Denis Zakaria im Mittelfeld und Alassane Plea im Sturm - und einer neuen Taktik aus der Kabine, einer Dreierkette. "Das hat nicht gut geklappt", sagte Jantschke nach dem Spiel: "Auf einmal haben wir den Augsburgern noch mehr Raum gegeben". Den nutzten sie jedoch nicht. "Das war unser Glück, mit den guten Möglichkeiten hätte Augsburg den Sack zu machen können", so Hecking, der ehrlich zugab, dass die Umstellung keine gute Idee gewesen war.

Beim FC Augsburg kam Felix Götze zu seinem Bundesligadebüt.

Also baute er seine Mannschaft erneut um und brachte die Viererkette aus der ersten Halbzeit zurück. Baum reagierte postwendend, er stellte nun wieder auf eine Dreierkette um. Zug um Zug duellierten sich beide Trainer so und hatten am Ende einzusehen, dass Fußballspiele oft nicht mit Formationen, sondern mit Toren entschieden werden. So wie dem Gladbacher Ausgleich durch den eingewechselten Pléa, der nach einer Ecke fiel und kurz für Aufregung sorgte, weil dem Tor ein Foulspiel im Strafraum vorangegangen sein soll: Für Schiedsrichter Frank Willenborg und den Video-Assistenten in Köln nicht klar genug, um einzuschreiten.

Das 1:1 in der 68. Minute führte dazu, dass das Spiel zur Ruhe kam, die beiden Schachspieler Baum und Hecking wechselten zwar noch, unter anderem kam beim FC Augsburg Felix Götze zu seinem Bundesligadebüt. In den letzten 20 Minuten jedoch schien man sich auf ein Patt zu einigen. "Wir nehmen den Punkt gerne mit", sagte daher Hecking nach dem Spiel. "Vier Punkte nach zwei Spielen, damit können wir leben", stimmte auch Baum in den Chorus der Zufriedenen ein, in dem auch Gladbachs Sportdirektor Max Eberl ("Ein guter Punkt auswärts") und Augsburgs Martin Hinteregger ("Sind mit der Ausbeute sehr zufrieden") ihre Strophe vortrugen. Beide Mannschaften stehen mit einem Sieg und einem Unentschieden nach zwei Spielen nun gut da. Von allen Beteiligten kaufte man die Zufriedenheit dennoch am ehesten Manuel Baum ab. Nicht zuletzt wegen seinem freundlichen Lächeln.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2018
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