Gladbach 0:3 gegen HSV:"Unfassbare Angst"

Hamburger SV's Lasogga and Borussia Moenchengladbach's Hazard and Jantschke jump for a ball during their Bundesliga first division soccer match in Moenchengladbach

Bild des Durcheinanders: Thorgan Hazard, vorne und Tony Jantschke kämpfen um den Ball.

(Foto: REUTERS)
  • Borussia Mönchengladbach verliert zu Hause gegen den Hamburger SV 0:3.
  • Mit vier Niederlagen startet der Klub so schlecht wie nie in eine Bundesliga-Saison.
  • Dabei beginnt nun das lang erträumte Abenteuer Champions League.
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Von Christopher Gerards, Mönchengladbach

Bruno Labbadia gab sich große Mühe, aber die Aufgabe war einfach zu schwer. Der Trainer des Hamburger SV saß spät am Freitagabend auf einem Podium im Mönchengladbacher Stadion, er hatte gerade gut eine Minute lang seine Mannschaft gelobt: die Präsenz, das Pressing, das Zusammenspiel. Am Ende seiner Ausführungen blickte Labbadia nach links, er versuchte jetzt noch, seinen Kollegen von Borussia Mönchengladbach aufzumuntern, mit ein paar netten Worte: "Lucien, viel Erfolg nächste Woche, vor allem für die Champions League. Da drück' ich euch die Daumen." Lucien Favre blickte nicht hinüber zu Labbadia. Er zog nur die Augenbrauen hoch.

Erfolg, Champions League - diese Worte tröpfelten vom Podium in den Presseraum, aber nach dem 0:3 der Borussia gegen den Hamburger SV musste man sich nochmal gut in Erinnerung rufen, wie der Klub überhaupt so weit kommen konnte. Vier Spiele, vier Niederlagen: Mönchengladbach, Dritter der vergangenen Saison, Teilnehmer der Champions League, ist noch nie derart schlecht in die Bundesliga gestartet. Labbadia hätte deshalb wünschen können, was er wollte: Cristiano Ronaldo als Stürmer, freie Liebe oder den ewigen Frieden. Favres Stimmung wäre nicht besser geworden.

"Das Vertrauen ist schnell weg", beklagt Trainer Favre

Dem Schweizer Trainer fielen mehrere Dinge ein, die ihn ärgerten. Zuallererst: die Gegentore. Der HSV habe in drei Situationen getroffen, in denen er keine Torchance hatte, sagte Favre, "wir geben die Tore her". Vor dem 0:1 geriet ein Rückpass von Tony Jantschke auf Torwart Yann Sommer zu kurz. Pierre-Michel Lasogga schnappte sich den Ball, umkurvte Sommer und schoss den HSV in Führung (11.). "Natürlich, das Vertrauen ist schnell weg", sagte Favre.

Die These vom mangelnden Selbstvertrauen vertrat auch Manager Max Eberl. "Unfassbare Angst " hatte er bei seinen Spielern gesehen. Keiner habe nach dem Rückstand den Ball gefordert, die Zweikämpfe seien nicht aggressiv genug geführt worden. Bälle versprangen, Pässe gingen zum Gegner. "Wenn der Kopf nicht funktioniert, dann kann die Technik nicht funktionieren", sagte Eberl. Allerdings war das nur ein Teil der Erklärung.

Es hat sich in Mönchengladbach ja die schöne Tradition entwickelt, dass Eberl und Favre Jahr für Jahr ihre besten Spieler zu ersetzen haben. Marco Reus ging einst zu Borussia Dortmund, Dante wechselte zum FC Bayern, so fing das 2012 an. Jüngste Fälle: die im Sommer gewechselten Max Kruse (zum VfL Wolfsburg) und Christoph Kramer (Bayer Leverkusen). Bei der Borussia klagen sie stets nur kurz über die Verluste. Denn es hat sich die weitere schöne Tradition entwickelt, dass Eberl und Favre Jahr für Jahr einfach neue beste Spieler holten und entwickelten.

Innenverteidiger Stranzl wird sechs bis acht Wochen fehlen

In dieser Saison hat sich allerdings noch niemand beworben, die Tradition fortzuführen. Das Spiel gegen den HSV offenbarte vielmehr einige Unwuchten im Kader. In Kramers altem Ressort, dem defensiven Mittelfeld, spielten Verteidiger Tony Jantschke und Havard Nordtveit, Granit Xhaka war gesperrt. Zwar gewannen beide einige Zweikämpfe, aber sie hatten große Mühe, das Spiel zu beschleunigen. Derweil betrachtete Kruse-Ersatz Josip Drmic die Partie von der Bank aus. Im Sturm spielten stattdessen Raffael und André Hahn. Die gönnten Hamburgs Torhüter Jaroslav Drobny einen ausgesprochen stressfreien Arbeitstag.

Stranzl ins Krankenhaus

Der HSV traf hingegen, ohne sich groß mühen zu müssen: Lasogga sprang bei einer Ecke höher als Jantschke, Havard Nordtveit und Roel Brouwers - und köpfelte das 0:2 (44.). Das 0:3 durfte Torwart Drobny vorbereiten. Er hatte einen Ball über Gladbachs Abwehr geschlagen, Nicolai Müller hob ihn ins Tor (52.). Und zu allem Überfluss rasselte der nach sechs Monaten Verletzungspause zurückgekehrte Gladbacher Kapitän Martin Stranzl bei einer Ecke mit Nordtveit zusammen. Stranzl musste ins Krankenhaus. Der 35-Jährige hat sich eine Fraktur der Augenhöhle zugezogen, er wurde bereits operiert. Der Leistungsträger, in den so viel Hoffnung gesetzt worden war, wird der Borussia nun sechs bis acht Wochen fehlen.

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Manager Eberl hat hinterher gleich drei Mal gesagt, wie "beschissen" er das alles fand: die Verletzung, das Spiel, den Saisonstart. Immerhin den Spielplan der Borussia hat er verschont. Dabei hätte Eberl angesichts der kommenden Termine guten Grund gehabt, ausfallend zu werden. Ausgerechnet nächsten Samstag trifft Mönchengladbach auf den ewigen Rivalen aus Köln. Und zuvor am Dienstag spielt die Borussia beim FC Sevilla, Champions League.

Er freue sich trotz allem darauf, die Champions-League-Hymne zu hören, hat Eberl noch gesagt und etwas gequält gelächelt. Nach Sevilla reise die Mannschaft zudem als Außenseiter. "Was haben wir zu verlieren?", fragte Eberl und antwortete einfach selbst: "Nichts."

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