Passiert es wieder? Der sicher geglaubte Sieg des durchaus talentierten Radrennfahrers Georg Steinhauser schien zu wanken. Denn ein anderer eventuell noch talentierterer Radrennfahrer machte sich auf, den 22 Jahre alten Deutschen noch zu überholen. Anders gesagt: Tadej Pogacar machte Tadej-Pogacar-Sachen. Am Schlussanstieg hob er sich aus dem Sattel und zog der Verfolgergruppe davon. Im Stile einer Maschine, bei der ein Gang höher geschaltet wurde. Der Vorsprung des führenden Steinhauser schmolz sekündlich dahin.
Doch es passierte nicht wieder. Steinhauser hielt dem Angriff stand, und spätestens als er noch vor dem Ziel die Arme in die Höhe streckte, erhärtete sich der Verdacht, dass dieser junge Allgäuer im deutschen Radsport künftig eine zentrale Rolle spielen könnte. Der Mittwoch wird ihm als bis dato größer Erfolg seiner jungen Laufbahn in Erinnerung bleiben, er ist der erste deutsche Etappensieger beim diesjährigen Giro d' Italia, der am Sonntag in Rom endet. Steinhauser gelang etwas, was manchen Radrennfahrern ein Leben lang verwehrt bleibt - oder blieb. Etwa Steinhausers Onkel, einem Mann namens Jan Ullrich.

Radsport:Esso statt SOS
Wegen des Wintereinbruchs in Südtirol erstreiten sich die Fahrer unter Streikandrohung eine Verlegung des Starts. Die 16. Etappe lässt die vereisten Bergpässe wegen Gefahrverzug aus und startet an einer Tankstelle im Flachland.
Ullrich fährt mit inzwischen 50 Jahren nicht mehr übertrieben viel Rad, dafür ist er auf Instagram aktiv, wo er seinem Neffen kurz nach dessen Zieleinfahrt an dem 1616 Metern hoch gelegenen Passo Brocon gratulierte: "Was für eine fabelhafte Leistung, was für ein Erfolg. Du hast es geschafft. Du hast es verdient", schrieb der - später wegen Dopings gesperrte - bis dato einzige deutsche Tour-de-France-Sieger von 1997 und postete ein Video der letzten Meter dieser 17. Etappe.
Der Radsport war stets Thema bei Steinhauser, aus familiären Gründen. Vater Tobias war selbst Profi, ihm gelang etwa ein fünfter Platz bei der WM im Jahr 2000. Bei Bianchi und T-Mobile war er ein enger Wegbegleiter Jan Ullrichs, der mit Georg Steinhausers Tante Sara zehn Jahre verheiratet war. Der Weg des jungen Steinhauser führte über das kleine Kontinental-Team Tirol KTM zuletzt zum US-amerikanischen Team EF Education-EasyPost. Vor seiner Profikarriere war er Metallbauer. "Es war mir wichtig, dass er als Jungspund zwischen 18 und 20 auch lernt, wie das richtige Leben funktioniert", sagte Steinhauser senior.
Den Gesamtführenden Pogacar zu bezwingen sei, "unglaublich", erklärte Steinhauser später selbst. "Er war richtig stark, er hat es sich verdient", lobte ihn der rosa gewandete Pogacar und hatte dabei wohl im Hinterkopf, dass Steinhauser schon als Dritter auf der Königsetappe am vergangenen Sonntag deutliche Hinweise auf Stärken am Berg hinterlassen hatte. Fast wie einst sein Onkel Jan.