Es war der 10. März 1998, als ein Italiener in München ein sprachliches Feuerwerk hinlegte, welches - aus heutiger Sicht - in die Reihe großer Redekunst ("Mitbürger! Freunde! Römer!") einzuordnen ist. Längst sind die von Giovanni Trapattoni vor genau 25 Jahren gewählten schwungvollen Formulierungen in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen: "Was erlauben Strunz?", "schwach wie eine Flasche leer", "Ich habe fertig", so sprach der damalige Bayern-München-Trainer, und es wäre zu wenig, würde man jetzt nur auf den heiteren Aspekt dieser Episode abzielen.
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Anlass für die Pressekonferenz des heute 83-Jährigen waren die beklagenswerten sportlichen Leistungen deutscher Vereins-Jammerlappen wie Scholl, Basler und Strunz. Gemischt mit viel Emotion, Pathos sowie leichten sprachlichen Unschärfen schaffte Trapattoni mit seiner dreieinhalbminütigen Ansprache etwas Besonderes: Er prägte Sprache mit. Später meinte er zwar bescheiden, er könne nicht "stolz auf einen Wutausbruch sein, in dem ich einen Haufen grammatikalischer Fehler gemacht habe", doch darum geht es nicht.
Bereits kurz nach seinem Auftritt fand sich "Ich habe fertig" zum Beispiel auf sozialdemokratischen Wahlplakaten (mit Bezug auf den damaligen Kanzler Helmut Kohl). "Was erlauben Strunz?" wurde zum Titel einer deutschen Fernsehsendung, und mit "Flasche leer" trat Trapattoni schließlich selbst auf - als Werbefigur für das Pfandflaschensystem einer deutschen Supermarktkette. Ja, sogar im "Lehrerkommentar zum Themenheft Deutsche Sprache der Gegenwart" aus dem renommiert zu nennenden Klett-Verlag findet sich seine Rede - als herausragendes Beispiel für die "Charakteristika einer Übergangsvarietät". Aber auch in Italien schuf Trapattoni Bleibendes: Sein assoziativer Reim "Mai dire gatto se non ce l'hai nel sacco" ("Sag nie Katze, wenn du sie nicht im Sack hast") ist dort recht beliebt.
Giovanni Trapattoni hat in München etwas Besonderes geschafft
Gerade in München aber ist Giovanni Trapattoni etwas gelungen, wofür sonst Gabriele D'Annunzio ("Memento audere semper!"), Cäsar ("Veni, vidi, vici") oder Horaz ("Carpe diem!") stehen: die Schaffung gleich mehrerer geflügelter Worte (im Italienischen nennt man sie "Parole d'autore"). Klammert man hier einmal den Aspekt der nicht ganz fehlerfrei beherrschten Fremdsprache aus, so bleibt vor allem Trapattonis stürmische Dynamik, die an die eines Roberto Benigni während der Oscarverleihung 1999 erinnert, auch an andere große italienische Darsteller wie Totò.
Erwähnt sei aber auch der wunderbare Satz Sergio Mattarellas kurz vor einer Fernsehansprache mitten in der Pandemie. Ein Mitarbeiter hatte dem Präsidenten zu Beginn der Aufzeichnung geraten, er solle sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischen. Mattarella aber sprach: "Eh, Giovanni, auch ich gehe gerade nicht zum Friseur." Und da der Satz nicht rausgeschnitten wurde, wurde er in Italien zum geflügelten Wort: "Eh, Giovanni, non vado dal barbiere nemmeno io."
Zum Auslachen jedenfalls taugt Trapattonis Rede keineswegs. Im Gegenteil: Selbst nach einem Vierteljahrhundert ist das Gesagte immer noch lebendig und steht für etwas, das nicht nur dem deutschen Profifußball mehr und mehr abzugehen scheint: echte Leidenschaft!
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Textversion wurde auch Don-Camillo-Darsteller Fernandel als italienischer Schauspieler erwähnt. Fernandel allerdings ist Franzose.