Transfermarkt im Fußball:Ablösefrei ist nicht mehr gleich ablösefrei

Transfermarkt im Fußball: Denis Zakaria (links) und Matthias Ginter (rechts) haben schon ihren Abschied aus Mönchengladbach angekündigt - wer wird folgen?

Denis Zakaria (links) und Matthias Ginter (rechts) haben schon ihren Abschied aus Mönchengladbach angekündigt - wer wird folgen?

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der Fall Matthias Ginter zeigt, wie Corona den europäischen Transfermarkt verändert hat - und welche neuen Probleme manche Klubs bekommen. Was gestern richtig war, kann heute falsch sein.

Kommentar von Christof Kneer

Wäre Max Eberl nicht so ein entspannter Typ, könnte man ihn für einen Streber halten. Der Sportchef von Borussia Mönchengladbach hat seine Hausaufgaben meist schon gemacht, bevor die anderen überhaupt die Hefte rausholen, und wenn die anderen sich noch mit dem aktuellen Lernstoff rumschlagen, ist er in der Regel schon eine Lektion weiter. Angenehmerweise verzichtet Eberl allerdings darauf, "fertig!" zu rufen, wenn er als Erster fertig ist. Er ist dann einfach fertig und meist schon wieder entspannt.

Max Streberl hat es auf seine Art zu einem stilbildenden Manager gebracht, der deutlich mehr kann als nur Spieler kaufen. Was er besonders gut kann, ist Spieler verkaufen. So hat er zum Beispiel Xhaka, Hazard und Vestergaard jeweils klar über Tarif abgegeben und für eine viel geringere Gebühr talentierte Nachfolger besorgt.

Für Gladbachs Manager Eberl ist das ein Worst-Case-Szenario

Auf diese Weise ist seine Borussia nicht nur erfolgreich, sondern auch einigermaßen wohlhabend geworden, und jetzt kommt also die Nachricht, dass Max Eberl die Nationalspieler Matthias Ginter und Denis Zakaria verliert, ohne einen einzigen Cent für sie zu kassieren.

Der Fall Ginter/Zakaria zeigt alles, was man über den Corona-Transfermarkt wissen muss. Der Transfermarkt ist in der Pandemie abgründig und gemein geworden, er quält jetzt sogar seine Besten. Max Eberl hat nach den alten Regeln alles richtig gemacht, aber nach den neuen Regeln ist alles plötzlich falsch. Ginter und Zakaria kamen einst für schnäppchenartige 17 bzw. zwölf Millionen nach Gladbach und waren die perfekten Kandidaten, um sie zu überhöhten Tarifen den Engländern anzudrehen - aber weil sie Verträge bis 2022 besitzen, hätte dies nach Branchenlogik im Sommer 2021 passieren müssen.

Im Sommer 2021 aber saß der europäische Transfermarkt in der Quarantäne fest, handlungsfähig waren nur die Klubs, die von ihren Emiraten oder Oligarchen freigetestet wurden. So gab es für Ginter und Zakaria schlicht kein Angebot, weil die potenziell interessierten Klubs sparen mussten - und um ihre Verträge zu verlängern, dazu fehlte wiederum den Gladbachern das Geld.

Ginter/Süle/Rüdiger: Die komplette DFB-Abwehr kommt im Sommer auf den Markt

Im Sommer werden Ginter und Zakaria also ablösefrei vom Hof gehen, für Eberl das Worst-Case-Szenario. Aber der Manager ist selbstverständlich schlau genug, um zu wissen, dass er mit diesem Szenario nicht allein ist. Wenn der Streberleberl wollte, könnte er den Verteidiger Ginter durch andere ablösefreie Verteidiger ersetzen, allein in der Bundesliga laufen im Sommer 2022 die Verträge der Abwehrspieler Zagadou (Dortmund), Stark (Hertha), Friedrich, Knoche (Union), Kempf (Stuttgart) und Pieper (Bielefeld) aus.

So wie Gladbach geht es in der Pandemie nahezu allen, inklusive des FC Bayern, dem ebenfalls ein Ginter-Schicksal bevorsteht: Auch die Verabredung mit Niklas Süle endet im Sommer, und obwohl sie es sich leisten könnten, scheuen die Münchner in Zeiten der Pandemie die Investition in einen neuen Vertrag. Im Übrigen ist den Bayern bekannt, dass auch Antonio Rüdigers Vertrag mit dem FC Chelsea ausläuft. Die deutsche Nationalmannschaftsabwehr Ginter/Süle/Rüdiger kommt im Sommer komplett auf den Markt.

Tatsächlich dürfte Corona so viele ablösefreie Spieler hervorbringen, wie es sie in keinem Sommer zuvor gab. Und auch in diesem Fall hat das Virus das Potenzial, eine Gesellschaft zu spalten - in (wenige) Superstars wie Mbappé, Pogba oder Dembélé, die ihre Ablösefreiheit auskosten und schamlose Handgelder herausschlagen werden; in (einige) Topspieler wie Süle, Ginter, Rüdiger oder Zakaria, die immer noch gute Vereine und gute Handgelder bekommen dürften; und in (viele) Durchschnittsprofis, für die "ablösefrei" erst mal das neue "arbeitslos" sein könnte.

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