Am Dienstagnachmittag unternahm Reinhard Grindel den letzten Vorstoß, um seine gut bezahlten Vorstandsämter im Fußball-Weltverband Fifa und in der Europa-Union Uefa doch noch zu retten. In der Schweiz traf er sich nach SZ-Informationen mit hohen internationalen Funktionären, um seine Lage zu eruieren. Spätestens bei diesen Gesprächen dürfte ihm klar geworden sein, dass er seine Position nicht halten kann.
Am Mittwochnachmittag verkündete Grindel dann, dass er sich von seinen internationalen Ämtern zurückziehe. Dies habe er dem Uefa-Präsidenten Aleksander Ceferin in einem Brief mitgeteilt. Er übernehme "die Verantwortung auf nationaler und internationaler Ebene", erklärte Grindel: "Es geht mir vor allem darum, den guten Ruf der Uefa zu schützen. Außerdem möchte ich den Weg der Fifa zu mehr Transparenz und Good Governance nicht belasten." Für die beiden Ämter erhielt Grindel zuletzt fast 500 000 Euro pro Jahr.
Damit ist der steile Absturz Grindels aus den einflussreichsten Sphären des Fußballgeschäfts endgültig besiegelt. Vor Wochenfrist war Grindel unter dem Eindruck verschiedener Affären als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurückgetreten. Er selbst bezog sich bei seinem Rücktritt alleine auf ein Uhren-Geschenk des ukrainischen Oligarchen und Fußball-Funktionärs Grigorij Surkis, das er falsch eingeschätzt habe. Aber zugleich gab es auch viel Kritik, weil er in seiner Anfangszeit als DFB-Chef zusätzlich zu einer Aufwandsentschädigung von 7200 Euro monatlich und einem Verdienstausfall von ebenfalls 7200 Euro monatlich als Aufsichtsratschef einer DFB-Tochtergesellschaft weitere 6000 Euro monatlich bezog - und dies nicht dem Präsidium meldete. Beide Vorgänge beschäftigen inzwischen die Behörden - und auch die Ethikkommission des DFB, die sich in einer Telefonkonferenz am Mittwochabend damit befasste, aber noch zu keinem Ergebnis kam.
Aufgrund von Grindels Rücktritt wird der deutsche Fußball in den internationalen Spitzengremien zunächst nicht vertreten sein. Die Ämter in der Uefa und in der Fifa sind an die Person gebunden; der DFB hat kein automatisches Recht, einen Nachrücker zu nominieren. Anzunehmen ist zwar, dass sich die Uefa-Spitze auf Dauer keinen Vorstand wünscht, in dem ein so einflussreicher Verband wie der DFB nicht vertreten ist. Doch bis zum Kongress im März 2020 wird Grindels Uefa-Vorstandsplatz verwaist bleiben. Nur in sein Fifa-Amt könnte die Uefa sofort einen Nachfolger entsenden - sie kann aber auch da bis zu den Wahlen Anfang 2020 warten.
Damit spitzt sich die Frage zu, wie sich der deutsche Fußball personell neu aufstellt. Die Debatten um die Nachfolge Grindels treiben seit einer Woche wilde Blüten, während die wirklichen Entscheider an der Spitze von DFB und DFL betonen, es gehe ihnen zuerst um die Struktur, erst dann ums Personal. Und alle haben daran zu kauen, dass die letzten drei Präsidenten ihre Amtszeit nicht vollendeten; wiewohl dafür unterschiedliche Gründe vorlagen.
Theo Zwanziger hatte in seiner Amtszeit zwar manch internen Zank zu überstehen. Aber Ende 2011 waren sogar Präsidiumsmitglieder überrascht, als er ankündigte, als Präsident vorzeitig zurückzutreten, weil er in Deutschland keine großen Herausforderungen mehr sah. Bei den Nachfolgern indes gab es großen Druck. Wolfgang Niersbach musste mitten im Sommermärchen-Skandal gehen, wegen seines Umgangs mit der Affäre und seiner unklaren Rolle bei den Millionen-Schiebereien vor der WM 2006, die zu Strafermittlungen führten. Bei Grindel waren es mit der Vergütungs- und der Uhren-Affäre ebenfalls Themen, die die Behörden interessieren.
Üblich war bisher, dass ein gewählter DFB-Präsident kurz danach auch die internationalen Ämter anstrebte. Nun könnten die aktuellen Struktur- und Personaldebatten auch darauf hinauslaufen, dass künftig nicht alle Posten in einer Person vereinigt werden.