Gianluigi Buffon bei der Fußball-WM:Gigi zum Halten

Fußball-WM, Gianluigi Buffon, Italienische Nationalmannschaft

Rückgrat seiner Mannschaft: Gianluigi Buffon (re.)

(Foto: AP)

Ein angeblich gefälschtes Abiturzeugnis, Abstieg in Liga zwei, schwere Depressionen: Italiens Torwart Gianluigi Buffon hat viele Schwierigkeiten überwunden, heute ist er unumstrittener Kapitän der Nationalmannschaft. Vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Uruguay klammern sich die Azzurri an den 36-Jährigen.

Von Birgit Schönau

Wenn es ernst wird, spricht der Kapitän. Bei seiner fünften WM hat es Gianluigi Buffon, genannt Gigi, mit einem Gegner zu tun, den der 36-jährige Torwart nur allzu gut kennt: Ansia, jene italienische Variante der deutschen Angst, die stets etwas oberflächlicher und nervöser daher kommt, aber deshalb nicht lähmender wirkt.

Ansia erfüllt das Warten auf Uruguay, zu Hause in Italien und in Brasilien, und noch größer als die Furcht vor Luis Suárez und Edinson Cavani ist die Angst vor einer unsterblichen Blamage. Endstation Vorrunde, die Squadra Azzurra vor dem Achtelfinale geschlagen, wie bereits 2010 - für Buffon, der in vier Jahren kaum noch dabei sein wird, wäre das der größte Albtraum. "Eine Bankrotterklärung", sagt er, "das wissen wir alle, und niemand würde versuchen, das zu beschönigen."

Buffon bringt Erfolg

Aber noch ist es nicht soweit, noch kann man Uruguay besiegen ("Auf Unentschieden spielen wir nicht") und vor allem die Ansia bezwingen, in letzterem kann Buffon eine gewisse Routine vorweisen. "Ich bestreite gerade das zehnte Turnier mit der Nationalmannschaft, und nur einmal haben wir es geschafft, bereits qualifiziert ins dritte Spiel zu ziehen", nämlich beim Confederations Cup 2013. Was jetzt nicht bedeuten solle, dass Italien immer erst dann in Wallung käme, "wenn uns das Wasser bis zum Hals steht. Das wäre ja fast masochistisch. Was allerdings stimmt ist: Wenn es ernst wird, reagieren wir gewöhnlich". Und gewöhnlich mit Gianluigi Buffon im Tor.

Das Ausscheiden bei der WM in Südafrika musste der Kapitän als Zuschauer miterleben, nachdem er sich zu Anfang des ersten Spiels verletzt hatte. Damals bangte Buffon sogar um seine Karriere bei Juventus Turin und in der Nationalmannschaft, doch bei der EM 2012 führte er die Azzurri schon wieder ins Finale.

Den Gedanken, jetzt an Uruguay zu scheitern, schiebt er weit von sich: "Wir sind nicht die stärkste Mannschaft des Turniers, aber auch nicht jene, die ihr gegen Costa Rica gesehen habt." Dass Uruguay ja auch nicht gerade Weltklasse ist, muss Buffon nicht sagen, das erledigt für ihn sein Ex-Trainer Marcello Lippi. "Als Mannschaft ist Italien besser", glaubt Lippi. "Uruguay hat Cavani und Suarez. Der Rest erscheint mir als nichts Besonderes." Inklusive der drei "Italiener" Martin Caceres (Juventus), Walter Gargano (Parma) und Alvaro Gonzalez (Lazio Rom).

Mit Uruguays Duo infernale hatte Buffon zuletzt beim Confederations Cup zu tun. Drei Mal unterlag er Cavani, einmal Suárez, beim entscheidenden Elfmeterschießen sicherten Buffons Paraden Italien den dritten Platz. Als Cavani noch beim SSC Neapel spielte, duellierte dieser sich oft mit dem Schlussmann von Juventus, an Buffon kam er selten vorbei. Einmal bezwang Napoli den Erzgegner mit drei Treffern von Cavani, aber Buffon stand nicht im Tor.

Italien wuchs mit Buffon, Buffon wuchs mit Italien

Am Dienstag, in der Mittagssonne, wird es zwischen den beiden zum Final Countdown kommen, wenn es schlecht läuft, wird es Buffons letzter Einsatz bei den Azzurri. Eine Ära würde zu Ende gehen, in der Italien mit Buffon wuchs, vor allem aber Buffon mit Italien. Angefangen hatte es 1997, Buffon war ein Schlaks mit der typischen großen Klappe seiner Heimatregion Toskana, der zwar für Italien antrat, aber Kamerun die Daumen drückte.

Damals verdiente Buffon bereits beim AC Parma gutes Geld, stand aber unverdrossen in der Fankurve von Carrarese 1908 aus seiner Heimatstadt Carrara. Ein Typ mit riesigen Händen und eigenem Kopf, letzteres war manchmal ein Problem, nicht nur für Buffon. Mal galt er als rechtsextrem (stets dementiert), mal als irrer Zocker (gelegentlich dementiert), mal tauchte ein gefälschtes Abiturzeugnis auf, mit dem sich Gigi Nazionale für ein Jura-Studium einschrieb (nicht dementiert, es folgte ein gerichtlicher Vergleich).

Auch die Karriere verlief nicht so glatt, wie es bei Buffons großem Talent zu erwarten gewesen wäre, am Tag nach dem siegreichen WM-Finale 2006 fand sich der Weltmeister mit Juventus in der zweiten Liga wieder, es folgte ein schwieriges Jahr in der Fußballprovinz, über das Gigi später sagte, er habe überhaupt noch nirgends so viel Spaß gehabt.

Fehler eingestehen, Fehler ausbügeln

Er blieb bei Juve, er gewann drei Meistertitel, längst ist er unentbehrlich, im Klub wie bei der Nationalmannschaft. Buffon, der viele körperliche Blessuren und eine Zeit schwerer Depressionen erleiden musste, gilt heute als Rückgrat seiner Mannschaften. Fehler einzugestehen und auszubügeln, Schwierigkeiten zu überwinden, all das hat Buffon sehr öffentlich vorgespielt und vorgelebt. Bis er das wurde, was er jetzt unumstritten ist: il capitano, der Kapitän.

Die Zeit als Zocker ist vorbei, Buffon hat inzwischen seinen alten Klub Carrarese gekauft, aber auch den Mehrheitsanteil an einer Wäschefirma übernommen. Kurz vor der WM trennte er sich von seiner Ehefrau und Mutter seiner zwei Kinder, kolportiert (und nicht dementiert) wird eine Beziehung mit der Sportjournalistin Ilaria D'Amico, einer ebenso schönen wie kompetenten, übrigens politisch linken Fernsehfrau. Diskret wie noch nie fängt Torwart Gianluigi Buffon also gerade ein neues Leben an. Ein Auftritt im Achtelfinale ist darin fest eingeplant.

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