Süddeutsche Zeitung

Diego Maradona:Sternenstaub in Meppen

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Der Tod des großen Argentiniers weckt Erinnerungen an einen Auftritt in der norddeutschen Provinz. 1982 gastierte Maradona mit Barcelona im Emsland - unser Autor war dabei und blickt zurück.

Von Holger Gertz

"Der Ball wird nicht befleckt": Diese Weisheit des Diego Maradona ist inzwischen jedermann geläufig, 1982 war das noch nicht so. Im August 1982 war Maradona ein hypertalentierter Wuschelkopf, gerade zum FC Barcelona transferiert, und sein allererstes Spiel im neuen Verein fand statt: beim SV Meppen, Amateur-Oberligist aus dem Emsland. Dieser Klub hatte sich zum 70. Geburtstag ein Freundschaftsspiel gegen Barcelona gegönnt. Es war unglaublich: Maradona würde nach Meppen kommen. Und ich würde auch nach Meppen kommen.

Ich war 13 und komplett fußballverrückt gerade, die WM 1982 hatte ich rauf und runter geguckt im Fernsehen, Maradonas erstes großes Turnier. Wir wohnten in Oldenburg, das ist von Meppen nicht so weit entfernt, aber zu weit für eine Fahrradtour. Mein Vater musste mich mit dem Auto hinbringen. Problem 1: Mein Vater fährt nicht gerne lange Strecken.

Problem 2: Mein Vater hat null Interesse am Fußball, Maradona war ihm egal. Ich schuf Fakten. Bestellte das Ticket, man konnte da anrufen in Meppen, dann kam das per Post und wurde von mir selbst vom Taschengeld per Nachnahme bezahlt. 9 Mark, glaube ich, nicht zu viel für Maradona. Und weil's nun schon bezahlt war, gab es für meinen sparsamen Vater keinen Ausweg - ihm war Maradona egal, aber ihm war das Geld nicht egal, das ich für Maradona schon ausgegeben hatte. Er fuhr mich hin.

Ich hatte Panini-Sammelbilder dabei und einen Lederball, natürlich unbefleckt, den ich signieren lassen wollte, aber als wir in Meppen im Stadion ankamen, waren da schon Tausende Jungs in meinem Alter, in meiner Größe. Es gibt bei Youtube Mitschnitte, Arnd Zeigler hatte auch einen Beitrag neulich: Maradona zieht die Kinder schon beim Aufwärmen wie Sternenstaub hinter sich her. Später, beim Spiel, sitzen die Leute praktisch auf der Außenlinie.

Maradona wurde in Meppen bestaunt und beobachtet, wie fortan an jedem Tag in seinem Leben. Nur nicht von meinem Vater. Der war vorm Stadion geblieben, Maradona war ihm egal. Im Inneren des Stadions ging es um was. Hermann Eiting, Maradonas Gegenspieler, hatte angekündigt: "Ich versuche die Differenz zwischen meinem Wert, vielleicht 1000 Mark, und Maradonas Wert, also 19 Millionen, etwas zu verkleinern."

Ich weiß noch, dass wir alle nach Spielschluss wieder losrannten, wegen der Autogramme. 3:0 für Barcelona, oder 5:0? Egal. Wir rannten, aber von dem Punkt an erinnert sich jeder anders. Im Internet behaupten dauernd Leute, Maradona hätte alles ganz geduldig unterschrieben. Ich sah seinen Wuschelkopf zwar in einer Fan-Traube, aber ich kam nicht an ihn ran. Und dann war er im Mannschaftsbus verschwunden. Und mein Ball war nicht befleckt. Aber auch nicht signiert.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2020
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