Gerd Niebaum vor Gericht:Abgestürzt in der Tabelle und im Leben

Ex-BVB-Präsident Niebaum; Ex-BVB-Präsident Niebaum

Der ehemalige BVB-Präsident Niebaum vor Gericht.

(Foto: dpa)

Gerd Niebaum war ein erfolgreicher BVB-Präsident, doch dann ging es für ihn genauso steil bergab wie für den Klub. Dortmund kämpft gegen den Abstieg - und Niebaum erwartet ein Gerichtsurteil.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Gerd Niebaum schaute müde und teilnahmslos, wenn ihm in den vergangenen fünf Wochen im Saal 136 des Dortmunder Landgerichts seine Vergangenheit vorgehalten wurde. Niebaum ist geübt in solcher Mimik. Schon vor elf Jahren hatte er als scheidender Präsident von Borussia Dortmund nahezu ungerührt eine Horrorbilanz vermeldet, die den großen, stolzen Fußballklub beinahe in die Insolvenz gestürzt hätte. Im Sichtbereich oberhalb der Tischkante war Niebaum jetzt auch im Gerichtssaal ein aufgeräumter Anzugträger. Doch unter der Tischkante schlug er im Stakkato die Schuhe gegeneinander oder knipste in die Stille des Gerichtssaals hinein so lange die Mine seines Kugelschreibers rein und raus, bis ihm sein Anwalt etwas ins Ohr flüsterte.

Auch an diesem Freitag wird Niebaum seine Nervosität zu überspielen versuchen. Dann soll das Urteil gesprochen werden.

Niebaum, 66, ist eine ambivalente Persönlichkeit. Er hat gewissermaßen zwei Facetten: Er war ein jovialer BVB-Präsident, der jedoch 2004 geächtet abtreten musste. Er war der dominante Chef einer erfolgreichen Großkanzlei - bis er 2011 seine Anwaltszulassung verlor. Und er war mal ein selbstbewusster Big Player der Bundesliga - nun musste er leise erzählen, das Beste an seinem gegenwärtigen Leben sei, dass er vor zwei Jahren Großvater geworden ist.

Über den Kreditbetrug und die Urkundenfälschung vor zehn Jahren sagte Niebaum : "Ich kann mich heute in den damaligen Handlungen nicht wiedererkennen."

Am 14. November 2004 war Niebaum als BVB-Präsident zurückgetreten, am 9. Februar 2005 auch als Geschäftsführer. Niebaum hatte die Borussia für 150 Millionen Euro an die Börse gebracht, das Stadion für 75 Euro an einen Banken-Fonds verkauft und die Markenrechte für 20 Millionen Euro verpfändet - doch bei seinem Abgang plagten die Aktiengesellschaft Schulden von etwa 150 Millionen Euro. Weitere Verbindlichkeiten durch den Ausbau des Dortmunder Stadions zu Deutschlands größter Fußballarena waren da noch gar nicht mit einberechnet.

Niebaums Ruf war ruiniert. Vielleicht auch deshalb gebärdete er sich bei seinen privaten Schulden, die ebenfalls in den hohen Millionenbereich gingen, recht ungeniert. Er nahm mit unvollständigen und gefälschten Vermögensangaben Kredite bei Banken in ganz Deutschland auf. Er überwies sich selbst von einem Konto, für das er als Testamentsvollstrecker Sorge zu tragen hatte, 460 000 Euro "als Darlehen". Und er verlängerte die Rückzahlfrist für einen 600 000-Euro-Kredit seines zwischenzeitlich verstorbenen Schwagers, indem er dessen Unterschrift fälschte. Niebaum war in jener Zeit vor ungefähr zehn Jahren privat mit mehr als 17 Millionen Euro verschuldet und ließ beim Versuch, zu Geld zu kommen, jeden Anstand vermissen.

"Ich war 2005 und in den darauffolgenden Jahren in einer schwierigen Situation", sagt er heute reumütig. Anwalt Götz Reuker ergänzt für seinen Mandanten: "Diverse Immobiliengeschäfte hatten sich nicht so entwickelt wie erhofft." Vor dem Landgericht zeigte sich Niebaum demütig und geständig, er hofft auf eine Bewährungsstrafe: "Diese Regelüberschreitungen damals tun mir leid", sagt er über die Verfehlungen. Weitere Anklagepunkte, nach denen er zudem Mandantengelder veruntreut habe, sind vom Prozess abgekoppelt worden, weil deren Aufklärung länger dauert.

Sukzessive bergauf, dann steil bergab

Die Wendungen im Leben von Gerd Niebaum und die Entwicklung des ihm damals anvertrauten Bundesligisten Borussia Dortmund zeigen auffällige Ähnlichkeiten. Zunächst ging es sukzessive bergauf, dann steil bergab. Niebaum war im Jahr 1986 vom Amtsgericht Dortmund in den Notvorstand eines auch damals überschuldeten BVB berufen worden - und er päppelte den Klub derart wieder auf, dass man in den Neunzigerjahren zwei Meistertitel und den Gewinn der Champions League (1997 im Finale gegen Juventus Turin) feierte. Niebaum wurde zu einem Dortmunder Helden. Seine Kanzlei, die er 1993 von einem verstorbenen Kollegen übernommen hatte, florierte. "Die Praxis entwickelte sich sehr solide, wohl auch, weil ich im Ehrenamt Präsident von Borussia Dortmund war", sagte Niebaum nun vor Gericht. Der erfolgreiche BVB-Chef wurde zugleich ein immer erfolgreicherer Unternehmer. In der Blütezeit beschäftigte seine Kanzlei 14 Anwälte und 35 Mitarbeiter.

Gerd Niebaum besitzt immer noch eine Dauerkarte, aber er kommt nicht mehr ins Stadion

Doch mit dem Niedergang des Fußballklubs trübte sich auch die Karriere des Anwalts Niebaum ein. Die Parallelen im hochriskanten Umgang mit Kapital sind dabei deutlich erkennbar. Größere Kanzleiräume wurden erst bezogen und dann wieder geräumt. Niebaum geriet in Liquiditätsnot, behielt Mandantengelder ein und nahm bei etlichen Finanzinstituten Kredite auf, indem er sie täuschte. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft nannte seine damaligen Vermögensverhältnisse in der Anklageschrift mehrfach "desolat".

Heute, sagt Gerd Niebaum, lebe er "von den Ersparnissen der Familie". Er wohnt allerdings noch immer in einer Villa (offizieller Verkehrswert: 910 000 Euro), nur etwa einen Kilometer südlich jenes Stadions, in dem die aktuelle Mannschaft von Borussia Dortmund an diesem Freitag, den Dreizehnten, gegen Mainz ihren eigenen sportlichen Absturz endgültig zu beenden versucht. Gerd Niebaum wird dann vermutlich wieder nicht im Stadion sein.

Er besitzt zwar eine Dauerkarte, geht im Gegensatz zu seinem damaligen Kompagnon, dem Manager Michael Meier, aber nie ins Stadion und lässt sich auch sonst in der Stadt kaum mehr blicken.

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