Es ist erst vier Wochen her, da war der strahlende aktuelle Toptorjäger der Europameisterschaft am Boden zerstört. Da ist der Georgier Georges Mikautadze mit dem FC Metz recht dramatisch in die zweite französische Liga abgestiegen. Im Relegationsrückspiel gegen den Zweitligisten AS Saint-Étienne kassierte sein Team den vernichtenden Gegentreffer vier Minuten vor dem Ende der Verlängerung.
Der FC Metz hat den von Ajax Amsterdam ausgeliehenen Mikautadze dann trotz des Abstiegs für 13 Millionen Euro fest verpflichtet. Allerdings geht in Frankreich niemand davon aus, dass der 23-Jährige in der kommenden Saison auch wirklich in Metz spielen wird. Der als Sohn georgischer Eltern in Lyon geborene Mikautadze hat sich durch drei bemerkenswerte Auftritte mit der georgischen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in eine gute Position gebracht. Er wird seinen schon vor der EM geäußerten Wunsch verwirklichen, bei einem anderen Klub weiter in der ersten Liga spielen zu können. AS Monaco, RC Lens und sein Heimatverein Olympique Lyon gelten als Interessenten. Und wer weiß wer bald noch alles. Für Metz soll sich der Deal lohnen, weil man für Mikautadze mindestens 20 Millionen Euro aufruft.
Niemand hat die EM-Debütanten aus Georgien im Achtelfinale erwartet. Erst recht hätte niemand gedacht, dass der Toptorschütze nach der Gruppenphase Georges Mikautadze heißt. Zwar hat er zwei seiner drei Treffer per Elfmeter erzielt, trotzdem steht Mikautadze jetzt allein an der Spitze der Torjägerliste im Rampenlicht. Er profitiert auch davon, dass Topstürmer wie Kylian Mbappé, Harry Kane und Cristiano Ronaldo bislang Ladehemmungen haben.
Mikautadze spielt im georgischen 5-3-2-System in einer Doppelspitze an der Seite des neapolitanischen Stars Chwitscha Kwarazchelia. Er hat beim 1:3 gegen die Türkei aus dem Spiel heraus zum zwischenzeitlichen Ausgleich getroffen, hat beim 1:1 gegen Tschechien per Elfmeter die 1:0-Führung erzielt und beim 2:0 gegen Portugal das zweite Tor, ebenfalls per Elfmeter. Kwarazchelias Treffer zum 1:0 bereitete er zudem mit einem perfekt getimten Steilpass vor. Mikautadze erfüllt so ziemlich alle Anforderungen des vom Nationaltrainer Willy Sagnol entworfenen Pressing- und Umschaltfußballs. Das Fachblatt Kicker hat ihn in die All-Star-Elf der Vorrunde berufen.
Auch Borussia Dortmund wird plötzlich als Interessent gehandelt
Kein Wunder, dass der zuvor international eher unbedeutende Stürmer plötzlich als heimlicher Star des sommerlichen Transfermarkts gilt. Womöglich geben sich bald auch Interessenten aus anderen Ligen zu erkennen. Am Sonntagabend um 21 Uhr spielen die Georgier ihr Achtelfinale in Köln gegen Spanien. Das wird die ultimative Prüfung für jene georgische Mannschaft, die mit Geschlossenheit und Leidenschaft spielt sowie mit dem steten Ziel, die Heimat stolz zu machen. Im finalen Gruppenspiel haben sie so die favorisierten Portugiesen ausgekontert. Genauso wie für Kwarazchelia war auch für Mikautadze das Spiel gegen sein Kindheitsidol Cristiano Ronaldo von besonderer Emotionalität. Ronaldos Trikot hat allerdings Kwarazchelia erstanden. Er ist und bleibt der Star dieses Überraschungsteams.
Dabei profitiert Mikautadze vor allem vom georgischen Kollektiv. In keiner relevanten Vorrundenstatistik (außer in der Torschützenliste) findet man ihn auf dem vordersten Platz. Am häufigsten aufs Tor geschossen hat in der EM-Vorrunde der Portugiese Cristiano Ronaldo (12), die meisten guten Pässe hat Toni Kroos gespielt (326), die meisten erfolgreichen Dribblings vollführten der Franzose Ousmane Dembélé und der Belgier Jeremy Doku (je 22), der schnellste Spieler war der Slowene Benjamin Sesko (35,9 km/h), am meisten gelaufen ist der Albaner Ylber Ramadani (37,5 Kilometer). Mikautadze vereint viele positive Eigenschaften, aber ohne die beiden Elfmeter stünde er jetzt nicht so im Fokus.
Dass plötzlich sogar Borussia Dortmund als Interessent gehandelt wird, basiert eher auf Indizien. Seit Kurzem ist beim BVB bekanntlich wieder jener Sven Mislintat als Kaderplaner tätig, der das im Sommer 2023 in ähnlicher Funktion für ein paar Monate auch in Amsterdam war. In jener Zeit hat Ajax Mikautadze für 16 Millionen Euro vom FC Metz verpflichtet. Bei Ajax konnte sich Mikautadze allerdings nicht durchsetzen und wurde nach nur vier Monaten per Leihe wieder an den FC Metz zurückgegeben. Mislintat kennt Mikautadze also tatsächlich schon.
Die Frage ist bloß, ob Mikautadze überhaupt ins Dortmunder Beuteschema passt. Als er vor einem Jahr zu Ajax wechselte, sagte Mislintat damals über ihn: „Wenn man sieht, was er kann, dann kann er vorne auf allen Positionen spielen.“ Das ist eine These, die Mikautadze erstens im georgischen Team bestätigt, und die ihn zweitens für viele Vereine interessant macht. Man darf gespannt sein, was er gegen die Spanier zeigt.