Gekaufte Fans bei Handball-WM:Eingeflogen fürs Klatschen

Qatar 2015 M28 SLO vs QAT

Katar-Fans bei der Handball-WM: Auffällig spanisch

(Foto: Robert Ghement/dpa)

Schon seltsam: Obwohl Handball in Katar kaum einer kennt, wird das Team bei der WM von vielen Fans unterstützt. Das sind allerdings extra angeheuerte Spanier. Auch Deutsche sind der verlockenden Einladung des Gastgebers gefolgt.

Von Joachim Mölter, Doha

Am Montagabend war zum ersten Mal so richtig Stimmung bei der Handball-WM in Doha, es gab so etwas wie ein Spitzenspiel. Gastgeber Katar gegen den WM-Vierten Slowenien, zwei bis dahin unbesiegte Teams in der Vorrundengruppe A, die 15 300 Zuschauer fassende Lusail Multipurpose Hall war wenigstens mal zu fast zwei Dritteln voll.

Auf den billigen Plätzen, oben unter der Decke, wedelte das einfache Volk mit Fähnchen. Weiter unten saßen einheimische Schüler und Studenten in den traditionellen weißen Gewändern, den Dischdaschas, und der typischen Kopfbedeckung Arabiens. In einer Ecke trommelten und trompeteten pausenlos ein paar Dutzend Menschen in den Nationalfarben Katars, in bordeauxroten T-Shirts mit weißen Ärmeln und Schultern. Sie schafften es sogar, eine Welle in Gang zu bringen, die einige Male über die Tribünen schwappte. Und sie sangen: "Vamos Qatar!" - auf geht's, Katar!

Die rund 60 Handball-Fans, die seit WM-Beginn für die Mannschaft aus Katar trommeln und trompeten, sind aus Spanien eingeflogen worden, Klatsch-Spanier aus Valencia, Cuenca, Arranda und Puerto de Sagunto. Sie haben bereits eine gewisse Bekanntheit in Doha erlangt, die Zeitung Gulf Times rühmte sie als "die lautesten Fans, die Katar finden konnte, um seine Mannschaft anzufeuern". In europäischen Medien wurden sie freilich als "gekaufte Fans" kritisiert, weil sie auf Einladung des Organisationskomitees hier sind. "Wir bekommen nur die Reisekosten bezahlt", also Flug und Unterbringung samt Vollpension, sagt Carla, eine der jungen Frauen aus der Gruppe. Eintrittskarten und T-Shirts gab's obendrauf für die Klatsch-Spanier.

Flug, Unterbringung und Vollpension werden bezahlt, dazu gibt es Karten und T-Shirts

Dafür machen die Spanier den ganzen Tag Stimmung für die von ihrem Landsmann Valero Rivera trainierte Auswahl Katars, auch an diesem Mittwoch, wenn Katar im nächsten Vorrunden-Spitzenspiel auf ihre eigenen Landsleute trifft, also die Mannschaft Spaniens, des ebenfalls noch unbesiegten Titelverteidigers. "Solange Katar im Turnier ist, sind wir für Katar", versichert ein gewisser Pablo, der sich die Landesfarben sogar ins Gesicht gemalt hat. Und Katar wird noch eine Weile im Turnier bleiben: Mit dem 31:29 über Slowenien hat das Team bereits vorzeitig das Achtelfinale erreicht.

Die spanischen Fans sind nicht die einzigen, die derzeit auf Kosten Katars bei der WM weilen. Aus Deutschland sind 18 Männer und Frauen einer Einladung gefolgt, die kurz vor Weihnachten an den "Freundeskreis des Deutschen Handballs" (FDDH) gegangen ist. Für diese 18 übernimmt das Organisationskomitee Flug-, Unterkunft-, Visa-, Ticket- und Transportkosten in Doha, solange die deutsche Mannschaft im Wettbewerb ist. Die Gegenleistung, die die WM-Gastgeber wollten: "Unsere Nationalmannschaft zu unterstützen, an Fantreffen teilzunehmen und mit unserer Teilnahme eine internationale Handball-Atmosphäre in den verschiedenen Arenen herzustellen", wie es in einem Schreiben des FDDH an seine interessierten Mitglieder heißt.

Tickets schon für fünf Euro

Wie viele Handball-Freunde aus aller Welt nach Doha eingeflogen worden sind, um eine internationale Atmosphäre in den drei WM-Arenen herzustellen, ist nicht bekannt. Hassan Moustafa, der Präsident des Weltverbandes IHF, sagte dem Magazin "Handball Time" im vorigen Sommer: "Katar will wenigstens 5000 Leute einladen, vielleicht sogar 10 000." Auch Journalisten haben solche Offerten bekommen, auch deutsche haben sie angenommen. "Das Emirat sieht die Handball-WM als gute Gelegenheit, sich der Welt zu präsentieren", erklärte Moustafa damals weiter: "Es will die Veranstaltung nutzen und Menschen in das kleine Land bringen."

Die Eintrittspreise sind moderat, das allgemeine Interesse ist gering

Katar hat ja schon den Zuschlag für die Fußball-WM 2022 bekommen, und alles deutet daraufhin, dass es sich in absehbarer Zeit auch um die Ausrichtung von Olympischen Spielen bewerben wird. Um die Kritik zu entkräften, die es in der Welt an allen damit zusammenhängenden Vorhaben gibt, will das Land zeigen, dass es internationale Sportveranstaltungen organisieren, Tribünen füllen, gute Stimmung in den Stadien schaffen kann. All das versuchen die Katarer derzeit bei der Handball-WM, etwa mit moderaten Eintrittspreisen: Die billigsten Tickets für zwei Vorrundenspiele kosten 25 katarische Rial, umgerechnet etwa fünf, sechs Euro; selbst die teuersten Plätze für das Finale am 1. Februar sind vergleichsweise günstig, zumal in dem Staat mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt (rund 100 000 US-Dollar): Schon für 500 Rial, also etwas mehr als 100 Euro, sitzt man direkt am Spielfeldrand.

Trotz der einladenden Eintrittspreise und der kaum zu übersehenden WM-Werbung in Katars Hauptstadt bleiben die Hallen meist gespenstisch leer, wenn nicht gerade die Katarer spielen. Das allgemeine Interesse ist eher gering, für manche Partien wird selbst die offizielle (also in der Regel eher hochgeschraubte) Zuschauerzahl nur mit 600, 700 angegeben.

Spieler und Trainer verschwenden an die ungewohnt geringe Resonanz freilich keine Gedanken. Bundestrainer Dagur Sigurdsson beispielsweise gibt zu bedenken: "Die Zuschauerzahl ist ja immer für beide Mannschaften gleich." Und der deutsche Mannschaftskapitän Uwe Gensheimer sagt: "Für uns ist es natürlich schöner, wenn die Halle voll ist, aber wir nehmen es so, wie es ist. Es war auch bei anderen Turnieren schon so, dass die Hallen nicht voll waren."

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