Süddeutsche Zeitung

Gehaltsobergrenze im Fußball:Ein hemmungslos zu begrüßender Vorschlag

Lesezeit: 2 min

Der Fußball braucht ein Bekenntnis zur sozialeren Marktwirtschaft - und an dem neuen Vorstoß zur Deckelung der Saläre wird man sehen, ob Beteuerungen während der Corona-Pause wenigstens ein bisschen ernst gemeint waren.

Kommentar von Christof Kneer

Manchmal lässt der Fußballgott erkennen, dass er doch einen Sinn für Ironie hat. So kann es vorkommen, dass er einen Verein über die Maßen reich beschenkt und dann mit gewissem Amüsement zusieht, wie sich der Luxus auch mal in ein Problem verwandelt. Warum David Alaba seinen Vertrag beim über die Maßen reich beschenkten FC Bayern noch nicht verlängert hat? Weil er immer schon mal in Barcelona oder Manchester wohnen wollte? Weil es einen Klub gibt, der ihm seinen Traum erfüllt, im Mittelfeld zu spielen? Weil er eine neue Sprache lernen möchte, außer Wienerisch?

Kann alles sein. Es könnte aber auch sein, dass David Alaba weiß oder mindestens ahnt, was Lucas Hernandez verdient. Und dass er dann denkt: Wieso sagen hier eigentlich alle, ich bin der Abwehrchef, und dieser andere Abwehrspieler da, der fast nie spielt, verdient viel mehr als ich?

In der Branche wird viel und wild spekuliert, auch über jene zirka 20 Millionen, die der FC Bayern - angeblich - pro Jahr an Hernandez überweist. Keine Spekulation ist aber, dass sich Wertschätzung in diesem irren Gewerbe mehr als anderswo in ein paar Millionen mehr oder weniger bemisst. Schon Toni Kroos hat die Bayern damals verlassen, weil er so viel verdienen wollte (und nicht durfte) wie Mario Götze.

Manchmal wenden sich die Millionen also gegen ihre Besitzer, aber das sind nur die ironischen Ausnahmen. Die Regel ist dagegen an den Tabellen der Topligen ablesbar: da, wo Bayern, Juventus Turin und Paris immer Meister werden, wo Barcelona und Real Madrid dominieren und in England sich zwei, drei Klubs den Wettbewerb unter den Nagel gerissen haben.

In diesem Sinne ist die neue Offensive aus Deutschland hemmungslos zu begrüßen. Zur rechten Zeit kommen jene auf Initiative des DFB-Ethikkomitee-Vorsitzenden Thomas Oppermann erstellten Gutachten, wonach die Einführung einer Gehaltsobergrenze "nach deutschem und europäischem Recht zulässig sein" könnte. Weil, so eine Begründung, die Obergrenze darauf abziele, "dem Verlust der Chancengleichheit (...) entgegen zu wirken und die Wettbewerbsgerechtigkeit zu fördern". Eine alte Debatte, die lange mit diesem Argument abgewürgt wurde: Eine Obergrenze bringe eh' nix, weil die Klubs sie eh' umgehen würden. Das stimmt vermutlich sogar. Aber es ist kein Argument dagegen.

Dass der Fußball ein Bekenntnis zu einer deutlich sozialeren Marktwirtschaft braucht, müsste in der Corona-Krise auch den Superreichen aufgefallen sein. Ihr Superreichtum bringt ja auch nichts mehr, wenn ihnen die anderen Teams, die man zumindest zum Besiegen noch braucht, insolvenzbedingt wegsterben. So dürfte sich in der Gehälterdebatte nun zeigen, ob der Betrieb unter Solidaritätsprinzipien überhaupt noch handlungsfähig ist.

Die Mehrheit der Klubs wird diesen Vorstoß bejubeln, auch DFB und DFL werden ihm wohlwollend begegnen, und so wird man nun also bald erfahren, ob die allsonntäglichen Solidaritätsbekundungen der Topklubs zumindest ein bisschen ernst gemeint sind. Erinnert man sich an das hinter den Kulissen betriebene Getuschel über eine geschlossene europäische Eliteliga, darf man daran zweifeln.

In der Kunst der taktischen Aussage haben es die Großklubs weit gebracht, kurze Hörprobe bei Karl-Heinz Rummenigge, dem Chef vom Alaba-Verein: Der Sportgerichtshof Cas habe "keine tolle Arbeit geleistet", als er die Superreichen von Manchester City ungestraft davonkommen ließ, mahnte Rummenigge kürzlich brav. Wenig später nannte er den sagenhaft umstrittenen Fifa-Präsidenten Giovanni Infantino "einen Freund des Fußballs".

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SZ vom 04.08.2020
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