Gefühlsduseleien des Spieltags:Die Tränen des Rüpels

Kevin Großkreutz zeigt seine sensible Seite. Bei Sandro Wagner gehen die Gefühle auf andere Weise mit ihm durch. Die Gefühlsduseleien des Spieltags.

Ivica Olic

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Ihr seid die besten Fans der Welt", rief Ivica Olic den Anhängern des Hamburger SV zu. Der laufstarke Stürmer hatte gegen den VfL Wolfsburg seine letzten Bundesliga-Minuten abgeackert - HSV-Trainer Bruno Labbadia hatte dem 36-Jährigen so einen Wunsch erfüllt. "Hier hatte ich mein erstes Bundesliga-Spiel und ich habe davon geträumt, dass ich hier auch meine letztes haben werde", sagte Olic nach dem Spiel. Der Abschied des Publikumlieblings dürfte im Hamburger Volksparkstadion nostalgische Erinnerungen an die erfolgreiche Zeit im Europapokal geweckt haben. Es war Olic' beste Zeit beim HSV (2007 bis 2009) und die beste Zeit der Hamburger in den vergangenen neun Jahren. Der Stürmer, der immer wirkte, als hätte er Energie für fünf Spiele nacheinander, schoss in diesen zwei Jahren 29 Tore. Nach seinen Stationen in München und Wolfsburg kehrte er im Winter 2015 zurück. Doch es lief nicht mehr so gut für den Dauerläufer (zwei Treffer), Labbadia sortierte ihn aus. Trotzdem hofft Olic auf baldige Glanzzeiten in Hamburg: "Ich wünsche dem HSV und seinen tollen Fans, dass es bald besser läuft." (tbr)

Sandro Wagner

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(Foto: dpa)

Als Darmstadts Sandro Wagner in Richtung Kabinengang lief, versuchten einige Hertha-Fans an den Stürmer heranzukommen. Sie wollten nicht etwa eine Unterschrift, sie waren viel mehr auf Revanche aus. Der Torjubel des Ex-Herthaners nach dem Siegtreffer missfiel den Berlinern, Wagner hatte sich den Finger vor den Mund gehalten und provozierend das Darmstadt-Logo geküsst. Der Gang in die Kabine endete für Wagner also im Sprint. "Da sind viele Emotionen dabei. Ich wurde hier nicht so schön weggeschickt", erklärte Wagner seinen Jubel und bezog sich auf seinen Wechsel von Hertha vergangenen Sommer. Ein schöner Abschied aus Berlin gelang dem Stürmer also wieder nicht. Die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte und der gesicherte Klassenverbleib wirbelten die Gefühle von Wagner mächtig durcheinander. "Normal habe ich viel zu sagen, heute eher wenig. Mir fehlen die Worte", sagte der 28-Jährige bei Sky. Als er dann doch noch ein paar fand, wogen diese umso schwerer. "Ich habe Darmstadt viel zu verdanken. Es war vielleicht mein letztes Spiel", sagte der Stürmer. Der Abschied steht bevor, England ist wohl das Ziel. Vielleicht bekommt Wagner ja in Darmstadt einen Abschied mit schönen Emotionen. (tbr)

Kevin Großkreutz

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(Foto: imago/Michael Weber)

Kevin Großkreutz war früher einmal als Rüpel bekannt. Er warf mit Dönern um sich, er pinkelte in Hotellobbys. Doch der Absturz des VfB Stuttgart und der drohende Abstieg brachten an diesem Spieltag Großkreutz' sensible Seite hervor. Nach der Pleite gegen Mainz 05 stellte er sich im TV-Interview von Sky. Die Niederlage hatte sichtlich an ihm gezehrt. "Ich kann die Fans verstehen. Wir sind verantwortlich dafür. Ich bin sprachlos. Tut mir leid für die Fans", sagte Großkreutz mit brechender Stimme und Tränen in den Augen. Die Reaktion des Verteidigers zeigt, warum die VfB-Anhänger ihn verehren. Er ist authentisch, er ist einer von ihnen: ein Fußballfan im Profigewand. Seine Tränen sprechen von der unheimlichen Bürde des Abstiegskampfs und des Drucks, der auf den Spielern lastet. Eine Partie bleibt den Stuttgartern noch, um den Klassenverbleib zu sichern und aus den Tränen von Großkreutz Freudentränen zu machen. (tbr)

Ralph Hasenhüttl

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(Foto: imago/Bernd Müller)

Bei einigen Fans des FC Ingolstadt waren die Emotionen falsch gesteuert beim letzten Heimspiel der Saison. Als ihr scheidender Trainer Ralph Hasenhüttl sich verneigte, um sich zu verabschieden, gellten einige Pfiffe aus dem Block. Auch Plakate mit Aufschriften wie "Lieber Rangnicks Hofnarr als König der Schanzer?" hielten sie in die Höhe. Der Weggang ihres "Königs" zu RB Leipzig hat sie schwer getroffen. Doch die Wut galt wohl eigentlich dem frischgebackenen Erstliga-Aufsteiger, der Hasenhüttl für kolportierte 1,5 Millionen Euro Ablöse wegschnappte. Eins wurde klar: Hasenhüttl wird in Ingolstadt schmerzlich vermisst werden. Er hat die Ingolstädter Fußball gelehrt, mit dem sie den Aufstieg schafften und sogar den Klassenverbleib. Zum Abschluss lehrte der Österreicher die wütenden FCI-Fans dann, wie ein erstklassiger Abschied aussieht. "Wir hatten hier eine tolle Zeit. Das vergisst man nicht so schnell und die Fans glaube ich auch nicht", sagte er auf der Pressekonferenz. "Ich bin sehr stolz auf das, was wir heute und in den letzten drei Jahren geleistet haben." Dann brach er in Tränen aus. (tbr)

Pep Guardiola

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Dass dieser Pep Guardiola ein ziemlicher Eisklotz sei, der zu so etwas wie Mitgefühl nicht fähig ist, konnte man in den Tagen nach dem Halbfinal-Aus in der Champions League häufig lesen. Doch wie wenig zutreffend und sogar völlig falsch diese Beschreibung ist, wurde den zahlreichen Kritikern am Samstag nach dem 2:1-Sieg des FC Bayern mal wieder vor Augen geführt, mit dem sich die Münchner als erster Erstligist den vierten Meistertitel nacheinander sicherten. Guardiola saß hinterher auf dem Podium und selbst sein Trainerkollege Ralph Hasenhüttl stellte anschließend bewegt fest. "Pep, du bist nicht nur ein Riesentrainer, du bist auch unglaublich bescheiden. Du hast diese Mannschaft noch mal auf eine unglaubliche Stufe gehoben." Guardiola hatte nicht sich oder seinen Spielern die neue Bestmarke im deutschen Fußball zugeschrieben, sondern seinem Vorgänger. "Ich möchte diesen Titel mit Jupp Heynckes teilen", sagte der Katalane leise: "Wir haben etwas Besonderes geschafft. Für mich ist es eine große Ehre, zusammen mit Jupp Heynckes diese vier Titel zu gewinnen. Es gibt viele, viele Legenden von Bayern München, aber er ist für mich eine richtige Legende von Bayern München." Pep Guardiola beendete seine warmen und großen Worte mit dem Satz: "Ich hoffe, bevor ich nach England gehe, kann ich ihn sehen und unseren Erfolg feiern. Jupp, das ist für dich." (schma)

Ron-Robert Zieler

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Als Ron-Robert Zieler ging, konnte er noch keine Nachsendeadresse angeben: Der Nationaltorwart weiß noch nicht, wo er in der kommenden Spielzeit spielen wird. Er wird Hannover allerdings verlassen, so viel steht fest, jenen Klub, für den er vor fünf Jahren zuletzt ein Bundesligaspiel verpasst hat. Den Abstieg konnte auch Zieler nicht verhindern, da seine Mannschaft, abgesehen von Zieler selbst, in den vergangenen Monaten viel zu selten Bundesligaformat zeigte. Und so wurde das letzte Heimspiel Zielers zur emotionalen Angelegenheit. Er drehte eine Ehrenrunde, wurde vom ganzen Stadion beklatscht. Er habe es "noch einmal extrem genossen", sagte Zieler: "Es war ein perfekter Tag, auch für mich persönlich." 96 konnte das Abschiedsspiel seines Torwarts tatsächlich gewinnen, 1:0 gegen Hoffenheim, das versöhnliche Ende einer Horrorsaison. Für Teile der Mannschaft geht die Reise in der zweiten Liga weiter, für Zieler vielleicht sogar im Ausland. Er wisse wirklich noch nicht, wo er künftig zwischen den Pfosten stehe, sagte Zieler zum Abschied. (ebc)

Daniel Bierofka

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Daniel Bierofka rieb sich nach Spielende die Augen und blickte wie jemand drein, der sich etwas verlegen ein paar Freudentränen aus den Grübchen wischt, als er auf dem Rasen stand. Es war allerdings kein emotionaler Ausbruch, kein Moment der Rührung, den die Menschen im Stadion nach dem 1:0 von 1860 München gegen Paderborn beim Trainer beobachten konnten, der den Klub vorzeitig den Klassenverbleib in der zweiten Liga sicherte. Sie wohnten lediglich dem Ende einer großen Plackerei bei. "Das waren keine Tränen, sondern Schweiß", klärte Bierofka auf. Die letzten Minuten seien körperlich anstrengend gewesen, fügte er hinzu: "Ich wollte in den hektischen Schlussminuten verhindern, dass wir noch ein Gegentor hinnehmen müssen." Nie zuvor war die Ausrede eines Fußballlehrers rührseliger. (schma)

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