90. Geburtstag von Ernst Happel:Grantler, Zocker, Fußball-Genie

Erfinder des Pressings, 19 Titel, dazu eine sagenhafte Neigung zu Zigaretten, Wein und Spielkarten: Der legendäre Trainer Ernst Happel wäre heute 90 geworden. Eines konnte er nicht leiden: Journalisten.

19 Bilder

Photo Call Hamburger SV

Quelle: Getty Images

1 / 19

Ernst Happel. Wer Österreichs Fußball bisweilen ein bisschen verlacht, der vergisst, dass dieses Land eines der genialsten Trainer herausgebracht hat, den es je in diesem Sport gab. 19 Titel und Pokale gewann Ernst Happel mit sieben Vereinen in vier Ländern. Im Bild posiert er mit der deutschen Meisterschaft und dem Europapokal der Landesmeister für den Hamburger SV 1983. Dazu führte der die niederländische Nationalmannschaft 1978 ins WM-Finale. An diesem Sonntag wäre er 90 Jahre alt geworden.

Ernst Happel

Quelle: Getty Images

2 / 19

Ernst Happel war allerdings auch ein hervorragender Spieler. Am 29. November 1925 in Wien geboren, schloss er sich bald Rapid Wien an, obwohl der Klub am anderen Ende der Stadt lag. Er entwickelte sich zu einem besten Verteidiger seiner Zeit. 1951 fuhr er mit der Nationalmannschaft nach England zu einem Länderspiel und ließ sich von einem Masseur behandeln.

Eawatchf AP I   NETHERLANDS APHS SOCCER HAPPEL ZEMAN

Quelle: picture alliance / AP

3 / 19

1953 gehörte er zusammen mit Walter Zeman zur Weltmannschaft, die wieder in Wembley gegen England spielte. Mit dem Torwart verband ihn eine Geschichte, die viel über den Kicker Happel aussagte. Im letzten Testspiel vor der WM 1954 gegen eine Auswahl der Alpenliga drehte sich Happel plötzlich Richtung eigenes Tor und schießt dem Rapid-Kollegen aus 20 Metern den Ball ins eigene Netz. Der Legende nach ließ sich Happel von den Zuschauern feiern und rief Zeman zu: "Was willst du sein? Der Panther von Glasgow? Das Arschloch von Hütteldorf bist!"

-

Quelle: imago

4 / 19

Das an Arroganz grenzende Selbstbewusstsein führte die Österreicher bis ins Halbfinale der WM. Doch da gab es eine barsche Niederlage gegen Deutschland: 1:6. Im Bild kommt Happel zu spät gegen Ottmar Walter, der das vierte Tor erzielt.

Eawatchf AP I   SWEDEN APHS SWEDEN WORLD CUP

Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PR

5 / 19

Happel galt als genial, aber auch als unberechenbar und bisweilen zu verspielt. 1958 nahm er an seiner zweiten WM teil, zum Auftakt gegen Brasilien (im Bild) setzte es aber ein 0:3. Angeblich war er danach mit zwei Kollegen bis weit nach dem Zapfenstreich unterwegs und flog für das zweite Spiel aus der Mannschaft. Österreich schied aus. Nach der WM spielte Happel nur noch einmal für das Nationalteam, es war sein 51. Länderspiel.

-

Quelle: imago

6 / 19

Direkt nach seiner aktiven Laufbahn wechselt Happel bei Rapid ins Amt des Sportlichen Leiters. Drei Jahre später, 1962, geht er zu ADO Den Haag und trainiert erstmals eine Mannschaft. Seinen ersten Titel (Pokalsieger) holt er 1968 und beginnt, an seiner eigenen Legende zu schreiben.

Feyenoord Rotterdam gewinnt den Europapokal der Landesmeister 1969 1970 Trainer Ernst Happel ist o

Quelle: imago

7 / 19

Es folgten fünf Jahre in Rotterdam, wo er bis heute verehrt wird. Gleich das Double aus Meisterschaft und Pokal, 1970 dann der Sieg im Europapokal der Landesmeister. 2:1 gegen Celtic Glasgow, entscheidendes Tor in der 117. Minute.

-

Quelle: imago

8 / 19

1971 folgte der Sieg im Weltpokal gegen Estudiantes de La Plata. In Rotterdam kam er wunderbar an mit seiner grummeligen Art und dem subtilen Witz. Einerseits forderte er absolute Disziplin von den Spielern und war stets der erste auf dem Trainingsplatz. Andererseits erzog er sie zur Selbstbestimmung. So bleiben Sätze hängen wie: "Ich habe kein Rauchverbot bei meinen Spielern. Ich will nur keinen rauchen sehen."

-

Quelle: imago

9 / 19

So sahen 1972 Fußballtrainer aus. Ernst Happel hatte nie ein Trainerdiplom gemacht. Und doch war er ein Revolutionär des Spiels, der Erfinder des offensiven Pressings. Er forderte Mannschaftsgeist und Teamgeist, und obwohl er fast nie mit den Spielern redete, verstand er es, sie durch sein Wissen und seine Analysen zu begeistern. "Fußball wird zu 80 Prozent mit dem Kopf und nur zu 20 Prozent mit den Füßen gespielt", sagte er.

Trainer Ernst Happel FC Sevilla gönnt sich ein Gläschen PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxPOLxJPNxO

Quelle: imago

10 / 19

1973 wechselte er nach Spanien, zum FC Sevilla. Es war sein einziger Klub, mit dem er keinen Titel holte. "Da hat und wollte mich keiner verstehen - und erst die Hitze!" Vielleicht lag es an seinem inzwischen bereits eigenwilligen Sprachstil, irgendwas zwischen Wienerisch, Hochdeutsch und Flämisch. Immerhin waren die Bars in Sevilla nett, was für den Kettenraucher, Campari- und Weinliebhaber nicht zu unterschätzen war.

-

Quelle: imago

11 / 19

Weil er in Spanien nicht glücklich wurde, ging er zurück in den Benelux, diesmal zum FC Brügge nach Belgien. Dort wurde er dreimal Meister und einmal Pokalsieger. Der Wiener Junge, der einst bei seiner Großmutter aufwuchs, war Ende der siebziger Jahre eine Trainer-Sensation.

-

Quelle: imago

12 / 19

Mit der Öffentlichkeit konnte er sich allerdings nie anfreunden. "Ich bin überhaupt kein Grantler. Ich kann unterhaltsam sein. Aber ab und zu, wenn ich einen Journalisten seh', fang ich zu granteln an." Als niederländischer Nationaltrainer 1978 bei der WM in Argentinien kam er um einige Fragerunden nicht herum. Später sagte er: "Ich bin Fußballtrainer, wenn ich Schriftsteller wäre, könnte ich einen Roman erzählen." Oder: Es würden manchmal "idiotische Fragen gestellt, und ich soll die dann beantworten".

-

Quelle: imago

13 / 19

Es waren Zeiten, da konnten Trainer auf der Bank noch rauchen. In Argentinien führte Happel die Niederländer bis ins Finale - scheiterte dort aber am Gastgeber mit 1:3 nach Verlängerung. Es war ein kurioses Spiel mit vielen Ungereimtheiten und seltsamen Schiedsrichterpfiffen. Happel hätte auch Weltmeister werden können.

Trainer Ernst Happel Hamburger SV mit Lebensgefährtin Annemarie DEUTSCHSPRACHIGE SPORTZEITSCHRIFTE

Quelle: imago

14 / 19

Nach zwei Jahren bei Standard Lüttich folgte er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Annemarie dem Ruf der Bundesliga. Der Hamburger SV engagierte 1981 diesen kauzigen, aber genialen Trainer und sollte mit ihm die beste Zeit der Klubgeschichte erleben. Dabei lernte die Hansestadt auch den Zocker Happel kennen. Sein Spieler Felix Magath schrieb später: "Ob Fußball, Roulette, Black Jack oder Poker - Happel faszinierte alles." Nach Trainingsschluss sei er immer direkt in die Kabine gegangen, wo der Zeugwart schon die Karten bereit hielt.

DEU: Arrival Airport Hamburger SV

Quelle: Bongarts/Getty Images

15 / 19

Am 25. Mai 1983 dann der große Europapokal-Triumph in Athen: 1:0 gegen Juventus Turin mit Michel Platini. Er hatte somit auch das Trainerduell gegen Giovanni Trapattoni für sich entschieden.

-

Quelle: imago

16 / 19

Danach lief es nicht mehr ganz so gut für den HSV mit Trainer Happel und Manager Netzer (rechts im Bild). Doch der Sprachmix des Wieners blieb einzigartig, nach einem Spiel in München erklärte er: "Wir hätten können einen Rückstand haben. Den ham wir sowieso dann erreicht. Wir hätten können genauso einen Vorsprung ham. Des ist Ansichtssache. Ich danke."

DEU: German Cup Final - Hamburger SV v Stuttgarter Kickers

Quelle: Bongarts/Getty Images

17 / 19

1987 dann der bis heute letzte Titel für den HSV: der Sieg im DFB-Pokal. Ernst Happel hatte da schon eine Magenoperation hinter sich. Es gab fortan immer wieder Gerüchte über Erkrankungen Happels. Jedenfalls verließ er Hamburg. "Sechs Jahre bei einem Verein sind genug", sagte er nur.

UEFA Pokal Achtelfinale FC Tirol FC Liverpool Trainer Ernst Happel Tirol

Quelle: imago

18 / 19

Überraschend ging er zurück in die Heimat Österreich, aber nicht nach Wien, sondern nach Innsbruck. Mit dem FC Tirol holte er zweimal die Meisterschaft und einmal den Pokal. Doch der Krebs nagte immer mehr an seinem Körper. Dabei ignorierte er die Krankheit öffentlich und sprach stets von einem "Virus", obwohl er wusste, dass er nicht mehr gesund werden würde.

-

Quelle: imago

19 / 19

1991, kurz vor Weihnachten, übernahm er als Trainer tatsächlich noch die Nationalmannschaft Österreichs. Dabei hatte er zuvor gesagt: "Ich bin zwar Patriot, aber kein Idiot." Vier Tage vor einem Länderspiel gegen Deutschland, am 14. November 1992, starb Ernst Happel mit 66 Jahren. Sein Begräbnis ähnelte einem Staatsakt, Bundeskanzler Franz Vranitzky sagte in der Gedenkrede: "Der österreichische und der internationale Fußball, die ihm so viel zu verdanken haben, sind ohne Happel ärmer." Kurz darauf benannte die Stadt Wien das Praterstadion in Ernst-Happel-Stadion um.

© SZ/hum/sonn
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: