Gebrselassie in Trier:Dem Lächler geht das Lächeln aus

Ein Weltstar in der Provinz: Wie der äthiopische Ausnahmeläufer Haile Gebrselassie beim Trierer Silvesterlauf einen regelrechten Hype entfacht.

Johannes Aumüller, Trier

Konfetti gehörte bislang eher selten zu den Gegnern von Haile Gebrselassie, doch am letzten Tag des Jahres muss der Äthiopier miterleben, dass die kleinen Papierschnipsel so ihre Tücken haben. Der 36-Jährige steht im Zentrum des Trierer Silvesterlaufes, seit Tagen dreht sich in Deutschlands ältester Stadt alles um den Auftritt des Ausnahmeläufers, und Haile Gebrselassie weiß ganz genau, was er in diesem Rennen über acht Kilometer leisten muss. Erstens: gewinnen. Zweitens: den zwölf Jahre alten Streckenrekord von 22:21 Minuten unterbieten.

Haile Gebrselassie, dpa

Konfetti mit Tücken und mittendrin: Haile Gebrselassie.

(Foto: Foto: dpa)

Doch während er das erste Ziel souverän bewältigt, scheitert er bei der zweiten Aufgabe knapp, und das wiederum liegt unter anderem an dem glitschigen Boden, über den er laufen muss, vor allem aber an dem vielen Konfetti, das die Zuschauer entlang der acht Mal zu bewältigenden Ein-Kilometer-Runde beim Auftauchen des Äthiopiers werfen und das sich Gebrselassie etliche Male aus den Augen wischen muss. "Schade, aber es hat trotzdem Spaß gemacht", sagte Gebrselassie nach dem Lauf und fischte sich noch ein paar Papierschnipsel aus dem Gesicht.

Haile-Manie in der Provinz

Der große Haile im kleinen Trier, ein Weltstar in der Provinz. Noch nie zuvor hatte Gebrselassie außerhalb von Berlin ein deutsches Straßenrennen bestritten, nun war es den Machern des Trierer Silvesterlaufs gelungen, für die 20. Auflage ihrer Laufveranstaltung den zweimaligen Olympiasieger und sechsmaligen Weltmeister zu verpflichten. Und weil der 36-Jährige nicht nur zu den erfolgreichsten, sondern auch zu den charismatischsten Spitzensportlern gehört, brach in Deutschlands ältester Stadt so etwas wie eine Haile-Manie aus.

Der Äthiopier ist noch keine Stunde in der Stadt, da erlebt er die Euphorie schon genau. Es ist der Tag vor dem Lauf und es ist der Tag, an dem selbst einem Dauerlächler wie ihm das Lächeln ausgeht. Gebrselassie ist gerade erst aus Addis Abeba eingeflogen, sitzt im Foyer eines örtlichen Geldinstituts und hat jede Menge Wünsche zu erfüllen. Eine kurze Autogrammstunde hatten die Organisatoren der Laufveranstaltung eingeplant, doch aus den veranschlagten 15 Minuten werden rasch 45, so groß ist das Interesse an dem Ausnahmeathleten aus Äthiopien, und solch eine lange Zeit kann selbst Haile Gebrselassie nicht durchstrahlen.

Ähnliches gilt wenig später bei der Pressekonferenz, als der gemeinhin immer freundliche Gebrselassie bei den Ausführungen der örtlichen Honorationen ein kurzes Gähnen und einen raschen Blick zur Uhr nur schwer unterdrücken kann. Aber die Verantwortlichen und die Stadt sind sehr stolz auf ihre Verpflichtung, da müssen schon ein paar nette Auftritte drin sein, inklusive der Verkleidung als Gladiator vor der Porta Nigra, dem Wahrzeichen der ehemaligen Römer-Stadt.

Seit 20 Jahren gibt es den Trierer Silvesterlauf, und in dieser Zeit hat er sich zu einem der größten sportlichen Jahresausklänge entwickelt. Unter den rund 150 bundesweiten Laufveranstaltungen gehörte er auch schon in den vergangenen Jahren zu den am besten besetzten. Doch bei der 20. Auflage wollten die Veranstalter noch einmal für besonderes Aufsehen sorgen - und verpflichteten Gebrselassie.

Kleines Missverständnis - ja und?

Und die Strategie ging auf: Die regionale Tageszeitung begann bereits 20 Tage vor dem Rennen ihren täglichen Countdown. Die Meldungen für die insgesamt 2400 Startplätze in den verschiedenen Rennen gingen so schnell und so zahlreich ein wie noch nie. Die Zuschauerzahl (rund 20.000) bedeutete eine Rekordmarke. Aber: Auch das Budget war trotz Wirtschaftskrise das höchste in der Geschichte der Veranstaltung. Von 100.000 auf geschätzte 150.000 Euro stieg der Etat an, nicht nur wegen Gebrselassie, sondern auch wegen einer großen Jubiläumsparty.

Haile Gebrselassie, dpa

Mit Römerhelm und Schwert vor der Porta Nigra in Trier: Der Weltrekordhalter im Marathon, Haile Gebrselassie aus Äthiopien.

(Foto: Foto: dpa)

Aber er dürfte sich für ihn schon ordentlich rentiert haben, dieser Auftritt in Trier. Immerhin unterbrach Gebrselassie für diesen Trip sogar die Vorbereitung auf sein nächstes großes Ziel, den Marathon in Dubai am 22. Januar, wo er seinen 15 Monate alten Weltrekord unterbieten und die dafür angesetzte Gage in Höhe von einer Million Dollar einstreichen will. Und immerhin wagte er sogar den Start auf einem nicht ganz ungefährlichen Boden, die Runde in Trier führt über Kopfsteinpflaster, das besonders bei Nässe tückisch werden kann.

Doch davon ließ sich Gebrselassie nicht abhalten. Auch nicht von dem Regen, der kurz vor dem Start einsetzte. Und auch nicht von einem Missverständnis während des Rennens, als er dem Führungsfahrzeug folgte, aber zu spät begriff, dass das Führungsfahrzeug in dieser Runde die Strecke verließ und Gebrselassie so für ein paar Momente in die falsche Richtung rannte.

Von Beginn an lag der Äthiopier vorne, von Beginn an glaubten er und die Zuschauer an einen neuen Streckenrekord - bis kurz vor dem Ziel dem Dauerlächler das zweite Mal binnen zweier Tage das Lächeln ausging. Als er nämlich auf der Zielgeraden begriff, dass er den Streckenrekord knapp verpassen würde, um ganze 1,5 Sekunden. "Ich dachte während des Rennens, ich würde die Zeit schaffen, und war dann ganz überrascht, dass es nicht geklappt hat", sagte Gebrselassie bei der Siegerehrung, jetzt natürlich wieder mit einem Lächeln und immer noch mit Konfetti im Gesicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: