Galopprennen in Riem:Ausgeschlafen zum Sieg

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03.10.2021, Paris, FRA - Torquator Tasso right with Rene Piechulek up wins the 100. Prix de l Arc de Triomphe. ParisLongchamp racecourse. Pferd, Jockey, Torquator Tasso, Piechulek, Sieg, Ziel, Zielankunft 211003D693LONGCHAMP.JPG *** 03 10 2021, Paris, FRA Torquator Tasso right with Rene Piechulek up wins the 100 Prix de l Arc de Triomphe ParisLongchamp racecourse horse, jockey, Torquator Tasso, Piechulek, win, finish, finish 211003D693LONGCHAMP JPG (Foto: Frank Sorge/Galoppfoto/Imago)

Beim Großen Preis von Bayern, dem letzten Gruppe-I-Rennen Europas in diesem Jahr, möchte der Münchener Jockey Rene Piechulek die erfolgreichste Saison seiner bisherigen Karriere krönen.

Von Frederik Kastberg

Der Wecker von Rene Piechulek klingelt zur Zeit jeden Morgen um 5.15 Uhr. Eine Dreiviertelstunde später steht der 34-jährige Jockey dann im Stall und beginnt damit, die Pferde zu versorgen, geht mit ihnen reiten und putzt sie anschließend. Im Sommer, wenn es früher hell wird, beginnt das ganze Prozedere sogar schon eine Stunde früher. Sieben Tage pro Woche. "Es ist brutal hart, das kann man sich nicht vorstellen", sagt er. Und: "Manchmal tut's auch weh."

Am Sonntag kann Piechulek immerhin etwas länger im Bett bleiben. Denn dann steht der Große Preis von Bayern auf der Galopprennbahn in Riem an, und der beginnt glücklicherweise erst um 12 Uhr. "Ich werde ausschlafen, so gut es eben geht." Ausschlafen, das bedeutet in Piechuleks Welt: Um sieben Uhr ist er wach. Danach stellt er sich auf die Waage, um zu sehen, wie viele Laufrunden er von den 55,5 Kilogramm entfernt ist, die er erreichen muss. "Kann sein, dass ich nochmal ein bisschen schwitzen muss, um die letzten Gramm wegzukriegen." Wenn er dann mit seinem Gewicht im Reinen ist, gibt es morgens noch einen Espresso. "Vielleicht auch einen doppelten", sagt Piechulek. Zum wach werden.

Erfolge in Paris und Baden-Baden: Diese Saison war die "goldenste" seiner Karriere,sagt Piechulek

Der Große Preis von Bayern ist neben dem Großen Dallmayr-Preis im Sommer das zweite Rennen der Gruppe-I-Kategorie in Riem. Gleichzeitig ist es in diesem Jahr der letzte europäische Start in dieser Klasse. Trotz des vergleichsweise niedrigen Preisgelds von insgesamt 150 000 Euro, davon 95 000 für den Sieger, habe man tolle Pferde gewinnen können, erzählt Sascha Multerer, Generalsekretär des Münchener Rennvereins: "Und mit Alpinista vielleicht das momentan beste über 2400 Meter in Europa." Die vierjährige Stute gewann dieses Jahr bereits die Gruppe-I-Rennen in Köln und Berlin. Allerdings gibt Multerer auch zu: "Es hätten gerne auch mehr sein können." Bis Mittwochvormittag sah es noch nach neun Startern aus, das Feld schrumpfte im Laufe des Tages dann aber noch auf sechs.

Für Rene Piechulek ist es ohnehin ein Heimspiel. Er ist jeden Tag auf der Anlage in Riem und arbeitet unter der Trainerin Sarah Steinberg mit den Pferden. Seine Chefin ist auch gleichzeitig seine Lebensgefährtin. Berufliches und Privates, das könnten beide aber sehr gut trennen, betont Piechulek. Und wenn die Stalltür dann irgendwann mal zugehe, "dann fahren wir nach Hause und haben auch ein Privatleben".

Berufswunsch? "Irgendwas mit Tieren." - Dass Rene Piechulek in Paris siegte, verdankt er dem Arbeitsamt. (Foto: Frank Sorge/Galoppfoto/imago)

Am Sonntag könnte Piechulek seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen - und damit den krönenden Abschluss einer Saison feiern, die er selbst als seine "goldenste" beschreibt. Anfang Oktober gewann er mit dem Hengst Torquator Tasso die 100. Austragung des Prix de l'Arc de Triomphe in Paris, kurz Arc, und damit das prestigeträchtigste Rennen Europas und eines der wichtigsten der Welt. Zuvor konnte das Duo bereits den Großen Preis von Baden, ebenfalls ein Gruppe-I-Rennen, für sich entscheiden. Piechuleks (vorläufiges) Saisonfazit ist dementsprechend euphorisch: "Das zu übertreffen, ist ein Ding der Unmöglichkeit." Der Arc sei "das Rennen, das jeder Jockey einmal im Leben gewinnen möchte".

Dass Piechulek überhaupt im Sattel gelandet ist, ist auch ein wenig dem Zufall geschuldet. Nach der Schule hatte er zwei Bedingungen: Er wollte "nicht im Büro sitzen" und auf jeden Fall "irgendwas mit Tieren" machen. Das Arbeitsamt in Leipzig schlug dem damals 16-jährigen Dessauer dann ein paar Arbeitsstellen vor, unter anderem eine Trainingsstätte gleich in der Stadt, die auch Rennreiter ausbildete. Dort begann er eine Lehre zum Pferdewirt und saß mit 20 Jahren zum ersten Mal als Jockey im Sattel. Mit Tieren zu arbeiten, das ist in seiner Familie nicht ganz neu, allerdings in einem gänzlich anderen Kontext: Piechuleks Mutter ist gelernte Fleischereifachverkäuferin, sein Vater gelernter Koch.

Piechulek hofft für die kommenden Tage auf Regen - weil Mendocino auf weichem Boden noch etwas schneller galoppieren kann

Ihr Sohn ist heute selbständiger Jockey, das heißt, er bekommt pro Start eine vorab festgelegte Summe Reitgeld vom Besitzer. Deswegen startet er am Sonntag auch gleich in sechs von insgesamt acht Rennen. "Man will ja auch Geld verdienen und Erfolg haben", sagt er, "und den hat man nicht, wenn man nur zuguckt." Vom möglichen Gewinn bekommt er in Deutschland 4,8 Prozent, ein Preisgeld gibt es in der Regel bis zum vierten Platz.

Im Hauptrennen reitet er dieses Mal den dreijährigen Hengst Mendocino, der von seiner Freundin trainiert wird. "Das spielt aber überhaupt keine Rolle. Ich gebe immer 100 Prozent, egal für wen", versichert er. Für Mendocino ist es der erste Start in einem Grupperennen, die es in den Klassen I bis III gibt, aber wegen der "guten Trainingsleistungen" sei auch ein Podiumsplatz drin. Und weil Mendocino auf weichem Boden noch etwas schneller galoppieren könne, hat Piechulek noch einen Wunsch für die kommenden Tage: "Ich hätte nichts dagegen, wenn es nochmal regnet."

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