Galopp:Pferdeadel verpflichtet

12.07.2020, Hamburg, Hansestadt-Hamburg, GER - In Swoop mit Ronan Thomas gewinnt das IDEE 151. Deutsche Derby. Galoppre

Pfeilschnell auf der Zielgeraden: In Swoop beweist beim Derby in Hamburg-Horn, dass er so gut ist wie sein Pedigree.

(Foto: Frank Sorge/Galoppfoto/imago)

Derbysieger In Swoop setzt die Familientradition fort. Der Hengst, dessen Vater Adlerflug das Rennen 2007 gewann, wird nun beim Grand Prix de Paris starten.

Von Gabriele Pochhammer, Hamburg

Normalerweise kommt ein Sturzflug von oben nach unten. Dieser aber, am Sonntag auf der Horner Rennbahn, fegte von hinten nach vorne: Auf der Zielgeraden noch Viertletzter, schob sich der Hengst In Swoop, zu deutsch Sturzflug, unaufhaltsam an die Spitze zu seinem unerwarteten Derbysieg und sicherte seinen Besitzern damit 390 000 Euro Siegprämie von insgesamt 650 000 Euro Preisgeld. Für den Jockey Ronan Thomas war es der erste Gruppe-I-Sieg überhaupt, für das Traditionsgestüt Schlenderhan, das genauso alt ist wie das Derby, nämlich 150 Jahre, das 19. Blaue Band.

Von allen 19 Hengsten, die im 151. Derby in die Startboxen gingen, wusste man von In Swoop am wenigsten. Er wird seit vergangenem Herbst bei Francis Henri Graffard in Chantilly trainiert, der wiederum als Aufsteiger in der Trainerszene gilt. Die Karriere von In Swoop begann erst im Mai dieses Jahres. Nur zwei Rennen hatte der Braune vorher bestritten, eines davon konnte er gewinnen. "Aber er ist unfassbar gut gezogen", sagt Philip von Ullmann, 24, jüngster Sohn von Clan-Chef Georg von Ullmann, der in sechster Generation die Vollbluttradition seiner Familie fortsetzt und stellvertretend die Glückwünsche entgegennahm. Er war es, der In Swoop als Fohlen den Namen gegeben hat, der auf dessen Vater Adlerflug anspielt.

Würden Pferde so etwas wie Stolz oder Genugtuung kennen, wäre das für den inzwischen 14-jährigen Fuchshengst in seiner Box in Schlenderhan vermutlich eine angemessene Reaktion: Denn nicht nur der Sieger, auch der Zweite Torquator Tasso, ebenfalls ein Außenseiter, ist sein Sohn - wie eine Reihe weiterer Pferde, die im Verlauf des dreitätigen Derbymeetings starteten. Adlerflug selbst gewann 2007 das Derby mit dem sensationellen Vorsprung von acht Pferdelängen. "Und In Swoops Mutter Ito hat den Preis der Diana gewonnen", sagt Philip von Ullmann. Das heißt, sie war die beste deutsche Stute ihres Jahrgangs.

Für Rennleute ist das Pedigree, die Ahnentafel, nicht die einzige, aber eine wichtige Informationsquelle, um die Qualität eines Pferdes zu beurteilen. Vollblutexperte Peter Brauer vergleicht es in seinem neuen Buch "Vollblut: Zucht und mehr" mit einer Landkarte, auf der Straßenführungen und Hinweisschilder eingezeichnet sind, die der Orientierung und Vergleichbarkeit dienen. Aber erst im Rennen kann ein Pferd beweisen, dass es so gut ist wie sein Pedigree.

Seit die gestütseigene Trainingsanlage von Schlenderhan zum Jahreswechsel aufgegeben wurde, sind die Pferde auf verschiedene Trainerställe in Deutschland und Frankreich verteilt. Hintergrund war die vorübergehende Übereignung des Gestüts an die Deutsche Bank im Zuge der Turbulenzen um die Sal. Oppenheim Bank, die inzwischen abgewickelt wurde. Mitgesellschafter Georg von Ullmann aus der Besitzerfamilie Oppenheim konnte das Gestüt mit Schlösschen, Ställen und Weiden zurückkaufen, für die Trainingsanlage fand sich indes kein Interessent. "Jetzt wollen wir eine Reithalle bauen, damit wir unsere eigenen Jährlinge dort anreiten können", sagt Philip von Ullmann, der dabei ist, eine eigene kleine Zucht aufzubauen. Als weitere Aufgaben warten auf In Swoop der Grand Prix de Paris, Corona-bedingt erst im September, und vielleicht der Prix de L'Arc de Triomphe, das berühmteste Rennen der Welt. Genannt wurde er jedenfalls schon lange vor dem Derby.

Neue Pläne müssen jetzt für Wonderful Moon gemacht werden, den Derbyfavoriten, der bedeutungslos im Mittelfeld verschwand und nur Sechster wurde. "Schon an der 400-Meter-Marke habe ich gemerkt, dass ihm der Weg zu weit wurde. Er ist ein bisschen gegen eine Wand gelaufen," sagt Championjockey Andrasch Starke, der mit einem achten Derbysieg mit Rekordhalter Gerhard Streit hätte gleichziehen können. "Es hat an der Distanz gelegen, bei großem Tempo zeigt sich, wer Steher-Qualitäten hat. Wir gehen jetzt mit Wonderful Moon mit der Distanz ein bisschen runter." Auch den für 65 000 Euro nachgenannten Kellahen, der lange Zeit das Feld anführte, verließen am Schluss die Kräfte, er fiel auf Platz 15 zurück.

Am Ende hat der Hamburger Rennclub aus dem "Corona-Derby" das Beste gemacht. Nur 1000 Leute durften sich auf der Bahn aufhalten. Am Eingang wurde Fieber gemessen, Ordner überprüften, ob sich alle an die Maskenpflicht hielten. Zuschauer waren nicht zugelassen, aber jedes Rennen wurde im Livestream übertragen. Gewettet wurde übers Internet oder in einem nahegelegenen Hotel, allein am Derbytag für knapp eine Million Euro, an allen drei Tagen für rund 1,8 Millionen. Schatzmeisterin Ilona Vollmers hatte nur mit 1,2 Millionen gerechnet und zeigte sich entsprechend erleichtert: "Ich bin angenehm überrascht." Auch wenn sich niemand eine Neuauflage eines von Corona diktierten Derbys wünscht.

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