Süddeutsche Zeitung

Futsal:Unvorstellbares auf dem Platz

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Die Futsaler von Jahn Regensburg werden bei der deutschen Meisterschaft Zweiter. Ihr nächstes Ziel ist die Qualifikation für die neu geschaffene Bundesliga.

Von Johannes Kirchmeier

Die Hallenuhr zeigte noch 15 Sekunden an beim Endspiel um die deutsche Meisterschaft, da tippten die Futsaler des SSV Jahn 1889 Regensburg den Ball am Anstoßpunkt kurz an, damit die Partie weitergehen konnte. Doch dann wandten sie sich vom Ball ab, ihr Abwehrspieler Lucas Silveira Kruel hob die Arme am Mittelkreis. Er ging seinen Gegenspielern vom VfL 05 Hohenstein-Ernstthal ein paar Schritte entgegen, die Mitspieler folgten ihm und dann klatschten die Kicker miteinander ab oder umarmten sich. Die Regensburger gratulierten den Sachsen zum Sieg, im Hintergrund ertönte am Sonntagnachmittag noch beiläufig die Schlusssirene in der Sportschule Wedau in Duisburg. Es war der Abschluss von vier intensiven Futsal-Tagen bei der Meisterschaftsendrunde, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aufgrund der virusbedingten Lage als Blitzturnier durchführte. Die silbernen Medaillen mit der eingravierten "2" nahmen sich die Jahn-Spieler bei der Siegerehrung später selbst aus dem Kästchen.

Diese Ruhe zum Spielschluss, das war natürlich ein eher unübliches Ende des Finales in der Hallensportart, in der es meist hin und her geht und jeder der vier Feldspieler immer in Aktion ist. Aber Kruel und seine Kollegen wussten ja, dass an diesem Tag nichts mehr zu gewinnen war. 15 Sekunden vor dem Ende hatte sein Team das 2:6 (1:2) kassiert, Hohenstein-Ernstthal, der Meister von 2018, siegte auch im Jahr 2020. Und gleichzeitig gelang der Mannschaft noch eine Revanche: 2017 hatten die Sachsen 4:7 gegen den SSV Jahn Regensburg im Endspiel daheim in der Stadthalle Zwickau verloren.

Dass das Ergebnis nun ähnlich deutlich ausfiel, hatte mehr mit den maladen Regensburgern als mit dem VfL zu tun. Schon vor dem Turnier sagte der SSV-Teammanager Florian Roth: "Vielleicht können wir dann von der Luft her in einem Finale gar nicht mehr." Schließlich fehlte ein ganzer Block. Christian Saur war in Duisburg für seinen Arbeitgeber, den DFB, im Einsatz, Luca Piga fiel verletzt aus, Florian Fromholzer und Johannes Ebert mussten berufsbedingt passen. Führungsfigur Kruel spielte deshalb fast komplett durch in den vier Partien von Donnerstag bis Sonntag, zum Schluss war er nicht mehr spritzig genug.

Hinzu kam der Umstand, dass der ohnehin schon kleinste Kader des Turniers vor dem Finale noch einmal dezimiert wurde: Der beste Vorlagengeber, Philipp Ropers, fehlte nach einer gelb-roten Karte - und für den Angreifer Alexander Günter reichte es nur zu kurzen Einsätzen. Er hatte sich im Halbfinale verletzt, die beiden mitgereisten Oberpfälzer Physiotherapeuten brachten ihn dann gerade so hin, dass er mitspielen konnte. Trotzdem erzielte der beste Torjäger der Regionalliga Süd noch das zwischenzeitliche 2:5 - und wurde so auch zum Torschützenkönig des Meisterschaftsturniers mit acht Toren. "Wir haben gezeigt, dass der Wille Berge versetzen kann", findet Roth.

Er blickt daher auf vier gelungene Tage zurück, an deren Ende die zweite Finalteilnahme der fünfjährigen Futsal-Abteilungsgeschichte stand. Das Team hat die Konkurrenten und auch seine Verantwortlichen, deren Ziel das Halbfinale war, überrascht. "Was da auf dem Platz abging, habe ich mir nicht vorstellen können", sagt etwa der Abteilungsleiter Oliver Vogel, wenn man ihn auf die Vorschlussrunde anspricht. Er bezeichnete sich deswegen als "glücklichsten Abteilungsleiter der Welt". 7:6 siegte der SSV nach Verlängerung gegen den Mitfavoriten MCH Futsal Club Bielefeld-Sennestadt - und das, obwohl die Regensburger in der Verlängerung zeitweise in Unterzahl agierten mussten nach dem Platzverweis gegen Ropers. Es half dem SSV Jahn natürlich auch, dass ihn der favorisierte Gegner nach seinem 2:0 nach weniger als zwei Minuten im weiteren Spielverlauf wohl etwas unterschätzte.

"Wir werden alles daran setzen, dass es kein One-Hit-Wonder bleibt", sagt Roth am Montag. In den kommenden Wochen wird er mit Vogel die Mannschaft verstärken - "in der Breite und in der Spitze", betont er. Und so ein zweiter Platz hilft da bei den Gesprächen natürlich. Spruchreif ist noch nichts, es dürfte aber weiter aufwärts gehen beim SSV Jahn. Ein One-Hit-Wonder sind die Regensburger ohnehin nicht so recht. Sie haben mittlerweile drei Jugendteams - und damit so viele Nachwuchskräfte wie kein anderes Futsal-Team in Deutschland. In zwei, drei Jahren dürften die ersten im eigenen Verein ausgebildeten Jungs für den Jahn spielen.

Am besten in der Bundesliga, die zur Saison 2021/2022 eingeführt wird: "Das ist unser großes Ziel", sagt Roth. Um sich dafür direkt zu qualifizieren, muss der SSV Jahn Regensburg am Ende der neuen Spielzeit, die aller Voraussicht nach - und wenn virusbedingt nichts dazwischenkommt - am 3. Oktober startet, Rang zwei der Regionalliga Süd belegen. Der Dritte hat dann noch die Chance, als Sieger eines Qualifikationsturniers den letzten Teilnehmerplatz zu ergattern. Bislang waren die Oberpfälzer in der Regionalliga nie schlechter als Platz zwei. Vogel und Roth sind nach den erfolgreichen Tagen bei der Meisterschaft in Duisburg und vor der Wechselphase überzeugt, dass sich das auch nicht ändern wird.

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Quelle:
SZ vom 19.08.2020
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