Futsal:Schichtdienst und Skilager

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Vor schweren Aufgaben: Marco Hiry und seine Kollegen vom 1. FC Penzberg. (Foto: Felix Schlikis/Lobeca/Imago)

Der 1. FC Penzberg schafft als einziger bayerischer Vertreter den Klassenverbleib in der neu gegründeten Futsal-Bundesliga mit reinen Amateuren - und qualifiziert sich für die Finalrunde.

Von Benjamin Zügner

44 Sekunden Restspielzeit befinden sich noch auf der Uhr im Castello Düsseldorf, im Aufeinandertreffen der heimischen Fortuna und des 1. FC Penzberg. Spielstand 3:3. Mit einem weiteren Treffer würden die Oberbayern den vierten Saisonsieg markieren und in der Tabelle an den Gastgebern vorbeiziehen. Doch die Spieler beider Mannschaften einigen sich darauf, den Sport für heute Sport sein zu lassen, und versammeln sich schon vor Abpfiff sichtlich niedergeschlagen im Mittelkreis zum Händeschütteln. Wichtiger ist die Gesundheit. Zuvor war Penzbergs Keeper Christian Utmälleki mit Gegenspieler Luigi D'Alterio zusammengeprallt, musste lange auf dem Feld behandelt werden, ehe er in ein nahegelegenes Krankenhaus abtransportiert werden konnte.

Sportlich hätten die Penzberger, aufgrund einer 3:8-Niederlage der TSG 1846 Mainz-Bretzenheim im Parallelspiel, den Klassenverbleib in der Futsal-Bundesliga auch bei einer Niederlage gesichert gehabt. Sie vermieden die Relegationsrunde mit den Meistern der fünf Regionalligen. Dadurch steht ihnen bereits zwei Spieltage vor Ende der Premieren-Saison als einzigem bayerischen Vertreter nicht nur ein Startplatz für 2022/23 zur Verfügung, sondern auch ein Ticket für die "Meisterrunde", die Playoffs, ab Mitte April.

Gestartet war die Bundesliga allerdings direkt mit einem Dämpfer: Bereits vor Saisonbeginn Anfang September 2021 musste 1894 Berlin aufgrund des Wegfalls von Zulassungsvoraussetzungen seine Teilnahme absagen, wodurch der direkte Absteiger bereits feststand. Penzberg rückte also automatisch einen Schritt näher an das von Trainer Andreas Brunner ausgegebene Saisonziel: "Der Klassenerhalt war schon das, was wir erreichen wollten." Wohl auch, weil die Qualifikation doch recht überraschend kam: Die Regionalliga-Saison im Vorjahr wurde bereits nach vier Spieltagen abgebrochen und per Quotientenregel gewertet. Penzberg, mit drei Siegen aus drei Spielen gestartet und so deutlich vor ambitionierten Teams wie dem SSV Jahn Regensburg oder den Beton Boys München platziert, stieg wie der TSV Weilimdorf aus dem Norden Stuttgarts direkt in die neu gegründete Bundesliga auf.

Trainer Brunner sieht der Meisterrunde realistisch entgegen, die Etatunterschiede sind groß

Nach dem Düsseldorfer Remis, bei dem man eine 3:1-Führung verspielte und den Treffer zum Endstand durch einen direkt verwandelten Freistoß von Fortuna-Keeper Christian de Groodt hinnehmen musste, wird sich im Viertelfinale der Meisterrunde ein Duell mit einem der drei topgesetzten Teams ergeben. Brunner sieht dieser anstehenden Aufgabe realistisch entgegen: "Wir werden da nicht viel holen, dafür sind die Unterschiede auch im Etat zu groß."

Beim FC Penzberg sind alle Spieler Amateure, das Gros spielt dort im Freien in der Bezirksliga. Einige Spieler stehen aber auch bei anderen bayerischen Vereinen unter Vertrag und machen von ihrer zweiten Spielerlaubnis Gebrauch, die ihnen den Einsatz in der Halle für den FC ermöglicht. Eines aber vereint sie alle: Ihren Lebensunterhalt verdienen sie woanders, teils müssen sie sogar im Schichtdienst in den Nächten vor Spielen ran. Trainer Brunner, hauptberuflich als Lehrer tätig, war unter der Woche noch im Skilager seiner Schule. Vertretung: Maxi Kalus, spielender Co-Trainer und Kapitän. Die Auswärtsfahrten sowie benötigte Hotelübernachtungen werden von lokalen Sponsoren übernommen, Aufwandsentschädigungen für die Spieler gibt es hingegen schon nicht mehr.

Währenddessen können andere Teams ein größeres Budget aufweisen, trainieren mehr und sind gespickt mit Futsal-Nationalspielern, auch aus dem Ausland. Somit sind die Favoriten klar definiert: Weilimdorf als letztjähriger deutscher Meister, die Futsaler aus dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal als aktueller Tabellenführer und der Stuttgarter Futsal-Club, der bis zum neunten Spieltag ohne Punktverlust Spitzenreiter war.

Dass die Futsal-Bundesliga in ihren Anfängen steckt, zeigt die fehlende mediale Aufmerksamkeit

Dass die Futsal-Bundesliga dennoch in ihren Anfängen steckt und Wachstum noch bevorsteht, zeigt die fehlende mediale Aufmerksamkeit; so überträgt dfb.tv zwar ausgewählte Spiele, eine allgemeine Abdeckung der Berichterstattung findet sich jedoch nur in Highlight-Clips wieder. Auch vor Ort variiert die Zuschauerpräsenz noch enorm: Während beim Stuttgarter Derby und Topspiel rund 2000 Schaulustige vor Ort waren, kommen andere Vereine wie der FC Penzberg bei ihren Einsätzen nur auf einen Bruchteil hiervon.

Dass die Penzberger eigentlich ein Zuschauermagnet sein müssten, lässt ein Blick auf die Torstatistik vermuten. In bisher 14 Spielen sind kumuliert bereits 133 Tore gefallen - Ligahöchstwert. Allen voran Samir Azizi: Mit bereits zwölf Saisontoren zählt er zu den besten Torjägern der Bundesliga, lässt Penzberg offensiv im oberen Mittelfeld rangieren. Allerdings stellt der FC mit 78 Gegentoren auch die schwächste Defensive der Liga, spielte keines der bisherigen 14 Saisonspiele zu null.

Der Ausfall von Torwart Christian Utmälleki wiegt auch angesichts dieser Defensivschwäche schwer. Dank einer starken Leistung des 40-Jährigen wurde die Niederlage gegen Düsseldorf abgewendet, sehenswerte Paraden inklusive. Immerhin wurde er noch am selben Tag aus dem Krankenhaus entlassen und begab sich wieder auf die Heimreise. "Ein Schleudertrauma war es dann. Er pausiert jetzt erstmal zehn Tage und dann sehen wir weiter", meint Brunner. "Der ist schon wieder ganz munter", schiebt er noch mit einem Augenzwinkern hinterher.

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